Themenwoche: Kirchenaustritt – vor und nach der Schwelle (4)

Pastoral für Kirchenferne: „Kommt alle zu mir“ ist eine Herausforderung

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Das katholische Forum St. Peter in Oldenburg möchte auch kirchenferne Christen ansprechen. Wie das gelingt, was Besucherinnen und Besucher erwarten, wie er persönlich dem gerecht werden kann, beschreibt Pfarrer Jan Magunski in seinem Gastbeitrag.

In den letzten Jahren hat es, was die Austritte aus der katholischen Kirche angeht, immer neue Rekorde gegeben. Menschen fühlen sich (manchmal zu Recht) unverstanden, gegängelt und nicht ernst genommen und glauben, insbesondere in den Corona-Jahren für sich festgestellt zu haben, dass sie auch „ganz gut ohne Kirche“ leben können.

Diese Entwicklungen beschäftigen natürlich auch innerkirchlich: Schon seit einiger Zeit wird in der Pastoral überlegt, wie man Menschen in der komplexen Welt von heute wieder erreichen kann, wie man die trotzdem oft latent vorhandene Sehnsucht nach dem „Mehr im Leben“ wecken oder erfüllen und Zeitgenossen die christliche Frohbotschaft als Bereicherung für ihr ganz persönliches Leben nahebringen kann.

Gespräche auf Augenhöhe

Kirchenaustritt – vor und nach der Schwelle
Immer mehr Menschen verlassen die Kirche, obwohl sie eigentlich innerlich sehr mit ihr verbunden waren – und womöglich nach wie vor sind.  Wir haben für unsere Themenwoche mit Menschen vor und nach so einer Entscheidung gesprochen. Und wir lassen Pfarrer Jan Magunski zu Wort kommen, der in einem City-Kirchenprojekt in der Diaspora-Stadt Oldenburg versucht, die Türen für alle weit offen zu halten.

Ein oft benutztes Stichwort in diesem Zusammenhang ist „niederschwellig“: Man will die Menschen möglichst auf Augenhöhe (und nicht wie in früheren Zeiten: oft von oben herab) erreichen, Berührungsängste sollen überwunden werden, damit alle Suchenden den Schatz des Glaubens wieder entdecken können.

Als das Forum St. Peter in Oldenburg als Angebot der City-Pastoral vor einigen Jahren gegründet wurde, geschah dies auch, um Gutes mit Nützlichem zu verbinden: Indem eine Vielzahl katholischer Anlaufstellen unter einem Dach untergebracht ist, kann man das Warten auf einen Termin bei der Caritas oder beim Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) im Forumscafé mit einer Tasse Kaffee oder Tee abkürzen.

Zwanglose Treffen

Der Autor
Jan Magunski wurde 1999 zum Priester geweiht. Lange Jahre war er als Autor für “Kirche+Leben” tätig. Seit Anfang 2023 ist er Pfarrer am Forum St. Peter in Oldenburg, einem Projekt der City-Seelsorge im Bistum Münster.

Man kann dort die Tageszeitung oder ein interessantes Magazin lesen, kann sich ungezwungen verabreden oder – etwa im Rahmen wechselnder Angebote am Mittwochnachmittag – zum gemeinsamen Singen, Basteln oder Backen treffen: alles ganz zwanglos. Im Vordergrund steht immer der einladende, offene Charakter der katholischen Kirche: „Wir sind für Sie, für euch da.“

Darüber hinaus gibt es, allesamt ohne jedwede Voraussetzungen oder Vorbedingungen, regelmäßige Gesprächszeiten und eine Vielzahl kultureller Angebote: Konzerte, Liederabende, Vortragsveranstaltungen, Kunst- und Stille-Seminare, wechselnde Ausstellungen – und natürlich werden die geprägten Zeiten im Lauf eines Jahres nicht nur durch besonders geprägte Gottesdienste in der Forumskirche mitgetragen: Auch ein allabendliches „Adventsfenster“, eine „Kerzenbrücke“ zum Gedenken an Verstorbene im November, eine Valentinsfeier für Liebende oder die Möglichkeit, zu Beginn des Neuen Jahres einen persönlichen Segen zu empfangen, wollen offene, ansprechende Anknüpfungspunkte sein, gerade auch für Menschen, die betonen, dass sie „nicht jeden Sonntag in die Kirche gehen“ oder sich eher als Kirchenferne verstehen.

Kirchenkritik kann lästig sein

Gleichzeitig stellen manche Besucherinnen und Besucher mich als Forumspfarrer immer wieder vor einen herausfordernden Spagat: Wenn sie einerseits all diese Angebote gern an- und wahrnehmen, das Forum sogar als eine Art zweites Wohnzimmer verstehen und viel Zeit dort verbringen, andererseits aber auch mehr oder weniger offen ihre Vorbehalte oder gar ihre Kritik an der katholischen Kirche äußern und sich bewusst von dem distanzieren und fernhalten, was wir etwa in unseren Gottesdiensten mit-einander feiern – wie geht man mit diesen Menschen um?

Wenn ich auf Jesus schaue, erlebe ich unendlich viel liebende Geduld, Großmut und Barmherzigkeit, die mir in diesem Umfang persönlich nicht immer gegeben sind. Zudem stellt sich mir auch die Frage, ob jene, die ihr Leben und ihr (Kirchen- und) Weltbild schlicht gesagt „im Döschen haben“ und bei uns in erster Linie „die Vorteile mitnehmen“ wollen; die mir im Zweifelsfall sogar sagen, was die Kirche für sie als „Bedürftige“ alles tun muss, die um des eigenen Vorteils willen auch schon mal ungeniert lügen und betrügen, mitunter nicht auch jene abhalten, die wirklich noch ernsthaft auf der Suche sind, die eigentlich gern engagierter und konsequenter ihren Glauben leben und teilen würden!?

„Kommt alle zu mir“, sagt Jesus, aber ich gebe zu: Nicht immer fällt es mir leicht, meine Arme genauso weit und einladend zu öffnen wie er.

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