Hendrik Drüing zur Zukunft der Schöpfung

Nachhaltigkeit: Kein Modewort, sondern ein komplexer Bildungsanspruch

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In der Öffentlichkeit ist Nachhaltigkeit eines der wichtigsten Themen unserer Zeit. Doch muss dieses vielschichtige Wort mit Leben gefüllt werden, erklärt Hendrik Drüing in seinem Gast-Kommentar.

Das Wort Nachhaltigkeit ist derzeit in aller Munde. Wenn ein solches Abstraktum populär wird, geschieht automatisch etwas: Es wird politisiert, relativiert oder absolutiert. Unstrittig ist gleichzeitig, dass es sich – mit dem Bildungstheoretiker Wolfgang Klafki gesprochen – um ein Schlüsselproblem unserer Tage und Zukunft handelt.

Im Bereich Schule wird seit mehreren Jahren eine „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BnE) in die Lehrpläne implementiert und als überfachliche Kompetenz definiert. Das Ziel ist, dass Lernende Nachhaltigkeit in den verschiedenen Unterrichtsfächern als komplexes Problem identifizieren und befähigt werden, unter anderem politische, ökologische, ökonomische, soziale und kulturelle Dimensionen in den Bildungsdialog zu bringen.

Schöpfung ist mehr als nur Natur

Der Autor:
Hendrik Drüing (38) ist Priester, Lehrer und Schulseelsorger am Gymnasium St. Mauritz in Münster. Es hat sein aktuelles Jubiläum zum 125-jährigen Bestehen unter anderem unter das Thema Nachhaltigkeit gestellt.

In meiner ersten Profession und zugleich meinem Lehrfach der Katholischen Religionslehre gibt es dazu einen sehr einfachen und zugleich profunden theologischen Lackmustest, den ich Guido Hunze von der Universität Münster verdanke: Wenn das Wort Schöpfung synonym mit dem Wort Natur verwendet werden kann oder sogar ersetzbar scheint, genügt es nicht dem Anspruch einer profunden Schöpfungstheologie. Schöpfung ist mehr als Natur, und theologische Antworten auf das Schlüsselproblem „Klimakrise“ im Sinn einer religiösen Bildung für nachhaltige Entwicklung (rBnE) müssen komplexer sein, weil beide komplexer sind.

Im Fach Geschichte, meinem zweiten Lehrfach, gilt es zu beachten, dass selbstredend geschichtliche Realitäten einer degenerativen Entwicklung der Mensch-Umwelt-Beziehung zu analysieren und ein Sach- und Werturteil zu erbringen sind. Dabei ist aber nicht in den Abgrund des Pessimismus zu gleiten, der eine „schleichende Gewalt“ (nach Rob Nixon) erzeugt, welche mitunter in Deutschland in diesen Tagen auch aktivistische – an die Grenze des Verständnisses gehende – gewaltsame Gegenreaktionen erzeugt, die Folgen dieser pessimistischen Sicht sind.

Hoffnung ist notwendig

Der Historiker Christof Mauch stellt dem gegenüber, dass es neben der Akzeptanz der „schleichenden Gewalt“ der Umweltzerstörung auch eine „langsame Hoffnung“ braucht. Das können Geschichten, Visionen und Aktionen sein, die leise, unaufgeregt und zugleich auf eine hoffnungsvollere Zukunft hinarbeiten. Und das schreibt ein Historiker, und der Theologe (in mir) liest es ebenso gerne.

In unseren Gast-Kommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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