Theologen bewerten Erklärung zu Segnungen

Sautermeister und Seewald: Vatikan-Ja „wegweisend“ und „bahnbrechend“

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Als „wegweisend“ und „bahnbrechend“ bezeichnen die beiden Theologen Jochen Sautermeister (Bonn) und Michael Seewald (Münster) das Vatikan-Ja zu Segensfeiern. Doch gebe es weiterhin Defizite, erklärten die Wissenschaftler.

Die am Montag vom Vatikan veröffentlichte Erlaubnis von Segnungen homosexueller Paare ist aus Sicht des Bonner Moraltheologen Jochen Sautermeister wegweisend. „Seelsorger und Priester können sich bei Segensbitten nun nicht mehr auf ein kirchliches Verbot von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare mit Verweis auf die kirchliche Lehre berufen. Das ist zweifelsohne eine Entwicklung“, sagte er dem Internetportal domradio.de.

Die Grundsatzerklärung der vatikanischen Glaubensbehörde mit dem Titel „Fiducia supplicans“ (deutsch: Das flehende Vertrauen) erlaubt es katholischen Priestern nunmehr, homosexuelle und auch unverheiratete Paare zu segnen. Dabei müsse aber eine Verwechslung mit einer Eheschließung ausgeschlossen werden. Die katholische Lehre, wonach die sexuelle Vereinigung nur innerhalb einer Ehe von Mann und Frau erlaubt sei, bleibe unverändert. Auch dürfe die Segnung nicht in einem gottesdienstlichen Rahmen erfolgen.

Sautermeister: Neuer Stil des Glaubenspräfekten erkennbar

Laut Sautermeister wird in der Erklärung der pastorale Stil des neuen Präfekten der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Manuel Fernandez, deutlich. Er wisse sich dem pastoralen Ansatz von Papst Franziskus verpflichtet. „Es geht nicht darum, die Lehre zu ändern, sondern durch eine pastorale Sicht die seelsorgerlichen Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten zu erweitern und den jeweiligen Biografien von Menschen mit ihren Lebensumständen Rechnung zu tragen“, so der Moraltheologe.

Die Erklärung mutet nach Worten Sautermeisters verschiedenen Richtungen etwas zu: denjenigen, die sich für eine Änderung der kirchlichen Sexuallehre aussprechen, und denjenigen, die gegen jegliche Form von Segnungen gleichgeschlechtlicher oder nichtehelicher Paare sind. „Man denke nur an die starke Ablehnung, Diskriminierung bis hin zur Kriminalisierung und Todesstrafe für homosexuelle Menschen in einzelnen afrikanischen Ländern.“

Seewald: Bedeutendste Neuerung seit Zweitem Vatikanischen Konzil

Der Münsteraner Theologe Michael Seewald hat die römische Erklärung als „bahnbrechend“ bezeichnet. „Was die Entwicklung der Glaubens- und Morallehre angeht, handelt es sich um die bedeutendste Neuerung seit dem Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils 1965“, sagte Seewald dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es finde damit eine Abkehr von der bisherigen moralischen Verurteilung homosexueller Beziehungen statt.

„Während die offizielle Lehre der Kirche homosexuelle Praktiken bislang als schwere Sünde bezeichnete und der Meinung war, dass aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften nichts Gutes erwachsen könne, hat sich die Perspektive nun verändert“, sagte Seewald, der an der katholisch-theologischen Fakultät der Uni Münster Dogmatik lehrt. Auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften könnten Dinge gelebt werden, die aus Sicht der katholischen Kirche „wahr, gut und menschlich gültig“ seien.

Seewald: Raus mit Segensfeiern aus dem Verborgenen

Deshalb könnten gleichgeschlechtliche Paare ihre Beziehung unter den Segen Gottes stellen, erläuterte Seewald. Aus offizieller Sicht sei dies bisher nicht möglich gewesen. „Mutige Seelsorger, die es dennoch getan haben, wurden mancherorts von Bischöfen gemaßregelt, die meinten, sie müssten die wahre Lehre der Kirche verteidigen, und die nun von der Römischen Kurie der pastoralen Kurzsichtigkeit überführt wurden.“

Der Vatikan lege zwar Wert darauf, dass Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare nicht mit der Eheschließung heterosexueller Paare verwechselt werden dürften. Es werde jedoch auch gesagt, dass die neu zugelassenen Segensfeiern nicht im Verborgenen stattzufinden brauchen, sondern öffentlich im Rahmen von Gebeten, die in einer „Gruppe“ gesprochen werden. „Die Seelsorger haben nun schwarz auf weiß, dass der Papst auf ihrer Seite steht.“ Und homosexuellen Menschen werde gezeigt, dass sie nicht nur als Einzelne, sondern auch mit den Beziehungen, in denen sie leben, einen Platz in der Mitte der Kirche haben.

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