Johannes Gertz war 2023 in Israel und Palästina

Pax-Christi-Aktivist zum Nahost-Krieg: Friedensinitiativen unerwünscht

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Seit mehr als 40 Jahren engagiert sich Johannes Gertz aus Herten im Kreis Recklinghausen in der internationalen ökumenischen Friedensbewegung Pax Christi. In seinem Einsatz sucht er Begegnungen mit Menschen, die sich für Verständigung und Frieden zwischen Israelis und Palästinensern einsetzen. Kirche+Leben hat mit ihm darüber gesprochen, wie sich Friedensinitiativen in Israel und Palästina Gehör verschaffen.

Herr Gertz, seit vielen Jahren engagieren Sie sich in der ökumenischen Friedensbewegung Pax Christi und haben im vergangenen Jahr das Westjordanland und Israel besucht, um mit Friedensaktivisten ins Gespräch zu kommen. Welche politischen Intentionen hatten diese Begegnungen?

Wir sind während unserer Reise palästinensischen Menschen im Westjordanland und in Nazareth sowie Drusen auf den Golan-Höhen begegnet, die sich in unterschiedlichen Initiativen gewaltfrei für ein Ende der Besatzung, für ein Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser beziehungsweise Drusen und für Verständigung und Frieden mit den Israelis einsetzen. Wir wollten erfahren, wie der Alltag dieser Menschen unter der israelischen Besatzung aussieht, welchen rechtlichen Diskriminierungen sie unterliegen, wie sie ihre Menschenrechts- und Friedensarbeit gestalten, welche Erfolge sie haben und welche Misserfolge sie hinnehmen müssen. Wir konnten erfahren, welche Hoffnungen sie trotz allem haben, welche Kraft ihnen ihr Glaube gibt, aber auch welche Verzweiflung sie oft genug erfasst. Gut, dass es Organisationen wie Misereor gibt, die die Menschen dort unterstützen. Denn Hilfe erfahren sie fast ausschließlich nur aus dem Ausland.

Wie schätzen Sie die Friedensinitiativen im Heiligen Land nach dem Terror-Angriff der Hamas ein?

Die mir bekannten Friedensinitiativen stehen schon seit längerer Zeit unter politischem Druck. Weder der israelischen Regierung noch der palästinensischen Autonomiebehörde und der Hamas ist daran gelegen, dass sich Friedensinitiativen engagieren, schon gar nicht, wenn sie von israelischen und palästinensischen Menschen gemeinsam getragen werden, wie zum Beispiel die Combatants for Peace, der Parents Circle oder Standing Together. Nach dem Terroranschlag am 7. Oktober 2003 ist es für die Menschenrechtsgruppen und Friedensinitiativen noch schwerer geworden. So hat zum Beispiel die Gewalt der Siedler in den palästinensischen Gebieten massiv zugenommen.

Was kann die international aufgestellte Bewegung Pax Christi für die Menschen im Westjordanland, im Gaza-Streifen und in Israel tun?

Solange es möglich ist, sind Reisen dorthin ein wichtiges Signal an die Menschen dort, dass sie nicht vergessen sind, dass es Solidarität mit ihnen gibt. Im März 2023 hatte eine Delegation von Pax Christi International mit 13 Mitgliedern aus sechs Ländern eine Friedenspilgerreise nach Israel und Palästina unternommen, um sich wieder mit Pax-Christi-Partnern zu treffen, die Situation vor Ort aus erster Hand zu erleben, sich mit religiösen Führern, Aktivisten, NGO- und UN-Vertretern zu treffen und vor allem Erfahrungen von denen zu hören, deren tägliches Leben von der Besatzung geprägt ist. Darüber hat die Delegation nach ihrer Rückkehr für Pax Christi International berichtet. Einige Pax-Christi-Diözesanverbände halten enge Kontakte und leisten auch finanzielle Unterstützung für Menschenrechts- und Friedensorganisationen, wie zum Beispiel das Arab Educational Institute in Bethlehem.

Wie sehen Sie die Situation der Christen in diesen Gebieten?

Der Anteil der Christen an der Bevölkerung liegt in Israel bei knapp zwei Prozent und im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem bei rund acht Prozent. Die Mehrheit der Christen gehört in Israel der katholischen und im Westjordanland der orthodoxen Kirche an. In den Gesprächen mit den benediktinischen Patres des Tabgha-Klosters und der Dormitio-Abtei erfuhren wir, dass die ökumenische Zusammenarbeit trotz der Minderheitensituation, in der sich die Christen befinden, nicht einfach ist. Wie im gesamten Nahen und Mittleren Osten steht ein Exodus der Christen aus diesen Ländern zu befürchten.

Welche Hoffnungen haben Sie hinsichtlich eines Friedens zwischen Palästinensern und Israelis, zwischen Juden und Muslimen?

Ich denke, dass es einer anderen Lösung als der Zweistaatenlösung bedarf. Vielleicht hat der deutsch-israelische Philosoph Omri Boehm mit seinem Buch „Republik Haifa“ ein solches Modell vorgelegt. Die „Republik Haifa“ entwirft eine radikale Vision von Juden und Palästinensern, die Seite an Seite leben und universalistische Institutionen und Werte in einem föderativen politischen Modell teilen.

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