Papst Franziskus befördert Ghostwriter in Schlüsselposition

Neuer Glaubenshüter im Vatikan: Erzbischof Victor Manuel Fernandez

  • Auf einem zentralen Posten der Kirche sitzt künftig ein Mann, der das Denken des Papstes kennt wie kaum ein anderer: Erzbischof Victor Manuel Fernandez.
  • Der Argentinier schreibt seit Jahren Texte für Franziskus.
  • Er wird die zentrale Glaubensbehörde der katholischen Kirche leiten.

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Der argentinische Erzbischof Victor Manuel Fernandez, lange Jahre Ghostwriter des Papstes, leitet künftig die zentrale Glaubensbehörde der katholischen Kirche. Papst Franziskus, der mittlerweile 86 ist und in jüngerer Zeit mit Gesundheitsproblemen zu schaffen hatte, installiert damit einen Mann, der so denkt und schreibt wie er selbst und dabei fast eine Generation jünger ist.

Seine Aufgabe, so schreibt Franziskus an den "lieben Mitbruder", soll die "Erkenntnis und Weitergabe des Glaubens im Dienst der Evangelisierung" sein, um angesichts neuer Fragen in Wissenschaft und Gesellschaft ein orientierendes Licht zu geben. Mit anderen Worten: Es geht darum, die Kirche in die Zukunft zu führen.

Mehr als 300 Publikation

Der Mann, der das tun soll, wurde am 18. Juli 1962 in der zentralargentinischen Kleinstadt Alcira Gigena geboren. Nach der Priesterweihe 1986 vertiefte er seine Studien an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom und an der Katholischen Universität von Argentinien. Seine zahlreichen Publikationen – der Vatikan spricht von mehr als 300 – befassen sich mit Bibel und Glaubensunterweisung, sozialen Fragen und dem Dialog zwischen Theologie und Kultur.

Lange Zeit Hochschuldozent in seinem Heimatbistum Rio Cuarto und in Buenos Aires, wurde Fernandez 2007 in die Vollversammlung des Rates der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik (CELAM) in Aparecida berufen. Bei dieser wegweisenden Kirchenversammlung diente er als Berater und arbeitete am Schlussdokument mit – unter dem Kardinal von Buenos Aires, Jorge Mario Bergoglio, dem heutigen Papst.

Päpstlich freundschaftliches Zeichen

Franziskus behielt Fernandez im Sinn. Kaum war er zum Kirchenoberhaupt gewählt, ernannte er ihn im Juni 2013 zum Titular-Erzbischof, also ohne eigenes Bistum. Fernandez war damals Rektor der Katholischen Universität von Argentinien; das erzbischöfliche Brustkreuz, Zeichen seiner Amtswürde, schickte Franziskus ihm aus Rom. Es war mehr als nur ein freundschaftliches Zeichen. Fernandez, der bewährte Mitarbeiter der Aparecida-Konferenz, schrieb weiterhin für den Papst. Viele Reden und Texte stammen von ihm.

Manche meinten damals schon, Fernandez werde bald einen einflussreichen Kurienposten erhalten. Stattdessen berief der Papst ihn 2018 an die Spitze der Erzdiözese La Plata; sie gilt als zweitwichtigstes Bistum Argentiniens.

Rede und Antwort stehen

Es ist unüblich, dass der Papst eine Personalentscheidung wie die vom Samstag mit einem veröffentlichten Brief flankiert. Eigentlicher Adressat ist denn auch wohl die Allgemeinheit. Sie soll vertrauensvoll zur Kenntnis nehmen, dass der "Präfekt des Dikasteriums für die Glaubenslehre", dessen Amtsvorgänger früher einmal Generalinquisitor hießen, wie alle übrigen katholischen Gläubigen aufgefordert ist, "Rede und Antwort zu stehen für unsere Hoffnung, aber nicht als Feinde, die anzeigen und verurteilen".

Das Amtsprofil, das Franziskus da skizziert, ist das eines Werbers für den katholischen Glauben, der realitäts- und lebensnah in einen Diskurs mit der Welt zu treten versteht. Es soll einer sein, der sich nicht mit einer "Schreibtischtheologie" zufriedengibt und auch in Glaubenssätzen Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden weiß. Denn "die größte Gefahr entsteht, wenn sekundäre Themen die zentralen in den Schatten stellen".

Hauptzweck: Glaube

Diese Neukalibrierung der Glaubensbehörde ist im Licht der Kurienreform von Franziskus zu sehen. Sämtliche Kurieneinrichtungen sollen auf das Ziel der Glaubensverkündigung ausgerichtet sein. Im Brief an Fernandez betont der Papst auch, dass er sich nicht um Disziplinarangelegenheiten kümmern möge – namentlich die Verfolgung sexuellen Missbrauchs, für die es eine eigene Abteilung unter dem Dach der Behörde gibt -, sondern um den "Hauptzweck": den Glauben. Wenn Philosophie, Theologie und Seelsorge respektvoll und in Liebe Hand in Hand gehen, so Franziskus, wird dies "die christliche Lehre wirksamer bewahren als jeder Kontrollmechanismus".

Der bisherige Glaubenspräfekt, Kardinal Luis Ladaria Ferrer, geht nun in Ruhestand. Nächsten April wird er 80. Eigentlich wollte er den Posten schon mit Ende seines fünfjährigen Mandats im Sommer 2022 abgeben; es hätte mit dem Abschluss der Kurienreform gut zusammengepasst. Spekulationen über den Nachfolger richteten sich zeitweise auch auf den Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer; Konservative wären darüber nicht erfreut gewesen.

Kontinuität für das päpstliche Programm

Wie die jetzige Wahl ankommt, steht dahin. Franziskus könnte jedenfalls kaum jemand Besseren finden, um sein theologisches und seelsorgliches Programm fortzuschreiben. Bezeichnend ist eine Anekdote, die Fernandez selbst vor vielen Jahren der Zeitung "La Nacion" erzählte. Als er ein junger Priester war, Mitte Dreißig, wurde ihm die Leitung des theologischen Instituts in Bogota angeboten. Er wandte sich an seinen Erzbischof, Jorge Bergoglio, den heutigen Papst. "Auf keinen Fall", antwortete der auf die Bitte um Freistellung. "Sie werden für was anderes gebraucht." Im September tritt Fernandez sein Amt an.

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