Themenwoche „25 Jahre Queergemeinde Münster“ (3) – Stefanie Hoffmann über ihren Weg

Raus aus der Blase: Homosexuelle Frau verdankt der Queergemeinde viel

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Stefanie Hoffmann hatte sich lange in ihrer „Blase“ eingerichtet: drinnen sie mit Gott, draußen die Kirche. Die Queergemeinde in Münster änderte daran etwas.

Sie ist ein Glückskind. Das sagt sie selbst. Wenngleich das auf den ersten Blick nicht so scheint. Denn als homosexuelle Frau, die in ihrem christlichen Glauben tief verwurzelt ist, hat Stefanie Hoffmann einiges erleben und auch ertragen müssen. Türen blieben verschlossen, ihr religiöses Leben war eingeschränkt, sie hat Ablehnung erfahren. Trotzdem sagt die 52-Jährige aus Münster-Roxel, dass sie nie an sich und ihrem Glauben gezweifelt hat. „Da konnte ich sehr gut separieren: hier ich und Gott, draußen die Kirche.“

Es gab einen Moment auf ihrem Lebensweg, in dem ihr diese Ambivalenz besonders deutlich wurde: ihre Berufswahl. „Seitdem ich 14 Jahre alt war, wollte ich Pastoralreferentin werden.“ Nach Abitur und Freiwilligen Sozialen Jahr sollte ihre Bewerbung dafür ans Bistum Münster gehen. Das tat sie aber nicht. „Meine Mutter hatte zuvor einen Brief an Bischof Lettmann geschrieben, mit der Frage, ob das für eine lesbische Frau möglich wäre.“ Die Antwort kam schriftlich, kurz und ohne Begründung. „Ich solle das lieber nicht tun.“

In Gottesdiensten fremd, inkognito, konform

Das war Anfang der 1990er Jahre. Dem geplatzten Kindheitstraum sollten noch einige Enttäuschungen folgen. Immer dort, wo sie im Raum der Kirche nicht als der Mensch akzeptiert wurde, der sie war. Auch in den Gottesdiensten fühlte sie das. „Ein wenig fremd, irgendwie inkognito, auf etwas reduziert, das konform war.“ Hoffmann findet viele Worte für ihre Emotionen, wenn sie in der Kirche mit den anderen Gemeindemitgliedern zusammenkam. „Eine Facette von mir durfte nicht mitfeiern.“

Für ihre damalige Gefühlswelt hat sie ein Bild: „Es war wie in einer Blase, in der für mich alles in Ordnung war – aber ich wusste, dass diese nicht so stabil war, dass ich sie nicht ausdehnen konnte.“ Zu groß war die Gefahr, dass die Blase platzen konnte. Ihre berufliche Situation machte das deutlich. Sie war Sozialarbeiterin in einer katholischen Einrichtung. Während ihre Kollegen und Vorgesetzten darin keine Probleme sahen, musste sie doch vorsichtig sein, etwa die Liebe zu ihrer Freundin in der Öffentlichkeit zu zeigen. „Dann hätte der kirchliche Arbeitgeber aktiv werden müssen.“

Halt in der Kirche fehlt vielen

Das war aber keine große Last für sie, sagt Hoffmann. „Ich konnte da gut unterscheiden, konnte Spiritualität und Glaube leben, ohne das Problem der Kirche mit meiner Situation da mit reinzuholen.“ Das gelang ihr vor allem, weil sie im eigenen Umfeld, auch in ihrer Familie, Offenheit und Akzeptanz erlebte. „So etwas macht stark.“

Sie kennt aber viele homosexuelle Christen, bei denen das nicht so ist, die in ihren Familien oder bei ihrer Arbeit Ablehnung und Intoleranz erleben. „Sie brauchen den Raum der Kirche besonders, um Halt zu finden“, sagt sie. „Wenn sie dann dort auch Zurückweisung erfahren, wird es schwer für sie, am Glauben festzuhalten.“ Die Atmosphäre in der Queergemeinde war oft von Traurigkeit und Resignation geprägt, erinnert sich Hoffmann.

Stefanie Hoffmann: So von Gott gewollt

Für sie gab es lange Zeit keinen Grund, ihr persönliche Situation neu zu gestalten. Sie hatte sich in ihrer „Blase“ eingerichtet. Sie feierte mit der Queergemeinde in Münsters Süden ihre Gottesdienste. Die Hochzeit mit ihrer langjährigen Freundin feierte sie mit einem Segnungsgottesdienst. In der bunten queeren Initiative in Münster gab es viele Anlässe, ihre Lebenssituation zu feiern: „Ich fühlte mich dort, so wie ich war, von Gott gewollt.“

Die Institution Kirche hatte für sie an Bedeutung verloren, blickt sie zurück. Ein weiteres Hineinwachsen in die Pfarrgemeinde war damit kein Thema für sie. „Auch wenn mir das eigentlich viel bedeutete.“ Der Teil der großen Gemeinschaft, des ehrenamtlichen Engagements, das öffentliche Eintreten für den Glauben fehlte ihr. Was sich ändern sollte, als vor etwa sieben Jahren intensiv Bewegung in die Situation homosexueller Menschen in der Kirche kam.

Queergemeinde Münster raus aus der Nische

In Münster standen die Vorbereitungen für den Katholikentag 2018 an. Die Queergemeinde organisierte ein eigenes Angebot. Im selben Jahr tagten die lesbisch-schwulen Gottesdienstgemeinschaften im deutschsprachigen Raum in Münster. „Das alles hatte etwas von Befreiung, wir kamen raus aus der versteckten Nische.“ Oder anders: Die Blase, in der sie sich zurückgezogen hatte, durfte platzen, ohne dass der Inhalt gefährdet war.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre habe sie sich damals noch nicht vorstellen können. „Rasant“, nennt sie diese. Von den offiziellen Teilnahmen an den kirchlichen Veranstaltungen über den ersten Besuch eines Weihbischofs bei einem Diskussionsabend der Queergemeinde und den Regenbogen-Fahnen an den Kirchen bis hin zur aktuellen Öffnung in Fragen von Segensfeiern.

Akzeptanz der kleinen Schritte

Geht noch mehr? „Natürlich!“, sagt Hoffmann. Wenngleich sie weiß, dass es nicht die großen Schritte sein können. „Eine sakramentale Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaft wäre schön, aber wohl noch nicht möglich.“ Das Denken in weltkirchlichen Dimensionen verhindere dies. Das akzeptiert sie: „In anderen Kulturen wäre ein solcher Schritt nicht zu vermitteln.“ Eine wichtige Chance sieht sie deshalb darin, dass Kirche kulturelle und regionale Unterschiede im Glaubensleben zulassen könne. „Auch in Unterschiedlichkeit lässt sich das Verbindende des Glaubens finden.“

Sie kann das so formulieren, weil sie es selbst erlebt hat und immer wieder erlebt. „Die Offenheit, die wir mittlerweile in der Pfarrei St. Joseph in Münster erfahren, ist enorm.“ Sie, ihre Frau, ihr Freundeskreis und alle Mitglieder der Queergemeinde brauchen keine Blase mehr, in die sie sich zurückziehen müssen, um vor Enttäuschungen gefeit zu sein. „Wir können mit all unseren Facetten am Gemeindeleben teilnehmen“, sagt Hoffmann. „Ohne das Gefühl zu haben, fremd, inkognito oder auf etwas reduziert zu sein, das konform ist.“

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