Anzeige
Pflegekraft und Mitarbeitervertreter Josef Hanneken kritisiert den gestiegenen Einsatz von Leihkräften in der Pflege. Deren Privilegien gefährdeten das Teamgefühl auf den Stationen, so der Dialysepfleger am Cloppenburger St.-Josefs-Hospital. Laut Hanneken müssten die Pflegeberufe einen höheren Stellenwert in der Öffentlichkeit bekommen.
„Ich selbst habe nie mit dem Gedanken gespielt“, sagt Josef Hanneken. Für eine Agentur, mal in dem einen und mal in einem anderen Krankenhaus im Einsatz zu sein? Der Krankenpfleger schüttelt den Kopf. „Ich bin nicht der Typ, der heute und morgen dort arbeiten will.“
Der 58-Jährige fühlt sich in einem vertrauten Team am wohlsten. „Wo ich mich auf die anderen und die anderen sich auf mich verlassen können.“ Diese Beständigkeit spiegelt sich auch in seinem Berufsleben. Seit 25 Jahren gehört er zum Team der Dialyse-Station im Cloppenburger St.-Josefs-Hospitals.
Mehr Gehalt, Wunsch-Schichtplan und Dienstwagen
Doch als stellvertretender Vorsitzender der Mitarbeitervertretung des Krankenhauses bekommt er mit, dass das nicht alle sehen wie er – und manch einer schon für eine kürzere oder längere Zeit zu einer der Agenturen gewechselt ist, die Leihkräfte befristet an Krankenhäuser vermitteln. Für zumeist mehr Gehalt und mit Dienstwagen. Auch sein eigener Arbeitgeber sei wegen des Fachkräftemangels immer wieder gezwungen gewesen, auf Kräfte zurückzugreifen, die per Arbeitnehmerüberlassung ins Haus kommen, für mehrere Wochen oder auch für Monate. Eine Entwicklung, die Hanneken mit Sorge sieht.
Zum Beispiel wegen der Ungleichbehandlung der Leihkräfte. „Sie werden hofiert, weil es ohne sie oft nicht geht“, sagt der Dialysepfleger. „Aber in unserem Beruf arbeiten wir im Schichtdienst rund um die Uhr. Da ist es schwierig, wenn die ausgeliehenen Kolleginnen und Kollegen ihren Schichtplan vorgeben können, oder wann sie ihren Urlaub nehmen möchten. Und die festen Kräfte müssen dann alle übrigen Dienste und Tätigkeiten abdecken.“ Für ihn steht fest: „Wenn ich im Team Abstufungen habe zwischen den einen und den anderen, dann kann das ein ganzes Teamgefühl ins Wanken bringen.“
Hanneken: Leiharbeit hat Folgen für Pflege selbst
Denn, so seine Erfahrung: „Viele in der Arbeitnehmerüberlassung sind nur auf ihren Auftrag fokussiert und wollen sich nicht an den zusätzlichen Tätigkeiten, die auf jeder Station anfallen, beteiligen.“ Und dabei gehe etwas verloren. „Wenn ich in einem Team arbeite, möchte ich, dass alle anderen im Team mitempfinden können, was ich bei der Arbeit erlebe. Das geht aber nicht, wenn einige gar nicht mitbekommen, was für Probleme in der Nachtschicht oder am Wochenende aufgetreten sind.“
Das habe auch Folgen für die Pflege selbst. Aber nicht etwa, weil Leihpfleger schlechter arbeiten würden. „Sie machen ihre Arbeit ebenso gut und qualifiziert wie wir.“ Aber, so sagt er: „In der Pflege, wo ich am Menschen tätig bin, wo ich ganz viel von ihm wissen und berücksichtigen muss, da muss ich den Patienten kennenlernen, um zu wissen, was er braucht und wie es ihm geht.“
Teil eines Teams sein – das wollen die meisten
Hinzu komme: „Wenn aus den Abläufen ein festes Konstrukt werden soll, geht das nicht, wenn jemand für vier Wochen von außen kommt.“ Weil manche Abläufe in jedem Haus anders seien. Nachfüllen und Nachbestellen von Material etwa, die Zusammenarbeit mit den anderen Fachbereichen und Stationen. „Das Stammpersonal weiß, wie das geht, Kräfte aus der Arbeitnehmerüberlassung oft erst einmal nicht.“
Teil eines Teams sein zu wollen – genau das sei es aber, was viele seiner Kolleginnen und Kollegen suchten. „So ticken die meisten von uns. Das macht ihre Freude an der Arbeit aus“, sagt Josef Hanneken. „Das Gefühl: Wir leisten das Bestmögliche für die Patienten. Das entsteht nicht nur durch mich allein, aber ich bin ein wichtiger Teil davon!“
Josef Hanneken wünscht sich besseres Bild der Pflege in der Öffentlichkeit
Deshalb klingt bei aller Besorgnis auch Gelassenheit durch. Wenn Kollegen in die Zeitarbeit wechseln, etwa, um dort Erfahrungen machen zu können. „Viele probieren das erst mal aus – und kommen dann wieder zurück. Der Arbeitsmarkt ist ja offen dafür. Niemand, der sich irgendwo nicht wohlfühlt, muss bis zur Rente dortbleiben.“
Eine Lösung des Problems könne wohl nur gelingen, wenn Pflegeberufe in der öffentlichen Wahrnehmung einen anderen Stellenwert bekämen. Josef Hanneken: „Es ist dringend notwendig, dass in unserer Gesellschaft die Arbeit und die vielfältigen Tätigkeiten in der Pflege wieder als positive und wertschätzende Aufgabe gesehen werden.“ Damit sich wieder mehr Menschen für einen Pflegeberuf entscheiden.
Mehr Männer gehen in die Zeitarbeit
Nach einer Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit liegt der Anteil der über Zeitarbeit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in der Pflege bis 2021 bei rund zwei Prozent. Seit 2014 ist er deutlich gestiegen, von damals 14.000 Kräften auf mehr als 23.000 Ende 2020. Dabei liegt der Anteil der männlichen Pflegekräfte in der Zeitarbeit bei mehr als drei Prozent. Bei Pflegerinnen sind es weniger als zwei Prozent.