Studie des Bistums Hildesheim deckt massive Vertuschung durch früheren Bischof auf

Missbrauchs-Vorwürfe gegen Bischof Janssen: So half ihm das Bistum Münster

  • An der Vertuschung von sexuellem Missbrauch im Bistum Hildesheim ist auch die Leitung des Bistums Münster beteiligt gewesen.
  • Dies belegt die Missbrauchs-Studie, die die Amtszeit des früheren Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen (1957-1982), der aus dem Bistum Münster stammt.
  • Konkret sind laut Studie zwei Priester-Täter aus dem Bistum Hildesheim in das Bistum Münster versetzt worden.

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An der Vertuschung von sexuellem Missbrauch im Bistum Hildesheim ist auch die Leitung des Bistums Münster beteiligt gewesen. Das belegt das nun veröffentliche Missbrauchsgutachten über die Amtszeit des aus dem Bistum Münster stammenden, früheren Hildesheimer Bischofs Heinrich Maria Janssen von 1957 bis 1982.

In dem Gutachten werden 71 Tatverdächtige aus dem Bistum Hildesheim genannt, darunter 45 Geistliche. Das Gutachten zeigt, wie die Bistumsleitung in Janssens 25-jähriger Amtszeit immer wieder versuchte, Beschuldigte durch Versetzung in andere Bistümer, teilweise auch nach Südamerika, zu schützen. Auch in das Bistum Münster sind laut Untersuchung zwei Tatverdächtige versetzt worden.

 

Priester-Täter ins Münsterland versetzt

 

Hier ist zunächst der „Tatverdächtige Nummer 13“ genannt. Zwei Missbrauchsfälle in den Zeiträumen von 1957 bis 1961 und 1964/1965 sind durch Betroffene inzwischen bekannt geworden. Der Priester-Täter ist 1967 wegen sexuellen Missbrauchs zu 17 Monaten Haft verurteilt worden, heißt es in der Studie. Bischof Heinrich Maria Janssen habe zu Beginn des Strafverfahrens versucht, den Prozess zugunsten des Priesters zu beeinflussen.

Janssen schrieb laut Gutachten am 23. Februar 1968 an einen anderen Priester: „Weil hier die Gerichte überall mit Sozialisten besetzt sind, mussten wir einen Skandal über die Presse befürchten. Man riet uns, …sofort in eine Gegend zu geben, wo das Gericht ansprechbar sei. Das ist gelungen. Er kam in’s Münsterland.“

 

Bischof Janssen stellt Gnadengesuch

 

Während der Haft stellte Bischof Janssen ein Gnadengesuch mit dem Ziel der Strafunterbrechung, das jedoch abgelehnt wurde. In der Studie heißt es weiter: „Am 31. März 1968 ordnete er eine monatliche Überweisung von 1200 DM an den TV an und übernahm 50 % der Krankenkassenbeiträge.“ Nach der Haft bat Janssen einen befreundeten Priester, so heißt es, eine neue Aufgabe für den Straftäter zu finden. An den Täter selbst schrieb er: „Ich habe ihm geschrieben, er möchte Sie als wegen Krankheit beurlaubten Priester deklarieren.“ Die Studie wertet dies als klare Vertuschungsabsicht des Bischofs.

Nach seiner Verurteilung ist der Priester weiterhin im Jugendbereich tätig gewesen. Bischof Janssen schrieb laut Gutachten am 21. September 1985 in einem Vermerk: „Nach der Abbüßung seiner Strafe wohnte er bei seiner Mutter im Bistum (Ortsname geschwärzt), war aber außerhalb seines Wohnortes vom Bistum (Ortsname geschwärzt) als Religionslehrer eingesetzt.“

Die Beurteilung der Straftaten durch Kurt Grimm, einer der Autoren der Studie, ist eindeutig: „Dass sich die Vorfälle wie oben geschildert zutrugen, steht für mich außer Zweifel. (…) Bischof Janssen deckte ihn über Jahre hinweg und hätschelte ihn nahezu.“

 

Priester-Täter zu Zuchthaus verurteilt

 

Ein weiterer Tatverdächtiger im Zusammenhang mit dem Bistum Münster trägt in der Studie die Nummer 50. Hier ist von insgesamt zehn geschädigten Frauen die Rede. Eine Frau habe laut Unterlagen die Anerkennung des ihr zugefügten Leids beantragt. Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs ist sehr detailliert dargestellt worden.

