Bischofskonferenz-Vorsitzender zur Rolle Ratzingers beim Thema Missbrauch

Bätzing kritisiert Benedikt XVI.: „Jetzt ist die Zeit der Wahrheit“

  • Nach Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens hat sich die Spitze der Deutschen Bischofskonferenz zu Benedikt XVI. geäußert.
  • Der Vorsitzende Georg Bätzing sprach von einem „desaströsen Verhalten“.
  • Bätzings Stellvertreter Franz-Josef Bode rief den früheren Papst zu einer erneuten Stellungnahme auf.

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Nach Veröffentlichung des Münchner Missbrauchsgutachtens hat sich die Spitze der Deutschen Bischofskonferenz zu Benedikt XVI. geäußert. Die Studie bescheinigt Joseph Ratzinger, von 1977 bis 1982 Münchner Erzbischof, und weiteren Erzbischöfen Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern und fehlende Sorge für Geschädigte.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sprach von einem „desaströsen Verhalten“ und erwähnte in dem Zusammenhang ausdrücklich auch Benedikt XVI. „Vertuscht, verdeckt wurde lange genug“, sagte der Limburger Bischof am Freitagabend in einem Gottesdienst in Trier. „Jetzt ist die Zeit der Wahrheit.“ Nur sie bringe Freiheit und möglicherweise auch neues Vertrauen für die Kirche.

Bode: Benedikt XVI. muss sich noch einmal äußern

Bätzing sagte, auch ihn würden Aussagen erreichen wie „Ich muss mich doch rechtfertigen in meiner Familie, in meinem Freundeskreis, in meinem Verwandtenkreis, dass ich noch zu diesem Verein gehöre“. Angesichts der Münchner Studienergebnisse müsse er eingestehen: „Manchmal schäme ich mich auch, dass wir eine solche Vergangenheit gehabt haben.“

Der stellvertretende Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Franz-Josef Bode, sagte mit Blick auf die Vorwürfe gegen Joseph Ratzinger, den späteren Papst Benedikt XVI.: „Ich denke, dass der emeritierte Papst Benedikt sich da noch mal zu äußern muss.“ Auch die weiteren noch lebenden Amtsträger wie etwa Kardinal Reinhard Marx, denen Fehler angelastet werden, müssten sich dazu verhalten.

Zollner zu Benedikt XVI.: „Überidentifikation“ mit Institution Kirche

In Ratzingers Zeit als Münchner Erzbischof habe in der Kirche die Täter- und Institutionsperspektive im Vordergrund gestanden, so Bode am Freitag bei einem Pressegespräch in Osnabrück. „Das weiß ich selber aus meiner langen Bischofszeit, und das wird hier noch mal in einer drastischen Weise deutlich.“

Eine ähnliche Begründung für das Verhalten Benedikts XVI. nennt der vatikanische Kinderschutz-Experte Pater Hans Zollner. Es habe „mit der Überidentifizierung mit der Institution und mit einem einseitigen Kirchenbild zu tun: als ob alles nach außen hin makellos sein müsste“, sagte der Leiter des Instituts für „Safeguarding“ in Rom der Zeitung „Welt am Sonntag“. Das betreffe auch die Rolle des vormaligen Erzbischofs Ratzinger, heute Benedikt XVI.

Zweifel an Benedikts vorliegenden Aussagen

Dieser hatte auf 82 Seiten Fragen der Münchner Gutachter beantwortet und eigene Fehler bestritten. Es gibt jedoch Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen. Während Ratzinger angibt, an einer Sitzung im Fall des Intensivtäters Peter H. nicht teilgenommen zu haben, legt ein Sitzungsprotokoll, das die Gutachter auch Ratzinger vorlegten, das Gegenteil nahe.

Die Bischöfe Bätzing und Bode äußerten sich aus eigenem Impuls und auf Nachfrage zum Münchner Gutachten. Eine Stellungnahme der Bischofskonferenz gibt es bisher nicht.

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