Themenwoche: Kirchenaustritt – vor und nach der Schwelle (1)

Mit Glauben nichts mehr am Hut – aber mit Herz im Caritas-Einsatz

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Britta Schulte aus Drensteinfurt hat die katholische Kirche vor 20 Jahren verlassen, mit dem Glauben verbindet sie nicht mehr viel. Dennoch hilft sie seit sechs Jahren im Caritas-Punkt in Drensteinfurt mit. Was motiviert sie?

Es war beim Gassigehen. Bei ihrer täglichen Runde mit ihrem Hund wurde Britta Schulte angesprochen, ob sie nicht Lust habe, sich im Caritas-Punkt an der St.-Regina-Kirche in Drensteinfurt zu engagieren. Das hatte sie. Wenig später gehörte sie zum ehrenamtlichen Team, das einmal in der Woche für Menschen in schwierigen Lebenssituationen die Tür der alten Kaplanei öffnet.

Ihr Einsatz für die Caritas hatte begonnen. Und das 20 Jahre nachdem sie aus der Kirche ausgetreten war. „Ich habe das gar nicht miteinander verbunden“, sagt die 48-Jährige. „Mir war es wichtig, Menschen zu helfen. Dass das im kirchlichen Rahmen passiert, war belanglos für mich.“ Die Mitarbeiterin eines Jugendhilfeträgers sagt, dass sie sich um andere „kümmern“ wollte. „Mehr nicht.“

Menschlich, ohne Religion

Kirchenaustritt – vor und nach der Schwelle
Immer mehr Menschen verlassen die Kirche, obwohl sie eigentlich innerlich sehr mit ihr verbunden waren – und womöglich nach wie vor sind.  Wir haben für unsere Themenwoche mit Menschen vor und nach so einer Entscheidung gesprochen. Und wir lassen Pfarrer Jan Magunski zu Wort kommen, der in einem City-Kirchenprojekt in der Diaspora-Stadt Oldenburg versucht, die Türen für alle weit offen zu halten.

Worte wie „Barmherzigkeit“ oder „Nächstenliebe“ findet sie zu schwer für ihren Einsatz. „Das hört sich so überhöht an, wie auf einer anderen Ebene.“ Wenn sie die Klienten in den Caritas-Sprechstunden berät, wenn sie Gelder bewilligt oder bei Anträgen hilft, ist das für sie einfach nur „menschliche Hilfe“. „Das hat nichts mit Glauben oder Religion zu tun.“

Mit beidem hat sie schon sehr früh gehadert. Sie sagt, dass das familiär bedingt war. „Meine Mutter ist immer schon sehr kritisch mit der Kirche umgegangen.“ Trotzdem ging die Tochter jeden Sonntag in die Kirche, engagierte sich in der kirchlichen Jugendarbeit, fuhr als Leiterin auf Freizeiten. Der Reichtum der Kirche, ihr Umgang mit Fragen der Sexualität oder ihr Verständnis von der Rolle der Frau waren für sie aber stetige Diskussionspunkte. „Kirche hatte damit immer weniger Chance bei mir.“

I-Tüpfelchen Kirchensteuer

Bis das Glaubensleben irgendwann völlig einschlief. Und erst wieder zum Thema wurde, als sie ihren Freund heiraten wollte. „Bei allem Negativen, das ich mit Kirche verband, war die Auseinandersetzung mit der Kirchensteuer wie ein i-Tüpfelchen für den Entschluss, auszutreten.“

Trotz dieser Überzeugung fühlte sich das Paar beim Amtstermin „irgendwie ertappt“. „Als ob wir etwas Verbotenes machten.“ Außergewöhnlich war der Schritt zur damaligen Zeit sicherlich noch. „Meine Eltern waren auf jeden Fall erstaunt – meine Mutter trat dann kurze Zeit später auch aus.“

Danach spielte Kirche überhaupt keine Rolle mehr für Britta Schulte. „Aus den Medien bekam ich sowieso nur Schlechtes mit.“ Zwei Erfahrungen bestärkten sie in ihrer Position: Sie wurde als Taufpatin und Trauzeugin angefragt. Beides war nicht mehr möglich. „Das fand ich total traurig.“

Helfen ohne Kirche

Bis sie auf dem Grüngürtel in Drensteinfurt mit Petra Holler-Kracht ins Gespräch kam. Die Leiterin des Caritas-Punktes war dort selbst immer mit ihrem Hund unterwegs. Und irgendwann waren sich die beiden Frauen so vertraut, dass sie einen möglichen Einsatz bei dem Angebot im Schatten der Dorfkirche in den Blick nahmen. „Ja, aber ich bin doch gar nicht in der Kirche“, sagte Schulte. „Egal“, sagte Holler-Kracht.

Das war vor sechs Jahren. Zu den Sprechstunden im Caritas-Punkt sind für sie auch Betreuungen von einsamen Menschen gekommen. „Zu helfen geht auch ohne persönlichen kirchlichen Hintergrund“, sagt Schulte. „Ich will ja keine Heilige werden.“ Es geht ihr mehr darum, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen, menschlich zu handeln. Für alle anderen Attribute ist sie „viel zu nüchtern“.

Sympathisches Gesicht der Kirche

Dass Kirche Angebote für notleidende Menschen macht, hält sie für „sympathisch“ und „ganz wichtig“. Denn in allen anderen Bereichen hat Religion für sie mittlerweile negative Ausstrahlung. „Kriege, Ungleichheit, Armut…“, sie zählt viele Dinge auf, die sie mit kirchlichem Handeln in Verbindung bringt.

Im Caritas-Punkt in Drensteinfurt sei das anders, sagt sie. „Dort zeigen die Ehrenamtlichen ein total sympathisches Gesicht der Kirche.“ Die einen tun das aus ihrem Glauben heraus. Schulte tut dies, obwohl sie ihren Glauben lange verloren hat.

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