Ehrenamtliche einer Oldenburger Stadtgemeinde helfen schon seit 2012

Flüchtlinge weiter willkommen in St. Josef - trotz Anfeindungen

  • Seit acht Jahren setzen sich zwei Dutzend Ehrenamtliche einer Pfarrgemeinde in Oldenburg für Flüchtlinge ein.
  • Sie richteten ein leerstehendes Haus der Kirche als Begegnungszentrum ein.
  • Das Team findet immer noch neue Projekte für und mit Zuwanderern.

Anzeige

Klimpern und Klirren im letzten Raum links. Dann lautes Lachen. Da wird gearbeitet, ganz klar. Ein Blick durch die Tür: Manfred Becker zieht Muttern an beim Fahrrad auf dem Montageständer, Ali Pasnd sucht unter den Felgen an der Decke, Manfred Nagorny kommentiert fröhlich die Arbeit. Ein Flüchtling aus Afghanistan, ein Kraftfahrer und ein Soldat aus Oldenburg.

Alltag in der Fahrradwerkstatt im „Haus Welcome“. Die Gemeinde St. Josef Oldenburg unterhält dort ein Begegnungszentrum für Flüchtlinge und Zugewanderte. Die Werkstatt ist dort ein wichtiges Angebot.

 

Sie wollten Fahrräder reparieren

 

Fahrräder reparieren – diese Idee war der Anstoß, dieses Haus überhaupt einzurichten. Daran erinnert sich Hildegard Siemer genau. Die pensionierte Lehrerin gehörte zu einer Gruppe katholischer Christen aus der Gemeinde St. Josef, die im Winter 2012 Flüchtlinge in einer Unterkunft im Stadtteil Kreyenbrück besuchte. 50 Menschen aus dem Irak, dem Iran und aus Afghanistan waren dort gerade in einem leer stehenden Hotel untergebracht worden.

Auch Angela Martin war damals dabei, heute Küsterin der Vorstadtgemeinde St. Ansgar Sandkrug. Sie erinnert sich noch, wie ablehnend die Nachbarschaft auf die Flüchtlinge reagierte. „Gruselig war das manchmal.“ Die Gruppe habe sich aber nicht beirren lassen und sich von der eigenen Pfarrgemeinde „voll akzeptiert“ gefühlt.

 

Flüchtlinge erzählten von der Flucht

 

Sie luden zu Kaffee und Kuchen ein, brachten Weihnachtsgeschenke, gaben selbst Deutschkurse und luden zu Erzähl-Cafés ein, in denen Flüchtlinge berichten konnten. Und reparierten auch Fahrräder, für Flüchtlinge eines der wichtigsten Fortbewegungsmittel.

„Aber wir merkten bald, was fehlt“, sagt Angela Martin: „Platz.“ Für eine Fahrradwerkstatt nämlich, aber auch für eine Kleiderkammer, eine Nähstube, eben Raum für Begegnung.

 

Der Pfarrer besorgte ein Haus

 

Das hörte Christoph Sibbel, Pfarrer in St. Josef. Die Gemeinde mietete ein leer stehendes Verwaltungsgebäude der Caritas, übernahm die Nebenkosten und überließ es den Ehrenamtlichen für ihre Arbeit. Im Herbst 2015 war das, als Zehntausende Flüchtlinge nach Deutschland strömten, viele nach Oldenburg. Auch für sie wurde das neue „Haus Welcome“ zum Anlaufpunkt.

Fünf Jahre nach Angela Merkels berühmten Satz: „Wir schaffen das“ – was hat die Gruppe im „Haus Welcome“ geschafft? Etwa Asylbewerbern zu ihrem Recht verholfen. Ein Rechtsanwalt im Team begleitete einen Afghanen bis zu seiner Anerkennung vor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Oder einer jungen Handwerkerin aus dem Iran geholfen, einen eigenen Betrieb aufzubauen, nachdem sie als Angestellte immer diskriminiert worden war.

 

Das Begegnungszentrum wird noch gebraucht

 

Beispiele für Menschen, die ihren Platz in Oldenburg gefunden haben. Und nicht mehr regelmäßig Gäste sind in „Haus Welcome“. Überflüssig wurde das Zentrum dadurch nicht. Denn Fahrradwerkstatt und Kleiderkammer seien immer noch gefragt, sagt Hildegard Siemer. „Aber wir müssen durchaus neu nachdenken, was es heute braucht“.

Neue Angebote gibt es in „Haus Welcome“ durchaus. Deutschkurse für Frauen etwa, mit Kinderbetreuung. Das Katholische Bildungswerk sorgt für den Unterricht, die Gruppe für die Kinder. Oder ein „Repair-Cafe“, in dem ehrenamtliche Fachleute helfen, elektronische Geräte von Toaster bis Kamera zu reparieren. Auch die neu zugezogenen Roma in Oldenburg treffen sich nun hier, um Deutsch zu lernen  und Musik zu machen.

Eines sei natürlich klar, sagt Hildegard Siemer: „Die Flüchtlinge der ersten Stunde sind heute ganz anders vernetzt. Damals lief das über uns. Jetzt ist das viel breiter.“ Aber sie klingt nicht unzufrieden.

 

Flüchtlingshilfe in der Stadt Oldenburg
In der Stadt Oldenburg gibt es rund 200 ehrenamtlich Aktive in der Flüchtlingshilfe. Damit rechnet Claudia Wronna vom Amt für Zuwanderung und Integration. Die meisten ehrenamtlichen Angebote gibt es im Zentrum „Kaiser 19“, getragen vom Deutschen Roten Kreuz. Das „Haus Welcome“ ist die einzige katholische Einrichtung. Nach Wronnas Angaben hat sich die Zahl ausländischer Einwohner in Oldenburg in den vergangenen zehn Jahren auf rund 18.000 verdoppelt. Das sind zehn Prozent der Bevölkerung. | fjs

Anzeige