Themenwoche „Wie klappt's mit Inklusion in unseren Gemeinden?“ (1)

Wo Barrierefreiheit in Kirchen immer wieder an Grenzen stößt

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Manche Barrieren sieht man erst aus dem Rollstuhl. Deshalb fordert Waltraud Macke für Um- oder Neubauten von Kirchen und Pfarrheimen: „Wenn Ihr plant, dann plant mit uns!“

Sie sitzt immer vorne rechts, nah bei ihren Enkeln. „Im Rollstuhl dort hinzukommen ist in der Holdorfer Kirche mittlerweile kein Problem mehr“, sagt Waltraud Macke und drückt den Schalter am rechten Nebeneingang, der die schwere Eichentür automatisch aufgleiten lässt.

Die Fahrt durch die Tür ist dann zwar Zentimeterarbeit, aber es funktioniert. Auch auf ihrem Stammplatz ist genug Raum für die 73-Jährige und ihren Rollstuhl. Und mittlerweile sei auch die große Topfblume verschwunden, die ihr den Blick von der Seite auf den Altar versperrt hatte.

Inklusion ist nicht immer konsequent

„Die St.-Peter-und-Paul-Kirche und auch das Pfarrheim sind eben ein ziemlich gutes Beispiel für Barrierefreiheit“, sagt die 73-jährige ehemalige Krankenschwester, die seit etwa zehn Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Und aus ihren Kontakten zu anderen Rollstuhlfahrern weiß sie: „Viele Kirchen sind mittlerweile auf uns eingestellt.“

Wenn auch nicht immer konsequent. Waltraud Macke denkt zum Beispiel an die St.-Barbara-Kirche im Holdorfer Ortsteil Langenberg. Die sei innen im Prinzip ideal für Rollstühle, inklusive großer Sanitärräume im Pfarrheim. Nur eben bisher ohne automatische Türöffner. Und das bleibt weiterhin ein Problem für sie.

Barrierefreie Grundausstattung einer Kirche

In ihrem Wohnort Holdorf hat sie sich für die Installation eines automatischen Türöffners mit Schalter eingesetzt. | Foto: Michael Rottmann
In ihrem Wohnort Holdorf hat sie sich für die Installation eines automatischen Türöffners mit Schalter eingesetzt. | Foto: Michael Rottmann

„Wenn ich dort zum Seniorennachmittag will, dann muss ich warten, bis einer mich sieht und die beiden Türen aufmacht. Und wenn ich fünf Minuten zu spät komme, und mich keiner hört, dann komme ich gar nicht in die Kirche.“

Automatikschalter zur Türöffnung gehören für sie deshalb zwingend zur barrierefreien Grundausstattung einer Kirche. „Wenn man einmal weiß, wo der ist, ist das kein Problem“, sagt sie. In Holdorf seien auch die Gänge breit genug. Damit sich auf dem Weg zur Kommunion Gehende und Fahrende begegnen können, ohne sich gegenseitig zu behindern.

Vorschlag: Die erste Bankreihe rausnehmen!

Doch sie könnte sich auch noch weitere Verbesserungen vorstellen. „Wenn man Inklusion im Gottesdienst ernst nehmen würde, müsste man in manchen Kirchen die ganze erste Bankreihe herausnehmen, damit dort Rollstühle stehen können.“ Und nicht, wie oftmals, am Rand. Waltraud Macke nickt. „Das wäre ja leicht umsetzbar. Aber ich habe es fast noch nirgendwo gesehen.“

Aus ihren regelmäßigen Begegnungen mit anderen Rollstuhlfahrern kennt sie auch deren Probleme. Zum Beispiel vom Rollstuhlfahrertreff für den Landkreis Vechta. Einmal im Monat kommen in dieser Selbsthilfegruppe Betroffene und Angehörige zusammen, um gemeinsam Zeit zu verbringen. Oft im Pfarrheim einer Kirchengemeinde. Meistens samstags nachmittags. In den Gesprächen dort gehe es immer wieder auch um Barrierefreiheit.

Dringender Rat an die Planer

Die Einfahrt in die Kirche ist Zentimeterarbeit. Aber Waltraud Macke kommt gut hindurch. | Foto: Michael Rottmann
Die Einfahrt in die Kirche ist Zentimeterarbeit. Aber Waltraud Macke kommt gut hindurch. | Foto: Michael Rottmann

Die sei längst nicht überall umgesetzt, Kirchen bildeten da keine Ausnahme. Waltraud Macke lächelt nachsichtig, als sie erzählt. „Bei der standesamtlichen Hochzeit meiner Kinder im Rathaus mussten sie mich mit dem Rollstuhl die Treppe hochtragen.“ Und sie kennt noch weitere Beispiele: zu kleine Toiletten, keine Wendemöglichkeit, zu enge Türzargen, Bordsteinkanten.

Zweimal im Vierteljahr berät Waltraud Macke im Behindertenbeirat des Landkreises Vechta mit. Da geht es um alle Belange, die Menschen mit Behinderung betreffen, nicht nur Rollstuhlfahrer. „Zum Beispiel, wenn an einer Ampelanlage die Vorrichtung für Blinde fehlt, dann haken wir hinterher.“ Wichtige Dinge würden oft unbewusst vergessen. „Weil Planer oft das Auge nicht haben.“

Ihr dringender Rat lautet deshalb: „Wenn ihr für sie plant, dann nehmt Menschen mit Behinderung als Praktiker mit ins Team!“ Auch bei Pfarrheimen. „Zum Beispiel, weil sich die Mindestvorgaben oft auf ältere Schiebe-Rollstühle beziehen. Die neuen Modelle sind aber viel breiter.“ Waltraud Mackes Aufruf lautet deshalb: „Wenn Ihr plant, plant mit uns!“

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