Essener Bischof mahnt tiefgreifende Reformen an

Wegen Missbrauch: Overbeck vergleicht Kirchen-Lage mit Zeit der Reformation

  • Angesichts des Skandals um sexualisierte Gewalt zieht der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck Parallelen zur Reformation.
  • Er frage sich, ob der Missbrauch "eine ähnliche Rolle spielen könnte wie der Ablassskandal, der im Hochmittelalter die Reformation ausgelöst hat".
  • Overbeck mahnte tiefgreifende Reformen an, vor allem in der katholischen Kirche.

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Der Skandal um sexualisierte Gewalt stellt nach Worten des Essener Bischofs Franz-Josef Overbeck die Glaubwürdigkeit der Kirche immens in Frage. "Schon länger frage ich mich, ob dieser Skandal nicht heute eine ähnliche Rolle spielen könnte wie der Ablassskandal, der im Hochmittelalter die Reformation ausgelöst hat", sagte Overbeck laut Manuskript in einem ökumenischen Gottesdienst zum Reformationstag in der evangelischen Hauptkirche St. Petri Hamburg.

In beiden Fällen offenbare das, was zunächst wie ein Randphänomen erscheine, tiefere Probleme und systemische Übel. Als Beispiele nannte der Bischof den Umgang mit Macht, Probleme des Verhältnisses zwischen Geistlichen und Laien und die Frage nach dem Verhältnis der Geschlechter.

 

"Ohne tiefgreifende Reform könnten sich die Kirchen leeren"

 

Die leeren Kirchen zu Beginn der Corona-Pandemie erschienen Overbeck eigenen Worten zufolge wie ein prophetisches Warnzeichen. "So könnte es bald aussehen, wenn wir uns nicht einer tiefgreifenden Reform unterziehen." Betroffen sei vor allem die katholische Kirche. Aber auch andere Kirchen seien von dieser Entwicklung nicht weit entfernt.

Nach Overbecks Vorstellung müssen die Kirchen mehr zu Orten der Kontemplation, der Begegnung, des Gesprächs und des Mitteilens der Erfahrung von Glauben werden. Schwerpunkte des Christentums der Zukunft seien in der Regel keine territorialen Gemeinden mehr, sondern vor allem "Zentren von Spiritualität, von geistlicher Begleitung, von Erfahrungsräumen im Glauben", erklärte der Bischof.

 

Der Reformationstag

 

Beim Gottesdienst wirkte auch die evangelische Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs mit. Am 31. Oktober gedenken Protestanten der Reformation. Am Tag vor Allerheiligen 1517 hatte der Augustinermönch Martin Luther in 95 Thesen die damalige Ablasspraxis der Kirche kritisiert.

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