Regens Hartmut Niehues im Interview

So reagiert das Priesterseminar in Münster auf fehlenden Nachwuchs

Regens Hartmut Niehues erklärt das neue Konzept des Priesterseminars des Bistums Münster. | Video: Michael Bönte

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Zwei Jahre nacheinander werden im Bistum Münster keine Priester mehr geweiht. In den kommenden fünf Jahren werden es wahrscheinlich drei sein. Der Regens des Priesterseminars, Hartmut Niehues, sieht das Borromaeum aber nicht vor dem Aus. Weil das Konzept sich geändert habe.

Herr Niehues, wozu braucht es noch ein Priesterseminar, wenn es kaum noch Kandidaten gibt?

Wir haben hier in Münster ein zukunftsfähiges Konzept der Priesterausbildung entwickelt. Das bedeutet, dass wir die Priesterkandidaten nicht isolieren – nicht absondern von der Welt, von anderen Studierenden in ihrem Alter. Im Gegenteil: Unser Konzept sieht vor, dass die Priesterkandidaten zusammen mit Studierenden unterschiedlichster Fächer, Frauen und Männer, ausgebildet werden.

Was bewirkt denn ein solches Konzept?

Wir glauben, dass die Priesterkandidaten von Beginn an die Erfahrung machen sollten, Teil des Volkes Gottes zu sein und zu bleiben. Das ist das beste Mittel gegen Klerikalismus. Was uns hier im Haus verbindet – über die verschiedenen Studienfächer hinweg – ist die Frage: Gott, was hast du mit mir vor in meinem Leben? Und dieser Frage gehen die jungen Leute auf unterschiedliche Weise nach. Und dabei gibt es dann welche, die Lehrerin, Jurist oder Medizinerinnen werden, je nach Lebensentwurf.

Und es gibt die, die Priester werden. Gemeinsam aber haben sie das Bewusstsein, als Volk Gottes unterwegs zu sein. Alle gehören dazu. Und das können sie hier spüren. Indem die jungen Leute das hier jeden Tag erleben und miteinander teilen – im Gebet, im karitativen Einsatz, in Glaubenskursen oder in der Erfahrung, einfach mal eine feiernde Gemeinschaft zu sein.

Und dafür können Sie in der heutigen Zeit noch junge Menschen begeistern?

Tag der offenen Tür im Priesterseminar
Am Samstag, 3. Juni, lädt das Priesterseminar in Münster ab 10.30 Uhr zum Tag der offenen Tür ein. Auf dem Programm stehen Begegnungen mit Priesterkandidaten, Bewohnern und dem Ausbildungsteam. Spirituelle Impulse, Gottesdienst und Gebet gehören ebenfalls zum Angebot. Mehr unter www.priesterseminar-muenster.de

Viele junge Leute suchen einen Raum, wo sie sich nicht ständig rechtfertigen müssen, katholisch zu sein. Das höre ich immer wieder von unseren Studierenden. Im Kreis ihrer Kommilitonen ist das Thema Glauben schwierig. Zur Kirche zu gehören: Ganz schwierig! Hier haben sie einen Ort, wo sie zwar nicht unkritisch, aber mit einer Grundsicherheit leben: Hier kann ich sagen, dass ich an Gott glauben will und dass mir die Kirche wichtig ist. Diesen Ort anzubieten, halte ich für ganz wichtig. Eigentlich brauchen wir viele solcher Häuser der Berufung, viele solcher Seminare des Volks Gottes.

Der Aufwand ist groß, die Nachfrage sinkt – lohnt sich das wirklich noch?

Wir sind ein Bistum mit einer 1.200-jährigen Geschichte. Wenn dieses Bistum sich jetzt aus der Priesterausbildung verabschieden würde, verabschieden wir uns auch von einer Möglichkeit, junge Menschen dafür zu begeistern, Volk Gottes zu sein. Das wäre ein ganz fatales Zeichen. Wir brauchen ein klares Bekenntnis der Kirche: Ja, wir wollen Pries­ter! Das beschränkt sich nicht nur darauf, dass wir das vom Bischof hören. Das braucht es insgesamt vom Bistum. Und ich würde mir das auch sehr von den Vertretungsgremien wünschen, etwa vom Diözesanrat. So eine ausdrückliche Aussage, dass wir Priester wollen. Nicht klerikal unterwegs sein, sondern ganz im Gegenteil: Wir sind alle gemeinsam unterwegs und darunter gibt es eben auch junge Männer, die Priester werden wollen.

Und wie halten Sie gerade diese in der heutigen Kirchensituation bei Laune?

Erst einmal gibt es hier im Hause eine positive Grundstimmung den Priesterkandidaten gegenüber. Sie können sich getragen fühlen von der Hausgemeinschaft und den anderen Studierenden. Sie sind hier mit anderen unterwegs, denen der Glaube wichtig ist. Wo können sie das sonst noch erleben?

Natürlich gibt es auch in dieser Gemeinschaft Anfragen, etwa an die Lebensform oder die Lehre der Kirche. Daraus entstehen Diskussionen und Herausforderungen. Das ist gut und wichtig für die angehenden Priester, denn spätestens in der Gemeinde kommt diese Auseinandersetzung. Es hilft also, das bereits hier zu thematisieren. Ein anderer Aspekt ist die Praxiserfahrung. Wer in der Gemeinde unterwegs ist, erlebt, wie viel Freude der Beruf des Priesters macht.

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