Interview mit einer der Delegierten aus dem Bistum Münster zur Zukunft der Kirche

Wie steht’s um den Synodalen Weg, Frau Stegemann?

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Viel hört man nicht vom Reformdialog in Deutschland. Zudem hat der Papst eine „Welt-Synode“ ausgerufen. Kerstin Stegemann ist Delegierte des Synodalen Wegs und will ihn weitertreiben – zusammen mit „Kirche+Leben“.

Frau Stegemann, der Synodale Weg wird immer wieder erwähnt, zuletzt im Zusammenhang mit dem inzwischen abgelehnten Rücktrittsgesuch von Kardinal Reinhard Marx. Konkretes hört man allerdings kaum. Wie sehen Sie das als Delegierte?

Das ist tatsächlich ein kleines Problem, das wir allerdings noch nicht geahnt haben, als wir die Satzung des Synodalen Weges verabschiedet haben. Dort ist vorgesehen, dass die Beratungsergebnisse der Foren nicht nach außen dringen, bis sie beschlossen sind. Das sollte einen gewissen Schutz in der Debatte bieten, damit Meinungen gut ausgetauscht werden können. Das ist im Prinzip eine gute Idee. Wir haben allerdings dadurch keine Chance, zwischen den Synodalversammlungen Positionen nach außen zu bringen. Das gilt übrigens auch für den Synodalen Weg selber. Es gibt Teilnehmende, die zwar Mitglieder der Synodalversammlung sind, aber keinem der Foren angehören. So sind sie auch nicht an diesen Diskussionen beteiligt und darauf angewiesen, dass sie Informationen erhalten, damit sie Rede und Antwort stehen können, wenn sie auf den Synodalen Weg angesprochen werden. Das Problem ist erkannt, aber da muss noch etwas passieren. Denn es ist tatsächlich so, dass die Aufmerksamkeit für den Synodalen Weg zwischen den Vollversammlungen sehr gering ist.

Machen wir's konkret: Was tun Sie derzeit für den Synodalen Weg?

Es passiert wirklich richtig viel. Das Forum „Macht und Gewaltenteilung“, in dem ich engagiert bin, trifft sich zurzeit fast alle vier bis fünf Wochen. Zwischendurch arbeiten die 25 bis 30 Menschen, die zu diesem Forum gehören, in verschiedenen Kleingruppen an Texten und Themen – natürlich nach wie vor immer in Video-Konferenzen. Diese Texte werden untereinander verschickt, ich muss sie lesen, Feedback geben, erneut verschicken. Ich bin also durchaus jede Woche mit dem Synodalen Weg beschäftigt. Zudem gibt es gerade in letzter Zeit viele Anfragen aus Verbänden und Gremien. Vor wenigen Tagen habe ich an einem Hearing von Jugendgruppen im Erzbistum Berlin teilgenommen, die sich mit dem Synodalen Weg ausei­nandersetzen wollten. Ich war bei einer Diskussion in St. Marien Telgte zum selben Thema, auch die Vollversammlung unseres Diözesankomitees hat sich damit beschäftigt. Viele wollen durchaus wissen, was da denn nun passiert, worauf sie hoffen können, was das für sie in den Gemeinden bedeutet.

Womit beschäftigt sich Ihr Forum „Macht und Gewaltenteilung“ konkret?

Es gibt ein recht umfangreiches Grundlagenpapier. Mit dem Thema sind wichtige Fragen verbunden: Wer hat in der Kirche Macht? Wer gibt sie ihm? Wie kann man das kontrollieren und begren­zen? Wie können Gläubige daran beteiligt werden? Wie können alle gemeinsam Kirche wirklich gestalten? Wie lässt sich Willkür verhindern? Welche Instanzen braucht es, damit Menschen, die Betroffene von Machtmissbrauch werden, auf Beschwerdestrukturen zurückgreifen können? Dazu gibt es konkrete Ideen.

Was passiert dann mit solchen Texten und Ideen?

