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Auf der zweitägigen Malta-Reise weht der „Wind des Kalten Krieges“. Franziskus findet deutliche Worte für die Ukraine-Invasion und eine menschenfreundliche Aufnahme von Geflüchteten. Die Glaubenskrise besorgt ihn.
Das Hinsehen schmerzt. Papst Franziskus hat auf seiner zweitägigen Reise nach Malta noch sichtbarer als sonst gesundheitliche Probleme. Er hinkt stark, kann meist nur mit Hilfe aufstehen, wenig gehen. Ins Flugzeug wird er mit mobilem Lift gehievt. Der 85-Jährige wirkt wie ein Gefangener eines vom Alter gezeichneten Körpers. Sein Tatendrang bleibt. Die pandemiebedingt von 2020 auf das erste Aprilwochenende verschobene Reise ist gepackt mit Terminen. Und Themen. Das sind der Ukraine-Krieg, die Migrationsfrage, aber auch eine sinkende Glaubenszugehörigkeit im zweitkatholischsten Land Europas.
Voll Jubel und Musik ist der Empfang für Papst Franziskus. Das Treffen der Großfamilien von Präsident George Vella und Premierminister Robert Abela im Großmeisterpalast ist geradezu familiär. Und doch haben auch Malteser mehr Euphorie erwartet. An den für die Autokolonne abgesperrten Straßen stehen Schaulustige und Gläubige, Massen sind es nicht.
Sinkende Zahl an Katholiken in Malta
Das mag teils an Corona-Beschränkungen liegen, wohl auch an der sinkenden Zahl praktizierender Katholiken. Offiziell bekennen sich rund 85 Prozent der etwa 490.000 Malteser zum Katholizismus. Vor gut zehn Jahren waren es zehn Prozent mehr. Beim Abschlussgottesdienst in Vallettas Vorort Floriana sind rund 15.000 Teilnehmer, der Vatikan spricht von 20.000.
Mehr Begeisterung schlägt Franziskus auf der Vorinsel Gozo entgegen. Dort ist der Katholikenanteil weiterhin über 95 Prozent. Und der langjährige Bischof der Inseldiözese, Kardinal Mario Grech, begleitet den Papst. Als beide am Samstagabend am dortigen Marienheiligtum Ta' Pinu beten und Geschichten von einigen Kranken lauschen, appelliert Franziskus, sich auf das Wesentliche des Glaubens zurückzubesinnen. Er beklagt eine „Krise des Glaubens“ und Gleichgültigkeit der Jugend. Das passt zu seiner Warnung vor heuchlerischer Religiosität beim Gottesdienst am Tag darauf.
Franziskus kritisiert russische Invasion
Heuchelei ist Franziskus zuwider. Ebenso deutlich kritisiert er auf Malta die russische Invasion in der Ukraine. Die Namen Russland oder Wladimir Putin fallen aus diplomatischen Motiven nicht. Aber die Formulierungen lassen keinen Zweifel daran, wer gemeint ist. Wieder einmal würden „einige wenige Mächtige, die leider in den anachronistischen Forderungen nationalistischer Interessen gefangen“ seien, Konflikte provozieren und schüren.
Der Papst geht noch weiter, spricht von „infantiler und zerstörerischer Aggression“ und „neuen Imperialismen“. Dabei seien „Invasionen aus anderen Ländern, brutale Straßenkämpfe und atomare Bedrohungen“ eigentlich dunkle Vergangenheitserinnerungen. Stattdessen bestehe die „Gefahr eines erweiterten Kalten Krieges“. Später werden daraus ein „sakrilegischer Krieg“ und „ungerechter grausamer Krieg“. Einen Besuch in Kiew schließt er auf Frage eines Journalisten nicht aus. Über allem steht der „Traum des Friedens“.
Papst spricht Migration an
Der Ukraine-Krieg und das Kernreisethema Migration lassen sich nicht trennen. Laut UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sind bereits rund 4,2 Millionen Ukrainer aus ihrer Heimat geflohen. Malta ist eines der ersten Länder, auf das meist afrikanische Bootsmigranten stoßen. Der Umgang des Landes heute ist laut Hilfswerken nicht so menschenfreundlich, wie vor rund 2.000 Jahren bei der Ankunft des gestrandeten Apostels Paulus. Auch wenn das in der Rede von Präsident Vella anders klingt. In der Paulusgrotte in Rabat appelliert Franziskus in seinem Gebet erneut zur Aufnahme Gestrandeter.
Vor Regierung, Zivilgesellschaft und Diplomaten bekräftigt er am Samstag, dass Migranten und Geflüchtete nie als Eindringling gesehen werden dürften. Und er fordert mehr Zusammenarbeit Europas bei der Aufnahme und Verteilung. Beim Abschlusstermin im „Friedenslabor Johannes XXIII.“, einem Zentrum für Migranten vorrangig aus Afrika, betont der Papst, dass es um Menschenfreundlichkeit, Menschenwürde und Solidarität gehe. Der „Traum von Demokratie und Freiheit“ müsse Realität werden.
Auch Korruption auf Malta – ein politisches Dauerthema – lässt Franziskus bei seiner Reise nicht aus. Zwar erwähnt er den Fall der 2017 infolge von Korruptionsrecherchen ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia nicht. Aber jeder auf der Insel kennt ihn. Der Papst beklagt „unersättliche Raffsucht, Geldgier und Bauspekulationen“. Letzteres belegt die Fahrt über die Insel; die Zahl an Baukränen und leerstehenden Baustellen ist beträchtlich.