Diskussion „Störfaktor Religion“ beim Katholikentag

Woelki und Kretschmann sehen Kreuz-Pflicht in Bayern kritisch

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sehen die neue Pflicht zum Aufhängen von Kreuzen in Behörden in Bayern kritisch. Das sagten sie beim Katholikentag in Münster.

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Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sehen die neue Pflicht zum Aufhängen von Kreuzen in Behörden in Bayern kritisch. „Ich finde es schwierig, so etwas einfach von oben zu verordnen“, sagte Woelki beim Katholikentag in Münster. Er persönlich würde das Kreuz in Behörden nicht vorschreiben wollen. Zugleich freue er sich natürlich, wenn er Menschen begegne, die ein Kreuz als Glaubenszeugnis tragen oder aufhängen.

Kretschmann sagte in derselben Diskussion, er plane keine Kreuz-Pflicht in den Behörden seines Bundeslands. Mit Blick auf den Beschluss der CSU-geführten Regierung in Bayern fügte er hinzu: „Es kommt immer darauf an, wer etwas zu welchem Zeitpunkt mit welchen Absichten macht.“ In Bayern läuft der Wahlkampf zur Landtagswahl am 14. Oktober.

 

Muslima warnt vor falscher Toleranz

 

Woelki und Kretschmann diskutierten über den „Störfaktor Religion“. Neben dem Kreuz war auch das islamische Kopftuch als potenzieller Störfaktor ein Thema. Der Ministerpräsident sprach sich gegen ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen aus. Religiöse Symbole dürften nicht aus dem öffentlichen Raum verdrängt werden, sagte er. Der Grünen-Politiker sieht auch kein Problem darin, dass zum Beispiel ein jüdischer Lehrer Kippa trägt. Gerade Schüler müssten lernen, es zu tolerieren, dass jemand etwas trage, das ihnen vielleicht sogar missfalle.

Die Muslima Seyran Ates, Gründerin einer liberalen Moschee in Berlin, warnte hingegen vor falscher gesellschaftlicher Toleranz. „Im Namen des Islams wird viel Religionsfreiheit eingefordert – vor allem von Menschen, die die Religionsfreiheit nicht akzeptieren“, sagte Ates. Unter anderem wegen solcher Standpunkte steht sie ständig unter Polizeischutz und hat Morddrohungen erhalten.

Ates warb für strikte staatliche Neutralität – auch an Schulen. Zugleich wünschte sie sich, dass Schüler in einem Unterrichtsfach alle Religionen kennen lernen – nicht nur die eigene.

 

Sind gesellschaftliche Werte christlich?

 

Der Künstler Jacques Tilly mahnte die Kirchen, die Werte der westlichen Gesellschaft nicht vorschnell als christlich zu vereinnahmen. Werte wie Meinungsfreiheit und Gleichberechtigung seien „gegen die Kirchen erstritten worden“.

Tilly ist Schöpfer zahlreicher provokanter Karnevalswagen im Düsseldorfer Rosenmontagszug. Er sagte, den meisten Protest habe vor Jahren ein Wagen mit Kritik an der Haltung des damaligen Kölner Kardinals Joachim Meisner zu Abtreibungen geerntet. Zugleich betonte er: „Nicht ich störe mich an der Religion, aber religiöse Menschen stören sich an meinen Werken.“

Er halte Religion für „Menschenwerk“. Deshalb „ist sie natürlich zu kritisieren“. Er betonte gleichwohl, er habe einen sehr klaren moralischen Kompass, „wie weit ich ,zu weit gehen‘ darf“. Er verwies unter anderem auf Persönlichkeitsrechte.

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