Themenwoche „Wie klappt's mit Inklusion in unseren Gemeinden?“ (5)

Wie ein inklusives Caritas-Projekt erfolgreich auf den Tod vorbereitet

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Wie inklusive Hospizarbeit funktionieren kann, zeigt ein neues Projekt im Landkreis Cloppenburg. Einblicke in das Konzept, für das der Caritas-Verein Altenoythe in Hannover ausgezeichnet wurde.

„Sie trauern genauso wie alle. Sie zeigen es nur anders.“ Dagmar Lügan kennt das auch aus anderen Zusammenhängen. „Manchmal reden unsere Beschäftigten oder Bewohner mit Beeinträchtigung in so einer Situation von etwas ganz anderem, weil sie so aufgeregt sind.“ Das mache es Außenstehenden oft genug schwer, ihre Reaktionen einzuordnen. „Weil es schnell so wirken kann, als ob sie Tod und Trauer gar nicht interessieren.“ Das stimme aber nicht. „Sie müssen das Thema nur erst mal für sich greifbar kriegen.“

Auch dabei will das Projekt helfen, mit dem der Caritas-Verein Altenoythe seit gut zwei Jahren Beschäftige, Bewohner und ambulant Betreute an das Thema Sterben, Tod und Trauer heranführt. Dagmar Lügan ist Projektverantwortliche für die gesundheitliche Versorgungplanung für die letzte Lebensphase der größten Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigung im Landkreis Cloppenburg. Sie hat das Angebot mitentwickelt, für das der Verein mit einem dritten Platz bei der Wahl zum niedersächsischen „Hospiz Award 2023“ geehrt wurde.

Enger Kontakt zum Hospizdienst ist wichtig

Dagmar Lügan ist Projektverantwortliche für die Gesundheitliche Versorgungplanung für die letzte Lebensphase beim Caritas-Verein Altenoythe. | Foto: privat
Dagmar Lügan ist Projektverantwortliche für die gesundheitliche Versorgungplanung für die letzte Lebensphase beim Caritas-Verein Altenoythe. | Foto: privat

Ein Workshop zum Thema „Trauer und Trost“ gehört zum Beispiel zum Konzept, Besuche in Hospizen, eine Führung im Friedwald oder die Besichtigung eines Krematoriums sowie ein regelmäßiges „Erinnerungscafé“ und auch eine Ausstellung, für die Menschen mit Beeinträchtigung ihren persönlichen „Koffer für die letzte Reise“ gepackt haben. Bis hin zu Hilfestellung beim Verfassen einer Vorsorge-Vollmacht oder eine Patientenverfügung. Und dazu: gegenseitiges Kennenlernen von Bewohnern und Beschäftigten des Caritasvereins auf der einen und dem Hospizdienst-Team des Landkreises Cloppenburg auf der anderen Seite.

„Im Laufe des Projekts stellte sich heraus, wie wichtig gerade solche Kontakte sind“, sagt Dagmar Lügan und erklärt: „Den Umgang mit Menschen in der letzten Lebensphase kennen Helferinnen, Helfer und Ehrenamtliche des Hospizdienstes zwar sehr gut.“ Mit Menschen mit Beeinträchtigung jedoch seien viele bisher nur selten in Berührung gekommen – und zunächst oft unsicher. Umgekehrt schaffe es bei den Menschen mit Beeinträchtigung Vertrauen, wenn sie die Hospizhelferinnen und Helfer kennen.

Auf die Sprache kommt es besonders an

Ein „Koffer für die letzte Reise“ stand bei einem Projekt im Mittelpunkt. | Foto: Caritas-Verein Altenoythe
Ein „Koffer für die letzte Reise“ stand bei einem Projekt im Mittelpunkt. | Foto: Caritas-Verein Altenoythe

Es seien oft nur kleine Schritte möglich, sagt die Mitarbeiterin des Caritas-Vereins. Sie erinnert sich an ein Gespräch beim Gestalten einer Trauerkerze und wie jemand ein Herz als Symbol auswählte. „Der war immer so gut zu mir“, lautete die Begründung. „Und schon war ein Gespräch im Gange.“ Dabei komme es auch und besonders auf die richtige Sprache an. „Einfache Begriffe und lieber weniger als mehr“, rät Dagmar Lügan.

Nur wenige könnten mit dem Begriff „palliativ“ etwas anfangen. Und manches lasse sich besser durch Ausprobieren erklären. „Mundpflege“ für Sterbende zum Beispiel. Erleben sei besser als Erklären. „Etwa, wie gut es tun kann, den Mund befeuchtet zu bekommen.“

Caritas-Verein will Ängste nehmen

Man solle auch immer gefasst sein auf unerwartete Fragen. Beim Besuch im Friedwald zum Beispiel. Die behinderten Teilnehmer wollten genau wissen, wie eine Bestattung dort funktioniert. „Wird da einfach nur ein Loch gebuddelt und die Asche reingeschüttet?“ „Laufen dann Tiere über meinen Kopf?“ Oder: „Kann man da eine Messe feiern? Und darf dann auch meine Familie dabei sein oder kommt da nur der Förster?“

Keine Frage – das Interesse sei bei vielen Bewohnern und Beschäftigten vorhanden. Viele hätten auch selbst schon mit Tod zu tun gehabt, etwa beim Verlust von Angehörigen oder Arbeitskollegen. „Manche verbinden Ängste damit. Und wir möchten ihnen solche Ängste nehmen.“

Auch, indem die Menschen mit Handicap lernen, wie sie selbst helfen können, etwa in einem Workshop mit dem Titel „Am Lebensende – was kann ich tun?“ Dagmar Lügan: „Wo dann die Angehörigen später gesagt haben: Sie hat so toll die Hand gehalten! Weil sie es im Kurs gelernt hat.“

Niedersächsischer Hospiz-Award 2023
Für das innovative Konzept hat die „Hospiz Stiftung Niedersachsen“ gemeinsam mit dem Landes-Sozialministerium das inklusive Hospiz-Projekt des Caritas-Vereins Altenoythe beim diesjährigen „Hospiz Award“ mit dem 3. Platz in der Kategorie „Inklusive Hospizarbeit und palliative Versorgung“ ausgezeichnet. Das Preisgeld betrug 3000 Euro. Der Hospiz-Award wird seit fünf Jahren jährlich verliehen. Die „Hospiz Stiftung Niedersachsen“ wurde 2003 als ökumenisches Projekt von fünf evangelischen Kirchen und den drei katholischen Bistümern in Niedersachsen ins Leben gerufen. Der Caritas-Verein Altenoythe zählt mehr als 1800 Beschäftigte, Bewohner und betreute Menschen mit Beeinträchtigung in 55 Einrichtungen. Er ist damit der größte Träger für Behindertenhilfe im Landkreis Cloppenburg. Fast 900 Mitarbeitende sind dort tätig, außerdem unterstützen rund 350 Ehrenamtliche die Arbeit. (miro)

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