Der Priester-Täter ist am 7. Februar 1964 wegen seiner Verbrechen zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt worden. Für die Zeit zwischen 1969 und 1976 lagen laut Untersuchung keine weiteren Akten über den Straftäter vor. Es stehe jedoch fest, dass er versetzt wurde und es zu weiteren sexuellen Übergriffen kam.

 

Generalvikariat Münster schützt Verurteilten

 

Im Jahr 1976 taucht das Bischöfliche Generalvikariat Münster in den Akten auf. Es teilte laut Gutachten Bischof Janssen am 28. Mai 1976 mit, dass der genannte Priester am 1. Juni 1976 in den Ruhestand versetzt worden sei.

Nach Beendigung eines Prozesses sei eine weitere Verwendung allerdings vorgesehen. Münster schrieb laut Gutachten am 29. Juli 1976: „Er (RA) hoffe, es zu schaffen, dass (Klarname) nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird. Deshalb haben wir ihn in den Ruhestand versetzt, damit diese Strafe nicht zu hoch ausfällt und für ihn erschwinglich bleibt. Außerdem macht uns das Gericht erhebliche Vorwürfe, daß wir ihn nach seiner Verurteilung seinerzeit in (Ort geschwärzt) in der Pastoral noch einmal eingestellt haben. Damals wurde wohl die Forderung aufgestellt, daß (Klarname) nicht mehr in der Seelsorge verwandt würde. Das haben wie hier nicht gewusst oder inzwischen auch vergessen.“ Damals war Hermann Josef Spital Generalvikar in Münster, 1981 wurde er Bischof von Trier.

 

Schutz des Täters für Münster im Mittelpunkt

 

„In den gesamten Akten sind die Opfer mit keinem Wort erwähnt. (…) Der TV nützte jeweils Situationen aus, die sich anlässlich von Religionsunterricht, Messfeiern, Chorproben u. ä. ergaben“, heißt es nüchtern in der Studie. Die Unterstützung des Tatverdächtigen durch das Bistum Hildesheim sei enorm gewesen. Dies fing mit der Übernahme der Anwaltskosten und der Gerichtskosten an und hörte mit einem Briefwechsel zwischen Bischof Janssen und dem Verurteilten lange nicht auf.

Auch nach dem Rückfall des Priesters nach seiner Versetzung ins Bistum Münster und eines zweiten Verfahrens wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 19 Fällen, blieb der Schutz des Täters im Mittelpunkt des Handelns kirchlicher Stellen. „Noch vor Prozessbeginn erklärte das Generalvikariat Münster, seine Vergehen seien nicht schwerwiegend“, heißt es in der Studie.

 

Bischof Heinrich Maria Janssen stammt aus Bistum Münster

 

Weitere konkrete Verbindungen zwischen Missbrauchsfällen im Bistum Hildesheim und dem Bistum Münster nennen die Autoren der Studie nicht. Bischof Heinrich Maria Janssen stammt aus dem Bistum Münster, ist in Rindern bei Kleve geboren worden, legte sein Abitur an der Gaesdonck am Niederrhein ab und wurde von Bischof Clemens August Graf von Galen 1934 zum Priester geweiht. Er war unter anderem als Pfarrer in Kevelaer tätig, bevor er im Jahr 1957 zum Bischof von Hildesheim ernannt wurde, was er bis 1982 blieb. Janssen starb 1988.

Die komplette Studie zu sexuellem Missbrauch im Bistum Hildesheim ist nun online verfügbar.

Missbrauchs-Studie für das Bistum Münster: Ein Forscherteam der Universität Münster unter der Leitung des Historikers Thomas Großbölting erstellt im Moment eine Studie über Missbrauch im Bistum. Die Studie soll sexualisierte Gewalt durch Priester im Bistum Münster zwischen 1945 und 2018 untersuchen und dabei auf die Rolle der Verantwortlichen in der Diözese erforschen. In einer ersten Zwischenbilanz war von einem Vertuschungs-Netzwerk während der Amtszeit von Bischof Reinhard Lettmann (1980-2008) die Rede. Die endgültigen Ergebnisse werden im Frühjahr 2022 erwartet.

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