Eine Gruppe verfasst einen Entwurf und legt ihn zur Diskussion vor. Dann wird der Text im Forum diskutiert. Menschen ganz unterschiedlicher Expertise schauen sich den Text an – bei uns beispielsweise Kirchenrechtler*innen, Politikwissenschaftler*innen, Theolog*innen und Menschen wie ich, die einfach in dieser Kirche engagiert sind. Wir achten auch auf die Sprache, damit der Text gut verständlich ist und nicht zu lang. So wird ein solcher Beitrag Schritt für Schritt und Absatz für Absatz geschliffen. Darüber hinaus gibt es Überschneidungen mit anderen Foren und deren Themen. Wir sprechen beispielsweise auch über bestimmte Berufsbilder, sodass sich etwa Schnittpunkte zum Forum „Pries­terliche Existenz“ ergeben. Das muss sich weiter herauskristallisieren – auch mit Blick auf die beiden anderen Foren, damit wir nicht im Zweifel parallele Texte vorlegen oder Verbindungen zu den anderen Themen fehlen.

Dann soll es jetzt noch eine Art „Welt-Synode“ geben, die Papst Franziskus ausgerufen hat und die schon im Herbst beginnen soll. Was bedeutet das für den Synodalen Weg in Deutschland – eine Konkurrenz, eine Ergänzung oder eine Korrektur?

Ich verstehe die „Welt-Synode“ am ehesten als Ergänzung des Synodalen Wegs. Die Ankündigung durch den Vatikan kam in der Tat für alle ziemlich überraschend, aber sie greift ja durchaus auf, dass in vielen Teilen dieser Welt Reformbedarf besteht. Das haben wir schon bei der Amazonas-Synode beobachten können. Es gibt sicherlich viele Themen, die wir auf dieser Welt-Ebene besprechen können und besprechen müssen, weil es auch um Fragen der Einheit der Kirche weltweit geht. Und doch gibt es Themen, die wir konkret hier für Deutschland spezifisch entscheiden, weil wir eigene Strukturen, eigene Kontexte, eigene Herausforderungen haben. Insofern kann der Synodale Weg gut wie geplant weitergehen. Auch wir fragen uns ja, an wen sich unsere Forderungen und Beschlussvorlagen eigentlich richten. Das sind in vielen Fällen die Diöze­sanbischöfe, die eine große Ausgestaltungsmöglichkeit der Bedingungen vor Ort haben, ohne eine weltkirchliche Abstimmung zu benötigen. Zugleich gibt die „Welt-Synode“ den Themen mehr Auftrieb, wenn auch der Papst es für wichtig hält, dass wir Reformen brauchen.

Die „Welt-Synode“ soll im Herbst in den Bistümern starten. Wie stellen Sie sich das für das Bistum Münster vor?

Gute Frage! Wir sollten uns auch bei uns in den verschiedenen diözesanen Räten, aber auch in der Frauenkommission, im Diözesankomitee, im Diözesanrat und in der Bistumsleitung gemeinsam Fragen stellen, wie wir dauerhaft miteinander arbeiten wollen, was unsere synodalen Strukturen sind. Ich würde mich freuen, wenn uns das gelänge. Aber noch ist das etwas schwierig, weil über die „Welt-Synode“ noch wenig klar ist.

Zurück zum Synodalen Weg: Wie könnte er mehr Kraft und Aufmerksamkeit bekommen?

Wir müssen schlichtweg mehr darüber sprechen und in den Foren klären, wie wir öffentlicher werden können. Das muss transparenter sein. Natürlich sind wir Synodalen aufgerufen, immer wieder davon zu berichten und so weiter zu tragen, was dieser Reformweg für die Gläubigen insgesamt bedeuten kann. Sie sind ja diejenigen, die unsere Kirche tragen.

Außerdem freue ich mich sehr, dass wir gemeinsam mit „Kirche+Leben“ eine Veranstaltung auf die Beine stellen, an der am 25. August um 19 Uhr alle Interessierten teilnehmen können. Dabei wollen wir mit Experten, Prominenten, Bistumsleitung und natürlich Synodalen darüber sprechen, was der Synodale Weg für das Bistum Münster bedeutet, welche Chancen daraus entstehen, wie wir mit Themen umgehen, die wir hier nicht allein entscheiden können, wo wir schon längst gut auf dem Weg sind, ohne eine Entscheidung darüber abgewartet zu haben, ob das erlaubt ist oder nicht. Dazu sind, wie gesagt, alle herzlich eingeladen – ob bei Ihnen im Medienhaus unter den möglichen Umständen oder per Live-Übertragung im Internet. Schön, dass wir das gemeinsam mit „Kirche+Leben“ anpacken!

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