Maria Lampe-Bernholt vom Andreaswerk in Vechta hilft Menschen mit Behinderung auch bei Corona-Regeln

Sie übersetzt Behördendeutsch in Leichte Sprache - Land ist begeistert

  • Behördensprache ist an sich schon schwer verständlich. Besonders schwierig ist sie für Menschen mit Behinderungen.
  • Das katholische Andreaswerk in Vechta hilft ihnen mit seinem „Büro für Leichte Sprache“.
  • Jetzt nimmt auch die Landesregierung Niedersachsen seine Dienste in Anspruch - für Corona-Verordnungen.

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Eis essen geht nur 50 Meter entfernt vom Eisstand. Und wenn die Kugel in der Waffel sofort tropft? Da ist das Land Niedersachsen großzügig: Einmal kurz lecken ist erlaubt, aber dann schnell weg („hat sich mit dem Resteis zügig zu entfernen“). Sonst kostet es 200 Euro. Das steht in einer Corona-Verordnung aus Hannover, die Satiriker schon aufs Korn genommen haben.

Aber es gibt auch ernstere Fragen: Darf es Gottesdienste geben während der Pandemie? Das Land Niedersachsen antwortet in seiner Corona-Verordnung mit einem einzigen Satz. Der hat 131 Wörter, an 114. Stelle findet man das Wort „zulässig“. Bis dahin bleibt es spannend.

 

Statt 131 nur sechs Wörter

 

Maria Lampe-Bernholt schüttelt den Kopf. Die Sozialpädagogin aus Vechta hat die Regel in acht Sätze übertragen, keiner länger als fünf Wörter. Der erste: „Gottesdienste sind mit wenigen Menschen erlaubt.“ Leicht zu verstehen. Wie es zu ihrem „Büro für Leichte Sprache – Sprach-Werk“ passt.

Das Büro arbeitet seit 2012 beim Andreaswerk in Vechta, einem kirchlichen Träger der Behindertenhilfe. 1.500 Menschen werden dort betreut.

 

Staatskanzlei Hannover begeistert

 

Die Idee, Corona-Verordnungen in Leichte Sprache zu übersetzen, hat Lampe-Bernholt mit einem Team aus sieben anderen Behinderteneinrichtungen in Westniedersachsen entwickelt. Das Team wandte sich an die Staatskanzlei in Hannover und wurde „mit offenen Armen“ empfangen, wie sich Lampe-Bernholt erinnert.

Sie verstehe durchaus, warum amtliche Verordnungen von Juristen so und nicht anders formuliert werden, sagt Lampe-Bernholt. Die Texte müssten „rechtssicher“ und „gerichtsfest“ sein, damit sie im Ernstfall vor Gericht Stand halten. Aber jeder Verweis auf weitere Paragrafen, jeder Versuch, möglichst genau zu sein, schade der Verständlichkeit. Ihre Übersetzungen sieht Lampe-Bernholt deshalb eher als „Erklärung und Begleitung“.

 

Landesregierung gibt stets ihr Okay

 

Die Landesregierung  habe diese Hilfe dankbar angenommen, berichtet sie. Denn offensichtlich sei den Behörden in der Krise viel stärker bewusst geworden, „dass man sie auch verstehen muss“. Denn der Staat „will jetzt dringend etwas vom Bürger: Dass er sich an die Verordnungen hält.“

Das Projektteam übertrage „immer unter enormen Zeitdruck“ sofort jede neue Corona-Verordnung; nach dem Okay der Staatskanzlei ist sie dann auf dem Internetportal des Landes zu sehen. Die Zielgruppe seien dabei nicht nur Lern- oder Sprachbehinderte und andere Menschen mit Einschränkungen, sagt Lampe-Bernholt. Ihr Projekt habe auch jene im Blick, deren Muttersprache nicht Deutsch ist.

 

Mit Datenschutzverordnungen fing es an

 

Die Arbeit von „Sprach-Werk“ hat im eigenen Haus begonnen: Lampe-Bernholt übersetzte zunächst Datenschutzverordnungen und Prospekte des Andreaswerks, erklärte den Beschäftigten in den Behindertenwerkstätten auch Begriffe wie „Zul. Aussenarbeitspl. TS“. Die stehen in deren Gehaltsabrechnung. Lampe-Bernholt macht sie verständlich, indem sie in drei einfachen Sätzen erklärt, was eine „Zulage für Außenarbeitsplätze“ ist.

Inzwischen arbeitet ihr Büro auch für Kunden von außerhalb. Für den kommunalen Verkehrsbetrieb in Vechta übersetzte sie die Beförderungsbedingungen, für die evangelische Kirchengemeinde Vechta das Hygienekonzept des Friedhofs bei Beerdigungen. Auch das Bistum Münster hat ihre Arbeit schon für erklärende Texte über den Bischof nachgefragt. Kollegen haben auch den Pastoralplan in Leichte Sprache übertragen. Auf zwei statt 25 Seiten.

Lampe-Bernholt arbeitet in ihrem Team nicht allein, sondern mit acht Menschen mit Behinderungen zusammen. Sie sind ihr wichtigstes Echo: Kein Text geht raus, den ihr Team nicht überprüft hat. Die Namen stehen regelmäßig beim Urhebervermerk „Büro für leichnte Sprache“.

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