Themenwoche „Wie klappt's mit Inklusion in unseren Gemeinden?“ (7)

Wie steht es um die Inklusion im Bistum Münster, Herr Merkens?

Anzeige

Martin Merkens leitet die Fachstelle Lebensbegleitende Seelsorge im Generalvikariat des Bistums Münster. Durch Umstrukturierungen steht für die Seelsorge für Menschen mit Behinderung mittlerweile weniger Personal zur Verfügung. Im Interview erklärt er, welche Folgen das hat.

Herr Merkens, wie sieht es aus mit der Seelsorge für Menschen mit Behinderung im Bistum Münster?

Die Voraussetzungen haben sich durch die Umstrukturierung im Generalvikariat eher verschlechtert. Das Referat Seelsorge für Menschen mit Behinderung ist in der Fachstelle Lebensbegleitende Seelsorge aufgegangen, die ich leite. Das hatte personelle Auswirkungen: Von zwischenzeitlich zwei halben Stellen ist aktuell noch ein Anteil von etwa 30 Prozent meiner Stelle geblieben. Andererseits haben wir durch von uns seit über zehn Jahren angebotenen Qualifizierungskurse zur Seelsorglichen Begleitung inzwischen in vielen Einrichtungen engagierte teilfreigestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit kirchlicher Beauftragung zur Seelsorge. Außerdem gibt es auch in der Gehörlosenseelsorge im rheinisch-westfälischen Teil des Bistums immerhin noch eine Kollegin. Im oldenburgischen Teil des Bistums sind wir da aktuell noch etwas besser aufgestellt. Außerdem haben wir inzwischen Menschen mit Gehörlosigkeit zur Mitarbeit beim Gottesdienstangebot qualifiziert.

Welche Auswirkungen hat die reduzierte Personalressource auf die Angebote?

Es fühlt sich kaum jemand zuständig für die Belange von Menschen mit Behinderung. Für Fortbildung, Beratung und Unterstützung gibt es nur noch wenige Ansprechpartner. Auch in den Pfarrgemeinden. Ich habe mir mal die neuen Pastoralpläne angeschaut: Das Wort Inklusion kommt kaum vor. Es gibt nur wenige Pfarreien, in denen man ernsthaft von einer Idee der Inklusion sprechen kann. Das ist zu wenig.

Welche Unterstützung genau fehlt?

Über viele Jahre konnten wir Angebote machen, um in Abteilungen, Pfarreien und Gruppen im Bistum das Thema zu verorten. Wir haben dazu auch bistumsweite Inklusionsforen veranstaltet, die sehr gut angenommen wurden. Das war vor allem eine Sensibilisierungs-Arbeit für die Akteure vor Ort: Welche Gruppen brauchen welche Unterstützung? Das fehlt gerade jetzt besonders.

Warum gerade jetzt?

Martin Merkens leitet die Fachstelle Lebensbegleitende Seelsorge im Generalvikariat des Bistums Münster. | Foto: Michael Bönte
Martin Merkens leitet die Fachstelle Lebensbegleitende Seelsorge im Generalvikariat des Bistums Münster. | Foto: Michael Bönte

Wir haben im Augenblick in der Kirche mit so vielen Problemen zu tun, dass für die Menschen mit Behinderungen keine Ressourcen da sind. Auch in den Pastoralen Räumen drängen erst einmal andere Dinge. Wer keine Stimme hat, kommt dann nicht zu Wort. Das führt in vielen Pfarreien dazu, dass Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung erst dann wahrgenommen werden, wenn sie vor der Tür stehen. Das ist aber zu passiv. Es müssen grundsätzliche Vorkehrungen getroffen werden, um Diskriminierungs-Erfahrungen zu vermeiden.

Vernachlässigt das Bistum Münster damit die Angebote für Menschen mit Behinderung?

Es hat sich schon viel getan und tut es noch. Etwa das Streaming von Gottesdiensten mit Gebärdensprache aus dem Dom, die Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen in der Pastoral mit Menschen mit Behinderungen aus anderen Bistümern. Manche Veranstaltungen sind inklusiv geworden, vor allem der jährliche Studientag Behinderung und Glaube im Franz Hitze Haus. Aber es muss weitergehen. Es muss ein Prozess bleiben, es ist nie fertig. Auch weil sich die Rolle und das Selbstverständnis von Menschen mit Behinderung ändert.

Kann die Umsetzung auf der Ebene der Pfarrgemeinden und Abteilungen geleistet werden?

Das wäre wünschenswert. Aber dazu müsste es ein Querschnittsthema werden. Jeder muss sich dafür zuständig fühlen und sich immer wieder die Frage stellen: Wie können wir die Rechte und Möglichkeiten dieser Menschen umsetzen. Ist das eine unserer Prioritäten? Die Menschen vor Ort dürfen das Thema nicht wegdelegieren. Es muss fester Bestandteil ihres Plans sein. Solange das nicht selbstverständlich ist, bleibt der Unterstützungsbedarf.

Wie kann das Bistum diese Zielsetzung unterstützen?

Ich wünsche mir einen Aktionsplan, in dem durchbuchstabiert wird, wie die Rechte von Menschen mit Behinderung auch in der Kirche im Bistum Münster umgesetzt werden. Die UN-Behindertenrechtskonvention verpflichtet uns dazu. Und die ist schon 15 Jahre alt. Sie zeigt uns, wie wir als Kirche handeln müssen: so wie es im Evangelium steht. In anderen Bistümern gibt es Inklusionsbeauftragte, die Ansprechperson bei akuten, praktischen Problemen sind, etwa wenn es um Fragen der Barrierefreiheit geht oder Übersetzungen in Gebärdensprache oder in Leichte Sprache benötigt wird. Auch wir brauchen im Bistum Münster eine Inklusionsbeauftragte oder einen Inklusionsbeauftragten. Daneben braucht es weiterhin Mitarbeitende im Generalvikariat, die sich um die Qualifizierung, Begleitung, Vernetzung und fachliche Unterstützung Engagierter für seelsorgliche Belange von Menschen mit Behinderungen und Inklusion kümmern.

Anzeige