Themenwoche „Wie klappt's mit Inklusion in unseren Gemeinden?“ (3)

Gehörlose: Das Inklusions-Dilemma der lautlosen Seelsorge

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Musik, Lesung, Predigt – fast alles, was Gottesdienste ausmacht, können Taube nicht wahrnehmen. Gehörlosen-Diözesanpräses Wolfgang Schmitz über Auswege aus diesem Inklusions-Dilemma.

Natürlich ist er für Inklusion in der Seelsorge. „Und natürlich muss eine Gemeinde versuchen, alle mit einzubeziehen, ihnen deutlich zu machen, dass sie dazu gehören. Ganz klar!“, sagt Pfarrer Wolfgang Schmitz – fügt jedoch eine Einschränkung an: „Die Inklusion von Menschen mit Gehörlosigkeit in eine Pfarrei vor Ort hat einfach Grenzen.“

Der Diözesanpräses für Gehörlose für das Bistum Münster stellt zunächst klar, wen genau er meint: Menschen, die überhaupt nicht hören. Nicht etwa solche mit einer Schwerhörigkeit, denen eine Induktionsschleife oder spezielle Hörgeräte helfen können. „Gehörlos heißt taub“, bringt Schmitz es auf den Punkt. „Und da lässt sich Barrierefreiheit nur sehr bedingt herstellen.“

Gehörlosigkeit ist eine besondere Beeinträchtigung

Anders als zum Beispiel Rollstuhlfahrern. Wenn ihnen dank Aufzug, Rampe oder behindertengerechter Fahrzeuge das Miteinander in der Gemeinde – wenn auch eingeschränkt – möglich sei, sei das für Gehörlose etwa bei Gottesdiensten meist so gut wie ausgeschlossen. „Weil sie all das, was für Hörende den Gottesdienst ausmacht – das gesprochene Wort, die Musik, die Lieder – gar nicht wahrnehmen können.“

„Und deshalb braucht es besondere Angebote“, ist der Pfarrer der St.-Marien-Pfarrei im oldenburgischen Brake (Kreis Wesermarsch) überzeugt. Er selbst zum Beispiel ist dafür regelmäßig im Bezirk Niederrhein unterwegs, um dort Gehörlosen-Gottesdienste zu feiern. An anderen festen Orten, in Cloppenburg, Oldenburg, Wilhelmshaven, Coesfeld, Borken, Münster, Ochtrup, Rheine oder Recklinghausen, übernehmen Seelsorge-Kollegen, die die Gebärdensprache ebenfalls beherrschen, diese Angebote.

Nicht nur Gebärdensprache ist wichtig

Wolfgang Schmitz Diözesanpräses der Gehörlosenarbeit im Bistum Münster. Während seiner Zeit als Kaplan am Niederrhein hat er erstmals Gottesdienste mit Gehörlosen gefeiert und die Gebärdensprache gelernt. | Foto: Michael Rottmann
Wolfgang Schmitz ist Diözesanpräses der Gehörlosenarbeit im Bistum Münster. Während seiner Zeit als Kaplan am Niederrhein hat er erstmals Gottesdienste mit Gehörlosen gefeiert und die Gebärdensprache gelernt. | Foto: Michael Rottmann

Aber nicht nur die Gebärdensprache sei dabei wichtig, sagt Schmitz. Das gesamte Format müsse sich an die Möglichkeiten der Teilnehmer anpassen. „Meine Predigt etwa besteht nicht nur darin, dass ich etwas mit Gebärden erzähle, sondern, dass wir Bilder hineinnehmen, um alles anschaulicher zu machen.“ Daraus habe sich mittlerweile eine „eigene Gottesdienstkultur“ entwickelt, die von den bistumsweit etwa 300 bis 400 regelmäßigen Gottesdienstbesuchern geschätzt werde.

Schmitz´ Erfahrung: „Gehörlose treffen sich gerne auch untereinander, auch außerhalb von Gottesdiensten. Weil sie dann ihre gemeinsame Sprache sprechen können.“ In einer einzelnen Pfarrei seit dies selten möglich. Weil es zumeist nur sehr wenige Betroffene gebe. „Dort könnten sie diese Kultur gar nicht leben.“

Manchmal bringt er zwei Welten zusammen

Gehörlose im Bistum Münster
Experten gehen davon aus, dass etwa 0,1 Prozent der Menschen gehörlos sind. Das entspräche im Bistum Münster rund 1.700 Betroffenen. Etwa 300 bis 400 Gottesdienstbesucher haben die Gehörlosenseelsorger im Bistum Münster bei ihrer Bestandsaufnahme für einen Pastoralplan der Gehörlosenseelsorge gezählt.

Eigene Formate für Gehörlose sind daher nach seiner Ansicht der richtige Weg der Gehörlosenseelsorge. Damit sie angepasst an ihre Bedürfnisse Gemeinde erleben und Gottesdienst feiern könnten. Und auch, weil umgekehrt gelte: „Wenn wir sagen: Wir ändern in jeder einzelnen Gemeinde alles so um, dass Gottesdienste immer für alle verständlich sind, dann würde uns viel von unserer Hörenden-Kultur verloren gehen.“

Dennoch steht Schmitz ab und zu vor der Herausforderung, die Welten zusammenzubringen. Etwa bei Hochzeitsfeiern, wo Hörende und Gehörlose vertreten sind. „Dann spreche ich das mit dem Brautpaar ab und greife zu Liedern mit einfachen Texten, die man singen und gebärden kann, zum Beispiel: Meine Hoffnung und meine Freude. Oder wir lassen die Orgel an einigen Stellen spielen, und ich gebärde, oder wir zeigen Bilder.“

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