Drei Fragen an Gerlinde Gregori vom Katholischen Blindenwerk

Wenn Menschen weder sehen noch hören können - wie hilft ihnen der Glaube?

Anzeige

Vom 12. August an kommen in Vechta Menschen mit mehrfachen Beeinträchtigungen aus ganz Deutschland zusammen: 22 sogenannte Taubblinde und Hörsehbehinderte. Bei einer vom Deutschen Katholischen Blindenwerk (DKBW) organisierten Kulturwoche werden sie unter anderem die Benediktinerinnenabtei auf Burg Dinklage besuchen. Gerlinde Gregori hat die Fahrt vorbereitet. Sie leitet ehrenamtlich das Taubblindenreferat beim DKBW und kennt die besonderen Schwierigkeiten der Betroffenen.

Frau Gregori, was ist die größte Herausforderung für Menschen, die gleichzeitig nicht richtig oder gar nicht sehen und nicht hören können?

In erster Linie die Kommunikation. Manche dieser Menschen waren zuerst gehörlos und sind erblindet. Sie kennen dann schon die normale Gebärdensprache und müssen dazu eine neue Form lernen, die auch mit Berührungen mit einem Assistenten arbeitet, sogenanntem „Taktilieren“. Andere benötigen das „Lormen“, eine besondere Form des Fingeralphabets, das in die Hand und die Finger „getippt“ wird. Und daneben gibt es Menschen, die sehbehindert waren und ertaubt sind, die also immerhin sprechen können, aber Hörhilfen oder Induktionsanlagen brauchen. Dazu kommt, dass der Verlust eines Sinnes oft als Prozess verläuft, den sie bewusst erleben und der manche in schwere seelische Krisen stürzen kann.

Welche Rolle spielen nach Ihrer Erfahrung Religion und Glaube für die Betroffenen?

Gerlinde GregoriGerlinde Gregori leitet ehrenamtlich das Taubblinden-Referat des Deutschen Katholischen Blindenwerks. Seit ihrer Geburt ist sie sehbehindert und inzwischen gänzlich blind. Das Foto zeigt sie 2019 bei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes. | Foto: Staatsministerium Baden-Württemberg

Für einige – nicht für alle – ist das sehr wichtig. Ich spüre das zum Beispiel Weihnachten, wenn sie mir schreiben. Oder bei schweren Erkrankungen, wenn sie mir in Briefen von sich und ihren Erfahrungen und Sorgen berichten. Deshalb sind auch Treffen wichtig, wo sie ein Stück weit Kirche spüren können und wie sie sich um Seele, Leib und Geist kümmert. Zum Beispiel, indem Kirche in einer gemeinsamen Woche erlebbar wird. Mit unseren Angeboten in der Blinden- oder Taubblindenseelsorge erhalten Betroffene in Angeboten wie Treffen und Fahrten Gelegenheit, aus ihrem „Schneckenhaus“ heraus und in Kontakt zu anderen zu kommen.

Sie bereiten auch Gottesdienste für taubblinde und hörsehbehinderte Menschen vor. Worauf kommt es da an?

Zum Beispiel, dass so ein Gottesdienst nicht zu wortlastig ist. Wenn etwa jemand dabei 20 Minuten predigen würde, dann müsste ein Assistent oder eine Assistentin das die ganze Zeit simultan in die Hand übersetzen. Das wäre so, als würden Sie Steno schreiben und ein anderer müsste das auf Anhieb verstehen. Das ist schwierig und da ist es oft besser, auf eine Eucharistiefeier zu verzichten, weil mitunter der Zusammenhang oder Inhalt nicht erschlossen ist. Stattdessen kann man einen kurzen Impuls geben. In manchen Fällen auch mit Musik, weil einige die Schwingungen durchaus noch spüren. Das ist aber von Gruppe zu Gruppe verschieden. Zusätzlich können Gegenstände oder Symbole helfen. Zum Beispiel ein Stein oder ein Kreuz, die Menschen betasten und fühlen können.

Anzeige