Unsagbarer Reichtum und trotzdem Unterstützung vom Staat?

Sieben Vorurteile über die Kirche und das Geld - Was ist dran?

Die katholische Kirche schwimmt in Geld, lässt sich trotzdem ihre Kindergärten und Krankenhäuser vom Staat bezahlen. Soweit die Vorurteile. Was ist da dran? Der Finanzchef des Bistums Münster, Ulrich Hörsting, stellt sich ihnen.

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Die katholische Kirche schwimmt in Geld, lässt sich trotzdem ihre Kindergärten und Krankenhäuser vom Staat bezahlen, ist Eigentümerin von teuren Immobilien - das hat mit Bescheidenheit nichts zu tun. Soweit die Vorurteile. Was ist da dran? Der Finanzchef des Bistums Münster, Ulrich Hörsting, stellt sich ihnen.

Die katholische Kirche in Deutschland ist reich.

Im Vergleich zu den Kirchen in anderen Staaten ist die Kirche in Deutschland tatsächlich finanziell besser aufgestellt. Aber keine Kirche nimmt so viele Aufgaben wahr wie die deutsche Kirche. Hier ist vor allem an die vielen sozialen Einrichtungen, die Schulen und die Tageseinrichtungen für Kinder zu denken. Die beiden großen Kirchen sind nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland. Daher kann man die Situation in Deutschland nicht mit anderen Staaten vergleichen. Es ist jedoch absehbar, dass die Kirchensteuereinnahmen deutlich zurückgehen werden. Daher müssen wir uns bereits jetzt Gedanken machen, wie wir dieser Herausforderung begegnen können.

 Dem Bistum Münster gehören zahlreiche wertvolle Ländereien.

Das Bistum hat wenig Immobilienvermögen. Die Ländereien gehören in der Regel den Kirchengemeinden vor Ort; daher fließen diesen auch die Einnahmen daraus zu. Davon gibt es eine Ausnahme. Früher wurden die Pries­ter von den Kirchengemeinden bezahlt. Dem dienten die Pachteinnahmen aus dafür bestimmten Fondsvermögen. Da die pas­toralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen heute unmittelbar durch das Bistum bezahlt werden und der Zweck dieser Fonds entfallen ist, führen die Kirchengemeinden die Hälfte der Einnahmen aus diesen Fonds ans Bistum ab. Pachteinnahmen decken aber nur zum geringen Teil die Ausgaben der Pfarreien. Sie sind darauf angewiesen, dass ihnen in erheblichem Umfang Kirchensteuermittel zugewiesen werden.

Der Staat zahlt den Bis­tümern jedes Jahr riesige Summen für die Gehälter des Bischofs und anderer Mitarbeiter.

Ulrich Hörsting.
Ulrich Hörsting ist Leiter der Hauptabteilung Verwaltung im Bischöflichen Generalvikariat Münster. | Foto: pbm

Aufgrund historischer Verpflichtungen zahlt das Land Nord­rhein-Westfalen dem Bistum Münster rund 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Diese Staatsleistungen haben ihren Ursprung in Enteignungen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Da aufgrund dieser Enteignungen der Kirche die Mittel für den Unterhalt des Bischofs und des Domkapitels fehlten, wurden die Landesherren, denen die Enteignungen zugute gekommen waren, verpflichtet, Unterhaltszahlungen zu leisten. Angesichts eines Haushaltsvolumens des Bistums von rund 681 Millionen Euro (Haushaltsjahr 2020), das sich zum größten Teil aus den Kirchensteuereinnahmen speist, kann bei 2,5 Millionen Euro aus Mitteln des Landes Nordrhein-­West­falen (NRW) nicht von riesigen Summen gesprochen werden.

Die Staatsleistungen stammen aus dem 19. Jahrhundert und sind längst nicht mehr zeitgemäß.

