Dominikaner Laurentius Siemer wird in einer Fallstudie erwähnt

Missbrauchsstudie: Staatliche Schule diskutiert über Namensgeber

  • Im Ortsteil Ramsloh in der Gemeinde Saterland stimmt das Kollegium des Laurentius-Siemer-Gymnasiums darüber ab, ob es den Schulnamen weiterhin für angemessen hält.
  • Grund ist eine Fallstudie im Missbrauchsgutachten für das Bistum Münster, in der der Name des Dominikaners auftaucht.
  • Das Kollegium kann zwar nichts entscheiden, das Votum soll aber an den Schulvorstand weitergeleitet werden, der eine Namensänderung anstoßen könnte.

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An einem staatlichen Gymnasium in der Gemeinde Saterland (Kreis Cloppenburg) wird derzeit intensiv eine Passage in der Missbrauchsstudie für das Bistum Münster diskutiert. Genauer: Über die Frage, ob die Schule auch weiterhin den Namen „Laurentius-Siemer-Gymnasium“ tragen soll.

Das Gymnasium hatte 2008 diesen Namen bekommen. Die damalige Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) nannte ihn am Tag der offiziellen Namensgebung auch „gut gewählt“. Der Rückgriff auf den Dominikaner und sein kirchliches und politisches Wirken lege einen hohen Maßstab an die Arbeit des Gymnasiums an.

Pater Siemer genießt hohes Ansehen

Bis vor kurzem war diese Auffassung unwidersprochen Allgemeingut in der Region. Und der 1956 gestorbene Pater, der aktiv Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus unterstützt hatte und unter anderem mehrere Monate in Gestapo-Haft saß, gehört immer noch zu den hoch angesehenen Männern. Doch die Ergebnisse der Missbrauchsstudie haben Fragen aufgeworfen, die bisher nicht für alle ausreichend geklärt wurden und wohl auch nicht werden können.

Es geht dabei um den Fall des Missbrauchstäters Joseph Hermes, der Anfang der 1950er Jahre Propst in Vechta war. In der Fallstudie zu dem Fall findet auch Pater Laurentius Siemer Erwähnung, auf Seite 43. Dort geht es um die Zeugenaussage eines der von Missbrauch betroffenen Jungen. Wörtlich heißt es da: „Außerdem hätte der angesehene Dominikanerpater Laurentius Siemer die Mutter besucht und gebeten, ,die Anzeige wegen der angeblichen Unzuchtshandlungen des Pfarrer Hermes [...] zurückzunehmen.‘“

Gymnasium in intensiven Diskussionen um Siemer

Update, 27. Februar: Das Abstimmungsergebnis des Lehrerkollegiums steht inzwischen fest. Nach Informationen des Schulleiters hat sich die Mehrheit der Lehrkräfte für eine Beibehaltung des Namens ausgesprochen. Somit bleibe der Name des Gymnasiums erhalten, heißt es in einer Stellungnahme. (jdw)

Die Frage für die Schule lautet nun: Muss das als versuchte Vertuschung bewertet werden? Und: Was bedeutet diese Bewertung für das Gymnasium mit derzeit rund 440 Schülerinnen und Schülern? Aber auch: Falls eine Antwort auf die Frage nach der versuchten Vertuschung nicht möglich ist: Was bedeutet es dann?

„Unsere Schule ist derzeit auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: Kann Laurentius Siemer weiterhin ein angemessener Namensgeber für unsere Schule sein?“, erklärte Schulleiter Klaus Finsterhölzl dazu gegenüber „Kirche-und-Leben.de“. Er hatte sich nach dem Bekanntwerden der Passage in der Missbrauchsstudie zunächst an die Dominikaner in Vechta gewandt. Dort hatte man ihm Maria Anna Zumholz, eine Historikerin aus Vechta, als Expertin in der Sache empfohlen.

Experte empfiehlt Namensänderung nicht

Das Gymnasium in Ramsloh heißt seit 2008 „Laurentius-Siemer-Gymnasium“. | Foto: Laurentius-Siemer-Gymnasium
Das Gymnasium in Ramsloh heißt seit 2008 „Laurentius-Siemer-Gymnasium“. | Foto: Laurentius-Siemer-Gymnasium

Doch auch nach einer öffentlichen Informationsveranstaltung mit der Wissenschaftlerin in Ramsloh gebe es keine einhellige Meinung, so Schulleiter Finsterhölzl. Die Historikerin hatte dargelegt, warum sie nicht davon ausgeht, dass Pater Laurentius Missbrauch habe vertuschen wollen. Auch Historiker David Rüschenschmidt, einer der Verfasser der Missbrauchsstudie, habe der Schule schriftlich mitgeteilt, er sehe keine Notwendigkeit für eine Namensänderung, so der Schulleiter.

Dennoch will die Schule die Diskussion damit nicht ad acta legen. Denn, so erklärte Finsterhölzl nach einer Besprechung im 30-köpfigen Kollegium in der vergangenen Woche: „Es gibt dort weiterhin unterschiedliche Einschätzungen des Geschehens.“ Deshalb hat die Schule jetzt als nächsten Schritt eine geheime Abstimmung unter den Lehrerinnen und Lehrern gestartet. Bis zum kommenden Wochenende (24./25. Februar) können sie ein Votum darüber abgeben, ob sie Laurentius Siemer weiterhin für einen angemessenen Namensgeber halten.

Wichtige Diskussion geht weiter

Sollte sich eine Mehrheit dagegen entscheiden, werde das Kollegium dem Schulvorstand empfehlen, sich mit dem Schulträger, dem Landkreis Cloppenburg, über eine Namensänderung ins Benehmen zu setzen. Dies sehe das Niedersächsische Schulgesetz so vor. Der Schulvorstand ist jedoch nicht an das Votum der Lehrer gebunden, sondern kann zunächst weitere Stimmen, etwa unter Schülern und Lehrern einholen.

Schulleiter Finsterhölzl sieht die Schule in der Frage in einer komplizierten Situation. „Es geht darum, einen Satz in der Missbrauchsstudie zu bewerten. Es gibt viele Konjunktive und nicht zu beantwortende Fragen.“ Er hat dabei auch die Bedeutung Siemers im Blick. „Er stammt aus der Gegend, gehört zu den Säulenheiligen der Region. Dennoch“, so Finsterhölzl, „ist es wichtig, dass wir diese Diskussion führen.“

Auf der Internetseite der Schule hießt es dazu: „Durch eine gründliche Aufklärung und die Bereitschaft, die Vergangenheit kritisch zu hinterfragen, soll sichergestellt werden, dass sich solche Verbrechen nicht wiederholen und dass Opfer von sexuellem Missbrauch die Unterstützung und Gerechtigkeit erhalten, die sie verdienen.“

Laurentius-Siemer-Gymnasium Ramsloh
Am 18. Oktober 2007 hatte der Cloppenburger Kreistag beschlossen, dass das wenige Jahre zuvor neu gegründete Gymnasium in der Gemeinde Saterland „Laurentius-Siemer-Gymnasium“ heißen soll. Vorangegangen war ein Ideenwettbewerb, bei dem rund 70 Einsendungen mit Vorschlägen eingegangen war. Eine Jury hatte sich damals für den 1888 geborenen Dominikaner entschieden. Während der NS-Zeit hatte Siemer die Rassenideologie kritisiert und zum Widerstand gegen das Regime aufgerufen. Wegen seiner Kontakte zum Widerstand wurde er von der Gestapo gesucht und musste sich verstecken. Nach dem Krieg gehörte er zu den Mitverfassern des Grundgesetzes. Er starb am 21. Oktober 1956.

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