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Soziale Werte werden für Jugendliche zunehmend wichtig - dieser Trend hält an. Er spiegelt sich auch vielfach in ihren Berufswünschen. Ein Schwerpunkt der diesjährigen Sinus-Jugendstudie lag auf der Arbeitgeberin Kirche.
Eins gab Studienleiter Marc Calmbach gleich zu Beginn zu bedenken: Man könne nicht von „der“ Jugend sprechen. Das Lebensgefühl verschiedener Gruppen unterscheide sich teils deutlich. Die aktuelle Sinus-Jugendstudie, die am Donnerstag bei einer Online-Pressekonferenz vorgestellt wurde, unterscheidet sieben soziokulturelle Untergruppen: etwa Traditionell-Bürgerliche, Postmaterielle und Expeditive.
Insgesamt seien nur wenige Menschen zwischen 14 und 17 Jahren wirklich unzufrieden - aber ganz zufrieden seien die meisten auch nicht. Zur Unzufriedenheit tragen laut der Befragung vor allem Leistungsdruck und Zeitmangel bei, außerdem ein Gefühl von Macht- und Einflusslosigkeit. Der jugendliche Zeitgeist sei „grün und bewahrend“, so die Autoren.
Arbeitgeber Kirche bei Jugendlichen wenig bekannt
Für die Studie werden alle vier Jahre die Lebenswelten von Teenagern untersucht. Auftraggeber sind unter anderen die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), die Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz (afj), der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) sowie die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.
Ein Schwerpunkt in diesem Jahr war die Wahrnehmung der Kirche als Arbeitgeberin. Dass sie auch Arbeitgeberin ist, stieß demnach bei vielen Jugendlichen auf Verwunderung - vor allem bei den jüngeren und in bildungsfernen Lebenswelten. „Die Kirche gehört nicht unbedingt zum Mindset“, sagte Calmbach. Nur wenige Befragte hätten für sich ausgeschlossen, eines Tages in einer kirchlichen Einrichtung zu arbeiten.
Jugendliche halten Kirche für „ehrlicheren“ Arbeitgeber
Im Unterschied zu anderen Arbeitgebern werde die Kirche bisweilen „als 'überkorrekt' oder 'zu spirituell' wahrgenommen“, hieß es. Positiv bewerteten die Jugendlichen dagegen die Möglichkeit, bei einer Tätigkeit für die Kirche etwas Sinnvolles zu tun. Sie stellten sich die Kirche zudem als „ehrlicheren“ Arbeitgeber vor, bei dem man stärker in eine Gemeinschaft eingebunden sei als anderswo. Bedingung für einen solchen Job wäre für viele, keine religiösen Vorschriften einhalten zu müssen.
afj-Leiterin Bianka Mohr sieht die Kirchen in dieser Hinsicht herausgefordert: „Wir haben noch eine ganze Menge Hausaufgaben zu machen.“ Offenbar müsse noch deutlicher vermittelt werden, welche Berufe und Ausbildungsangebote es bei der Kirche gebe: „Es geht eben nicht nur um Priester und Gemeindereferentinnen.“ Die Voraussetzungen für Jobs im sozialen Bereich seien etwa weniger hoch, als viele glaubten - und dieser Bereich interessiere viele junge Menschen.
Jugendstudie: „Feiern gehen, Fun und Action“ verlieren an Bedeutung
Laut Studie ist zudem eine „Sehnsucht nach Zugehörigkeit, Halt und Orientierung“ zu beobachten. Dagegen verlören „Feiern gehen, Fun und Action“ an Bedeutung: „Die ehemals so jugendtypische hedonistische Mentalität nimmt weiter ab“, hieß es. So seien die verbreiteten Berufswünsche „eher bodenständig und realistisch“; wichtig sei den meisten eine gute Work-Life-Balance mit Zeit für Familie, Freunde und sich selbst.
Als wichtige Werte bezeichneten die Jugendlichen etwa Solidarität, Fairness und Gerechtigkeit, Demokratie und Meinungsfreiheit. Beklagt wurde dagegen eine „Jeder für sich“-Mentalität in der Gesellschaft. Polarisierung, Hass und Aggression beunruhigten viele der Befragten. Als größte politische Herausforderung gilt die Rettung der Erde - „dieses Thema beunruhigt nahezu alle Jugendlichen“, betonte Calmbach.
BDKJ: Wir müssen positive Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen
Für den BDKJ ein klarer Anknüpfungspunkt, sagte dessen Bundesvorsitzende Lisi Maier. Insbesondere junge Menschen aus prekären Lebenswelten stünden Ängsten vor Krieg und Klimawandel oft sprachlos gegenüber: „Sie dürfen nicht abgehängt werden“, mahnte Maier. Es sei wichtig, globale Zusammenhänge noch stärker zu behandeln, sowohl an Schulen als auch in Jugendverbänden. „Wir müssen jungen Menschen positive Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglichen.“
Grundsätzlich verdienen die Kirchen in den Augen der meisten Befragten einen Vertrauensvorschuss. Besonders wichtig sei ihnen, dass die Kirchen „bedingungslos Hilfe und Schutz anbieten“, beispielsweise beim Kirchenasyl für Flüchtlinge. Allerdings gebe es auch Kritik - entweder aufgrund eigener schlechter Erfahrungen oder aufgrund von Skandalen etwa um Missbrauch.