Themenwoche „Ideen gegen den Pflegenotstand“ (3): Neue Wege bei der Arzt-Suche

Wie die Uni Prag und iranische Pflegekräfte deutschen Kliniken helfen

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Deutschland fehlen Ärztinnen und Ärzte. Auch, weil es nicht gelungen ist, die Zahl der Medizin-Studienplätze zu steigern. Vier katholische Krankenhäuser in den Kreisen Vechta und Cloppenburg nehmen den Kampf gegen diesen Mangel selbst in die Hand – zusammen mit der Karls-Universität Prag.

Es ist eine Premiere: Erstmals finden die Aufnahmetests für alle deutschsprachigen Bewerber um ein Medizinstudium an der Karls-Universität in Prag nicht in der tschechischen Hauptstadt statt. Sondern: in Vechta.

Am 15. April reisen dafür auch die Prüfer an. Für die Bewerber geht es um einiges: Wer den Test besteht, hat damit einen Studienplatz in der Tasche. Die Abi-Note spielt keine Rolle. Noch bis Ende März sind Anmeldungen möglich.

Einfach wird es aber nicht: Von allen internationalen Interessenten kommt nur einer von zehn durch. Nach der Erfahrung der Prager Uni schnitten deutsche Teilnehmer aber deutlich besser ab, macht Ulrich Pelster Bewerbern Hoffnung.

So ist ein Medizinstudium ohne NC möglich

Für den Vorstand der Schwester-Euthymia-Stiftung ist damit ein weiterer Schritt der Partnerschaft zwischen seiner Stiftung und der Karls-Uni getan. Fortan würden vielleicht noch mehr junge Leute den Weg in ein Medizinstudium in Prag über Vechta nehmen. Abiturienten, deren Numerus Clausus in Deutschland nicht ausreicht.

Erfolgreiche Bewerber können die klinischen Teile ihrer sechsjährigen Ausbildung an den vier Krankenhäusern der Vechtaer Stiftung absolvieren: in Damme, Lohne, Cloppenburg oder Vechta. Die Kliniken haben dafür Lernziele und Inhalte dem Studienverlauf angepasst. Außerdem bietet die Stiftung Vorbereitungskurse auf den Auswahltest an.

Drei Stipendien pro Studienjahr als weiterer Anreiz 

Stipendien der Schwester-Euthymia-Stiftung sind ein weiterer Anreiz. Sie umfassen die Übernahme der Studiengebühren. Eine Kommission wird dafür künftig aus jedem Jahrgang zunächst drei erfolgreiche Bewerber auswählen. Die Gebühren betragen rund 16.700 Euro pro Jahr, rund 100.000 Euro insgesamt. Im Gegenzug verpflichten sich die Stipendiaten, nach dem Abschluss für mindestens fünf Jahre als Assistenzärzte an einem der vier Stiftungs-Krankenhäuser zu arbeiten.

„Ohne eine Medizin-Uni in der Nähe ist es heute schwierig für ein Krankenhaus“, beschreibt Stiftungs-Vorstand Pelster das Problem ländlicher Regionen. „Wenn junge Ärzte in Münster, Hannover oder Oldenburg studiert haben, erhalten sie im Umfeld meist so viele Angebote, dass sie seltener in die Fläche kommen.“

Ärztemangel am Hospital schlägt auf die niedergelassenen Ärzte durch

Ulrich Pelster
Ulrich Pelster ist Vorstand der Schwester-Euthymia-Stiftung. | Foto: 

„Die Bewältigung der Personalfrage ist essenziell für Krankenhäuser, daran entscheidet sich ihre Zukunft“, so der Krankenhaus-Manager im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ weiter. Das werde langfristig auch durchschlagen auf die Versorgung der Region mit niedergelassenen Ärzten. Denn: Die meisten davon kämen aus den Kliniken vor Ort.

An der Qualität der Ausbildung in Tschechien hat Pelster keine Zweifel. Schon jetzt beschäftigt die Schwester-Euthymia-Stiftung an ihren Häusern Ärzte, die in Prag studiert haben – mit guten Erfahrungen. Für den Stiftungsvorstand könnte die Zusammenarbeit mit Prag sogar ein Modell für ganz Niedersachsen sein.

Könnte ein Modell für ganz Niedersachsen sein

Weitere Informationen:
https://medizinstudium-in-prag.com

Der Grundgedanke: Wenn es so schwierig ist, die Zahl der Medizinstudenten in Deutschland zu erhöhen, warum nutzt man nicht stärker die Ausbildungskapazitäten an Universitäten wie der in Prag – in Kombination mit Praxisanteilen in Deutschland? Zumal es sich rechnen würde: „Mit 100.000 Euro kostet ein Medizinstudium dort nur etwa rund ein Drittel dessen, was für einen Medizinstudienplatz in Oldenburg, Hannover oder Göttingen anfällt.“

Zum Ärztemangel hinzu kommt der Mangel an Pflegekräften. Auch da geht die Euthymia-Stiftung neue Wege und setzt insbesondere auf Nachwuchs aus dem Iran. Rund 40 Pflegekräfte hat eine Agentur dafür in den vergangenen beiden Jahren an die vier Krankenhäuser der Stiftung vermittelt.

„Sie haben im Iran bereits Deutsch gelernt und sollen möglichst langfris­tig bei uns tätig sein“, sagt Stiftungsvorstand Pelster. Deshalb auch die große Zahl aus einem einzigen Land. „So haben sie es leichter, sich in Gemeinschaft wohl und nicht so leicht einsam zu fühlen.“ Diesen Ansatz wolle die Stiftung weiter fortsetzen.

Ärztemangel in Deutschland
Ärztemangel – das Problem ist seit Jahren bekannt. Passiert ist wenig. Um gerade 800 Studienanfänger pro Jahr sind die Erstsemester-Zahlen seit 2017 - damals 10.800 - gestiegen. Nötig wären laut Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) 5.000. Laut einer aktuellen Studie der Robert-Bosch-Stiftung fehlen bis 2035 bundesweit 11.000 Hausärzte. Rund 40 Prozent aller Landkreise wären dann unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht. Und auch für Krankenhäuser ist es schwieriger geworden, Ärztenachwuchs zu finden, besonders auf dem Land.

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