Themenwoche „Dauerbrenner im Ehrenamt“ (2) - Gisela Barbara Kubina, Münster

Wie die Ghana-Hilfe zur Lebensaufgabe einer Münsteranerin wurde

Anzeige

Es ist mehr als 30 Jahre her, dass Gisela Barbara Kubina aus Münster-Hiltrup die Leitung einer Partnerschaft mit einer Pfarrgemeinde in Nordghana übernahm. Sie tut sich damit etwas Gutes, sagt sie.

„Fietser“ sind willkommen. Das steht auf den Aufklebern an der Haustür von Gisela Barbara Kubina in Münster-Hiltrup. Heißt: Niederländische Radler, die auf ihrer Tour durchs Münsterland eine Unterkunft suchen, können bei ihr klingeln und bekommen Bett und Verpflegung. Die 69-Jährige erhält dafür lediglich eine kleine Aufwandsentschädigung. Ihr Lohn ist ein anderer, sagt sie: „Ich finde es toll, neue Menschen kennenzulernen und ihnen auf ihrem Weg ein wenig zu helfen.“

Damit ist eigentlich alles gesagt über die Frau, die ihre Tage seit mehr als 40 Jahren dem Ehrenamt verschrieben hat. Es war damals eine bewusste Entscheidung, obwohl das Leben in jenen Jahren eigentlich genug andere Aufgaben bereithielt – mitten in der Familienphase mit fünf Kindern. In der damaligen Pfarrgemeinde St. Marien in Hiltrup startete sie im Pfarrgemeinderat, in der Bücherei, in Arbeitskreisen. Was für ein Stress, oder? Nein, es war genau das, was sie suchte, sagt Kubina: „Neue Menschen, sinnbringender Einsatz, Hilfsbereitschaft.“

Afrika-Partnerschaft wird Lebensprojekt

Mit der Zeit trat ein Projekt in den Vordergrund, das sie in den kommenden Jahrzehnten fesseln sollte, weil es genau zu dieser Motivation passte: die Partnerschaft mit einer Pfarrgemeinde in Nordghana. Die ehemalige Lehrerin für Mathematik kann sich noch sehr genau an eine Diskussion erinnern, die ihr Engagement befeuerte: „Beim ersten Besuch zweier Ghanaer bei uns in Hiltrup Anfang der 1990er Jahre wurde diskutiert, wer denn wohl den Mut habe, sein Badezimmer mit einem Schwarzafrikaner zu teilen.“ Kubina sah solche Probleme nicht, quartierte ein Kind in ein anderes Zimmer um und begrüßte mit den afrikanischen Gästen Menschen, „denen ich sonst nie begegnet wäre“.

Es folgten 30 Jahre, in denen sie immer mehr Verantwortung für die Pfarrgemeinde-Projekte in den Dörfern in Afrika übernahm. Letztlich leitete sie die Partnerschaft bis heute. Die Bandbreite ihrer Aufgaben war groß: Öffentlichkeitsarbeit, Spenden-Aktionen, Sammlungen, Verkaufs-Stände, Anträge für Fördergelder. Die meiste Zeit aber nahm der wichtige, ständige Kontakt nach Afrika ein, um die Arbeit dort am Laufen zu halten. Am Anfang mit Briefen und entwickelten Fotos, später per E-Mail und digitalen Bildern.

Schriftverkehr als Sisyphus-Arbeit

Bis zu 20 Stunden in der Woche war sie da schon mal gefordert. Von den monatlichen Sitzungen im Pfarrheim verpasste sie in all der Zeit nur zwei aus familiären Gründen. Natürlich hatte sie immer viele Helfer, aber Verantwortung gab sie erst spät ab. „Ursula Finkelmann kümmert sich seit einigen Jahren um den Schriftverkehr mit den Behörden, um die öffentlichen Förderungen zu sichern.“ Eine Sisyphus-Arbeit, das weiß Kubina aus eigener Erfahrung. „Da muss manchmal jeder Apfel, der für die Verpflegung der Gäste gekauft wird, belegt werden.“

Es blieben genug Aufgaben für Kubina. Zehn Mal reiste sie selbst nach Ghana, um die Fortschritte bei den angestoßenen Projekten zu begutachten. Die Besuche begeisterten sie, nicht allein wegen der spannenden Erlebnisse und Begegnungen, sondern auch wegen der Erfolge der vielseitigen Unterstützung. Schulen wurden renoviert, ein Staudamm gebaut, Solarlampen organisiert, Brunnen gebohrt. „Und vor allem Hilfe zur Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Menschen dort gegeben.“

Jugendaustausch liegt ihr am Herzen

Es waren aber nicht nur die großen Erfolgsgeschichten, die Kubina beeindruckten. „Oft gab es kleine Momente, die mich in meinem Engagement neu bestärkten.“ Sie ist sichtlich gerührt, als sie eine davon erzählt. „Eine Frau aus Ghana war bei uns zu Gast und nahm am Familienleben teil.“ Zum Abschied sagte die Afrikanerin etwas, das die deutsche Mutter aufwühlte: „Ihr geht so liebevoll mit euren Kindern um und der Alltag funktioniert ohne Geschrei und Strafen – das will ich daheim auch versuchen.“

Besonders ans Herz gewachsen ist Kubina der Jugendaustausch, den die Partnerschaft vor vielen Jahren ins Leben rief: Jugendliche aus Ghana besuchen regelmäßig Hiltrup, junge Menschen von hier starten zu Gegenbesuchen. „Da schlägt mein Herz“, sagt Kubina. „Darin gehe ich voll auf.“ So sehr, dass sie auch mal 14 Stunden am Tag für die Gäste zur Verfügung steht: „Vormittags Deutschunterricht in meinem Garten, dann gibt es Spaghetti für alle und nachmittags ab ins Freibad.“

Noch mehr Ehrenamt

Wer denkt, all dieser Einsatz reicht aus, um die ehrenamtliche Begeisterung von ihr zu stillen, irrt. Kubina steht jede Woche auch im Second-Hand-Laden des Roten Kreuzes, ist im Kirchenfoyer in Münster Ansprechpartnerin oder engagiert sich bei der „Offenen Weihnacht“ für Obdachlose.

Bleibt da überhaupt noch Luft, sich selbst mal etwas Gutes zu tun? „Was denn?“, fragt sie zurück. Lachend hebt sie ablehnend die Hände: „Golf spielen, Kreuzfahrten oder der Senioren-Nachmittag mit Kartenspiel – um Himmels Willen?“ Ihre acht Enkel sind oft bei ihr, sie macht alle Wege mit dem Fahrrad und „isst sehr gern und viel“. „Das sind meine Hobbys.“ Wieder lacht sie. „Aber im Ernst, ich tue mir doch vor allem etwas Gutes, wenn ich mich für andere einsetze.“

Kein Ende in Sicht

Mit 70 soll aber Schluss sein, sagt Kubina. Ende 2023 wäre das. „Natürlich nicht ganz“, korrigiert sie sofort. „Nur die Hauptverantwortung für die Ghana-Partnerschaft gebe ich dann ab.“ Alles andere wird bleiben. Afrikanische Gäste werden weiter zu ihr kommen, sie wird sich in die Projekte einbringen, für den guten Zweck sammeln, Ansprechpartnerin sein… Und zwischendurch auch mal ein paar niederländische „Fietser“ aufnehmen.

Anzeige