Analyse: Prozess hat Potenzial für grundlegende Reform

Worum es Franziskus mit seiner "Welt-Synode" geht

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Franziskus ist nicht amtsmüde, im Gegenteil: Jetzt schickt der Papst die gesamte Weltkirche auf einen synodalen Weg. Das Projekt bietet die Chance, laufende Projekte wie etwa in Deutschland weltkirchlich besser einzubinden. Eine Analyse von Ludwig Ring-Eifel, Chefredakteur der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA), und von KNA-Rom-Korrespondent Roland Juchem.

Im März hatte Kardinal Mario Grech etwas herumgedruckst auf die Frage, wie es um die für Herbst 2022 angekündigte Bischofssynode steht. "Vor allem für eine Synode über Synodalität braucht es die Beteiligung eines größeren Personenkreises", deutete der Leiter des Synodensekretariats in Rom im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) eine Verschiebung an. Am Freitag nun ließ der Vatikan die Katze aus dem Sack: Die gesamte katholische Weltkirche mit ihren gut 1,3 Milliarden Mitgliedern schickt Papst Franziskus auf einen synodalen Weg.

Zwei Jahre lang soll die nächste Vollversammlung der Bischofssynode in Rom vorbereitet werden. Wobei die dezentrale und lokale Vorbereitung - auf Diözesan- und später auf Kontinentalebene - bereits Bestandteil der Bischofssynode ist. Diese Institution, von Papst Paul VI. 1965 geschaffen, traf sich bisher etwa alle zwei Jahre für drei Wochen in Rom. Sie wird nun "von einem Ereignis zu einem Prozess", so Grech.

 

Potenzial für grundlegende Reform

 

Das Thema wirkt auf den ersten Blick wie eine Nabelschau: "Was kennzeichnet eine synodale Kirche?" - das klingt zunächst nicht nach einem großen Wurf. Und doch hat es Potenzial für eine grundlegende Reform der bislang eher hierarchisch strukturierten Weltkirche. So sollen in jedem der mehr als 4.000 katholischen Bistümer Laien und Kleriker beraten. Die Ergebnisse verarbeiten Grech und sein Team zu einem ersten Arbeitspapier, das im zweiten Synodenjahr auf kontinentaler Ebene beraten wird. Daraus entsteht am Ende das Arbeitspapier ("Instrumentum laboris") für die Welt-Bischofsversammlung im Oktober 2023.

Synodalität, so betont Franziskus immer wieder, heißt: Aufeinander hören, um zu lernen, wohin Gottes Geist die Kirche führen will. Dabei grenzt er die Synode ab von einem Parlament. Statt um bloße Debatte und Mehrheitsentscheide geht es um Zuhören, Verstehen, Gebet und Reflexion - um am Ende zu Lösungen zu kommen, die von allen mit Überzeugung mitgetragen werden.

 

Anderer Ton als beim Synodalen Weg

 

Dabei gemeinsam zu beten und Eucharistie zu feiern, soll nicht nur helfen, Gottes Geist besser zu vernehmen. Es verändert auch Atmosphäre und Tonalität der Debatten. An dem Punkt unterscheiden sich derzeit die katholische Kirche in Deutschland und weite Teile der Weltkirche.

Die Synodalen in Deutschland diskutieren theologisch kontrovers, oft mit schneidend scharfen Argumenten und auch polemisch. In der Debatte wird unter dem Eindruck der Missbrauchskrise vieles radikal in Frage gestellt, was sich in Jahrhunderten an dogmatischen, moraltheologischen und kirchenrechtlichen Traditionen herausgebildet hat. In Rom, aber auch andernorts, wird das ehrgeizige Projekt beargwöhnt.

 

Die Chance der neuen Bischofssynode

 

Zwar malt nicht jeder gleich ein Schisma an die Wand. Doch etliche Kirchenvertreter, Kuriale und Beobachter können sich des Eindrucks nicht erwehren, nördlich der Alpen meine man immer noch, an deutschem Wesen solle die Welt(kirche) genesen. Schon früh merkten gutwillige Beobachter wie Luxemburgs Kardinal Jean Claude Hollerich an, den Anliegen des Synodalen Weges, die ja keine rein deutschen sind, käme es zugute, wenn dieser sich mit der Kirche in Nachbarländern besser vernetzen würde.

Die vom Papst angestoßene Bischofssynode bietet dazu die beste Gelegenheit. Deren Sekretär Grech betonte mehrfach, er stehe bereit, laufende synodale Projekte zu vernetzen - ob in Irland, Australien, Lateinamerika oder Deutschland. Das von Rom vorgeschlagene Prozedere ist so offen, dass bestehende Prozesse darin aufgenommen werden können.

 

Wem der Papst Beine machen will

 

Für Franziskus ist Synodalität eines der Hauptanliegen seines Pontifikats. Erste Ansätze dazu waren Fragebögen, die er vor den Familiensynoden 2014 und 2105 verschicken ließ. Es folgten eine internationale Vorsynode junger Menschen in Rom vor der Jugendsynode im Oktober 2018. Zur Amazonas-Synode 2019 gab es breite Konsultationsprozesse in Lateinamerika.

Entsprechend reformierte Franziskus im Herbst 2018 die Synodenordnung; und ruft nun etwas aus, das noch nicht klar zu fassen ist: einen weltkirchlichen synodalen Prozess, gar eine Welt-Synode? Neu ist nicht nur der geografische Umfang und stufenförmige Aufbau, sondern auch die Beteiligung von mehr Playern. Auch Nichtkleriker sollen sich einbringen - nicht nur in Bistümern. Auch Orden, geistlichen Gemeinschaften, katholischen Verbänden, Hochschulen und Fakultäten will Franziskus synodale Beine machen - und natürlich den eigenen Kurienbehörden in Rom.

 

Was wird's bringen?

 

Bleibt die Frage: Was wird's bringen? Franziskus schweben zunächst weniger thematische Entscheidungen vor, sondern ein anderer Stil des Miteinanders. Die katholische Kirche, die sich im zweiten Jahrtausend auf Papst und Hierarchie konzentrierte, könne nun die Synodalität der frühen Kirche wiederentdecken, sagt Grech. Ohne eine solche grundlegende Veränderung ihrer Entscheidungsstrukturen - so viel ist beim bisherigen Synodalen Weg in Deutschland klar geworden - wäre es kaum möglich, Dogmatik und Kirchenrecht umfassend weiterzuentwickeln.

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