Pastoralreferentin Ilka Schmeing aus Isselburg: Ich musste über Missbrauchsfall schweigen

"Nicht mehr Teil des Systems": Seelsorgerin im Bistum Münster hört auf

  • Weil sie nicht mehr „Teil des Systems“ sein will, beendet Pastoralreferentin Ilka Schmeing ihren Dienst.
  • Sie habe selber über Missbrauch geschwiegen, weil ein Weihbischof sie dazu verpflichtet habe.
  • Schmeing war 28 Jahre im Dienst des Bistums Münster, zuletzt in Isselburg im Westmünsterland.

 

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Weil sie nicht mutig genug gewesen sei und über Missbrauch geschwiegen habe, beendet eine Pastoralreferentin im Bistum Münster nach 28 Jahren ihren Dienst. „Auch ich habe Betroffene im Stich gelassen und bin nicht an ihrer Seite gewesen, weil die Kirchenleitung mich und viele Kolleg:innen belogen hat“, schreibt Ilka Schmeing in einer persönlichen Erklärung auf Facebook.

Die 57-Jährige war zuletzt seit knapp zwölf Jahren in der Pfarrei St. Franziskus, Isselburg (Kreis Borken) tätig. Die Gemeinde wurde heute über ihren Schritt informiert.

„Der Weihbischof hat uns angelogen“

Auslöser ihrer Entscheidung sei die Veröffentlichung des Missbrauchs-Gutachtens für das Bistum Münster im Juni 2022 gewesen, erklärt Schmeing im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“. Sie spricht vom „Leitungsversagen der Kirche“ durch Vertuschung und dadurch, nicht für die Betroffenen da gewesen zu sein, „die systemischen Mängel anzugehen und dem Machtmissbrauch entgegenzuwirken“.

Dabei bekennt sie: „Ich selbst bin Teil des Systems.“ Der konkrete Hintergrund: 1996 sei sie in Coesfeld tätig gewesen, als es dort um einen besonders schweren Fall von sexuellem Missbrauch durch einen Priester ging. Der damals für die Region zuständige Weihbischof Josef Voß (+ 2009) habe seinerzeit mit allen Seelsorgenden gesprochen, erzählt Schmeing. „Und er hat uns befohlen zu schweigen, weil das die Angehörigen so wollten. Aber das war schlichtweg gelogen.“ Die Seelsorgerin räumt ein: „Wir waren damals zu gutgläubig, ich war vielleicht zu naiv, das würde mir und uns heute nicht mehr so gehen.“ Und sie betont: „Ich will und kann nicht mehr Teil dieses Systems sein.“

„Meine Heimat ist kaputt“

„Ich habe meinen Beruf geliebt“, erzählt Schmeing. An ihrem Glauben ändere sich durch diese Erfahrung und ihre Entscheidung nichts. Und doch: „Die römisch-katholische Kirche war immer Heimat für mich. Das ist kaputtgegangen.“ Es brauche mehr Ehrlichkeit und Verantwortungsübernahme, Schuldeingeständnis und Konsequenz in der Kirche. Sie gehe jetzt diesen Schritt – „das wünschte ich mir von manchem Bischof in Deutschland auch“.

Wenn sie „nur frustriert wäre, weil wir seit Jahrzehnten erfolglos für mehr Frauenrechte in der Kirche kämpfen“, dann würde sie bleiben und weiterkämpfen, sagt Schmeing. „Aber der Umgang mit Missbrauch in der Kirchenleitung hat für mich eine andere Dimension. Darum muss ich gehen.“ Bis zur Rente die Zähne zusammenbeißen – das wolle sie nicht. Dabei betont sie, dass sie bei den Personalverantwortlichen in Münster „auf Verständnis für meinen Schritt gestoßen“ sei.

Was wird sie künftig machen? „Ich habe keine Ahnung“, sagt Ilka Schmeing. „Das wird sich zeigen.“

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