Weil der Ursprung der Ansprüche mehr als 200 Jahre zurückliegt, werden die Staatsleistungen von vielen als nicht mehr zeitgemäß angesehen. Da die Kenntnis über die geschichtlichen Zusammenhänge verblasst, wird häufig angenommen, dass es sich um freiwillige Leistungen des Staates handeln würde. Es handelt sich aber um Verpflichtungen des Staates gegenüber den Kirchen, die auf Dauer angelegt waren.  Obwohl die Rechtslage also eindeutig ist und auch vom Land in keiner Weise angezweifelt wird, haben die Kirchen dem Land NRW signalisiert, dass man bereit sei, über eine Ablösung der Staatsleistungen zu verhandeln; mit einer solchen Vereinbarung käme man auch dem ins Grundgesetz übernommenen Auftrag der Weimarer Reichsverfassung nach, die Rechtslage zu bereinigen.

Kirchliche Krankenhäuser, Schulen und Kindergärten werden fast ausschließlich vom Staat finanziert. Warum dieses Privileg?

Nach den geschichtlichen Erfahrungen hat man sich in Deutschland dafür entschieden, dass der Staat nicht alle Leistungen selbst erbringt und zentral lenkt. Vielmehr sollen freie Träger in einer pluralen Gesellschaft vielen gesellschaftlichen Strömungen Raum geben. Ziel ist also, staatliche Aufgaben – wie die Kinderbetreuung – von freien Trägern durchführen zu lassen. Dafür muss der Staat diese Träger aber in die Lage versetzen, dies auch tun zu können, das heißt, er muss diesen Trägern die dafür notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellen. Im Rahmen der Gleichbehandlung der unterschiedlichen Träger haben katholische Einrichtungen die gleichen Ansprüche auf Finanzierung wie die Einrichtungen anderer Träger. Dies ist kein Privileg, sondern folgt den Grundsätzen der Gleichbehandlung.

Teilweise leisten kirchliche Träger aber mehr als andere. So ist der Finanzierungsanteil der Kirchen bei Tageseinrichtungen für Kinder höher als der anderer Träger. So beteiligt sich das Bistum Münster bei der Kindergartenfinanzierung Jahr für Jahr mit rund 36 Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln an der Finanzierung.

Dass Kirche und Staat getrennt sind, stimmt nicht. Denn der Staat zieht für die Kirchen die Steuer ein.

Das deutsche Verfassungsrecht geht  – anders als in Frankreich – davon aus, dass sich Staat und Kirche gegenseitig unterstützen. Dabei behandelt der Staat alle Religionsgemeinschaften gleich, denn er zieht nicht nur die Kirchensteuer für die beiden großen Kirchen ein, sondern handelt entsprechend bei den Beiträgen, die die Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften zu leisten haben. Die Finanzverwaltung erhält für den Einzug der Kirchensteuer eine Vergütung von drei Prozent der Kirchensteuereinnahmen. Die  Kirchen bezahlen den Staat also für diese Tätigkeit.

Ohne Kirchensteuer wäre die Kirche glaubwürdiger und könnte das Evangelium besser verkünden.

Sicherlich kann man sich auf den Standpunkt stellen, eine arme Kirche wäre glaubwürdiger. Dies ist aber zu kurz gesprungen. Eine arme Kirche könnte die vielfältigen Leistungen nicht erbringen. Man denke nur an die vielen sozialen und pastoralen Einrichtungen. Beispielhaft seien die pastoralen Dienste, die vielen Menschen gerade in schwierigen Lebenslagen Halt geben, genannt – etwa die Krankenhaus- oder Notfallseelsorge. Auch mit den Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen, den vielfältigen Angeboten der Jugend- und Erwachsenenbildungsstätten, den Familienbildungsstätten, unseren Tageseinrichtungen für Kinder und unseren Schulen nehmen wir wichtige Aufgaben innerhalb der Kirche, aber auch für die gesamte Gesellschaft wahr. Alles das wäre ohne finanzielle Mittel nicht oder nicht im heutigen Umfang möglich. Was alles wegfallen würde, wenn die Kirchen sich aufgrund zurückgehender finanzieller Mittel aus vielen Lebensbereichen zurückziehen müssten, würde vielen erst bewusst, wenn es aufgrund geringer werdender Finanzmittel umgesetzt werden müsste. Jeder, der eine arme Kirche als Ideal ansieht, sollte sich dies vor Augen führen.

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