Bundesinnenministerium erarbeitet Zeitplan / Kirchen signalisieren Bereitschaft

Ampelkoalition will Ablösung der Staatsleistungen an Kirchen organisieren

  • Das Bundesinnenministerium arbeitet derzeit an einem Zeitplan für die Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen.
  • Die Staatsleistungen gehen zurück auf das Jahr 1803, als zahlreiche Kirchengüter enteignet und verstaatlicht wurden.
  • Katholische und evangelische Kirche signalisieren bereits seit einiger Zeit Bereitschaft zu Ablösung dieser Leistungen.

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Das Bundesinnenministerium arbeitet derzeit an einem Zeitplan für die Vorlage eines Gesetzentwurfes zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen. Das erklärte ein Sprecher des Ministeriums am Mittwoch in Berlin.

SPD, Grüne und FDP hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag auf eine solche Ablösung verständigt. Darin heißt es, dass die neue Bundesregierung im Dialog mit den Ländern und den Kirchen "einen fairen Rahmen für die Ablösung der Staatsleistungen schaffen" wolle.

Kirchen erklärten Bereitschaft zur Ablösung

Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatten FDP, Grünen und Linkspartei eine entsprechende Gesetzesvorlage erarbeitet, die im Bundestag allerdings scheiterte. Die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland erhalten neben den Kirchensteuern sogenannte Staatsleistungen, die sich im Jahr 2020 auf rund 550 Millionen Euro beliefen.

Die Kirchen haben ihren grundsätzlichen Willen für eine Ablösung bekundet, zuletzt tat dies der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, in der Talksendung "Anne Will" am Sonntagabend. Zum Thema Staatsleistungen sagte er dort, "weg damit, sie sind heute für niemanden mehr verständlich".

Erklärt: Was sind Staatsleistungen?

Viele katholische Bistümer und evangelische Landeskirchen erhalten aus historischen Gründen regelmäßig Geld von Bundesländern. Die meisten dieser sogenannten Staatsleistungen gehen zurück auf das Jahr 1803: Damals wurden zahlreiche Kirchengüter auf der rechten Rheinseite enteignet und verstaatlicht.

Nutznießer waren deutsche Reichsfürsten, die damit für Gebietsverluste an Frankreich auf der linken Rheinseite entschädigt wurden. Diese rechtswidrige Enteignung war eine der größten Vermögensumschichtungen der deutschen Geschichte. Die Fürsten als Nutznießer verpflichteten sich im Gegenzug, den Kirchen regelmäßige Unterhaltszahlungen zum Bestreiten ihrer Aufgaben zu leisten.

550 Millionen Euro jährlich

Diese "altrechtlichen" Staatsleistungen umfassen Geld- oder Sachmittel, in manchen Fällen aber auch die Übernahme von Gehältern für Bischöfe, Domherren und Zuschüsse zu Pfarrergehältern. Diese Dotationen wurden später von den deutschen Ländern übernommen, teils in pauschalierter, vereinfachter Form. Seit der Wiedervereinigung 1990 erhalten auch die Kirchen in Ostdeutschland wieder diese Zahlungen; die DDR war diesen Verpflichtungen nur vereinzelt nachgekommen.

Für die beiden großen Kirchen zusammen machen diese Staatsleistungen jährlich etwa 550 Millionen Euro aus; davon gehen etwa 60 Prozent an die evangelischen Landeskirchen. Von diesen historisch bedingten Zahlungen, die von den Steuerzahlern aufgebracht werden, ist zu unterscheiden das Recht der Kirchen, von ihren Mitgliedern Beiträge ("Kirchensteuern") zu erheben. Diese werden über die staatlichen Finanzämter eingetrieben.

Diskussion laufen bereits

Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 bestimmte in Artikel 138, dass die Staatsleistungen durch Landesgesetze "abgelöst werden" sollen. Die Grundsätze hierfür muss die Bundesebene festlegen. Das Grundgesetz übernahm 1949 in Artikel 140 diese Verpflichtung. Derzeit gibt es in mehreren Bundesländern und auf kirchlicher Seite Diskussionen über die Ablösung.

Bis zu einer Realisierung wird die bloße Fortdauer der jährlichen Zahlung nicht als Abgeltung gewertet, denn rechtlich handelt es sich um eine zeitlich unbegrenzte Unterhaltszahlung, nicht aber um einen Schadenersatz.

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