Pfadfinderinnen in Ottmarsbocholt erinnern sich ihr Projekt vor einem Jahr

Blumenwiesen der 72-Stunden-Aktion gegen den Corona-Blues

Die Pfadfinderinnen aus Ottmarsbocholt pflanzten bei der 72-Stunden-Aktion 2019 Wildblumenwiesen. Ein Jahr später erinnern sie sich gern daran. Das hilft gegen jeden Lockdown-Blues.

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Es gibt für Katharina Weppelmann keinen Weg daran vorbei. Egal welche Strecke sie durch Ottmarsbocholt wählt, irgendwo sieht sie immer eine Wildblumenwiese. Jene Flächen, die jetzt in voller Blüte stehen. Mohn, Kornblumen, Kamille – bunt und frisch. Das sind für sie Moment zum Durchatmen, gerade in Zeiten von Corona. Aber auch, weil sie jedes Mal daran erinnert wird, wie schön es vor genau einem Jahr war, ohne Lockdown.

Denn die Wiesen haben eine Geschichte. Es ist auch die Geschichte von Weppelmann und ihrer Gruppe von 15 Mädchen aus dem Stamm der Pfadfinderinnenschaft St. Georg (PSG) in Ottmarsbocholt. Sie und weitere 50 Messdiener und Pfadfinderinnen pflanzten sie damals. Vorher waren das einfache Rasenflächen. Dann kam die 72-Stunden-Aktion im Mai 2019. Und drei Tage später, nach vielen Stunden schweißtreibender Arbeit, war alles gelockert, gesät und wieder verdichtet.

 

Gemeinschaftserlebnis a la Pfadfinderinnen

 

„Das Wetter war genauso schön wie jetzt auch“, erinnert sich die 37-Jährige. Aber unter anderen Vorzeichen. Ohne Kontaktbeschränkungen und Hygiene-Auflagen war ein Gemeinschaftserlebnis a la Pfadfinderrinnen noch möglich. Von der Planung bis zum Abschlussgottesdienst wurde viel gelacht, gefeiert, manchmal auch auf die schwere Arbeit geschimpft. „Genau das ist es, was meinen Mädels jetzt fehlt.“

Derzeit läuft fast alles über Skype oder WhatsApp. „Das kann solche Erlebnisse aber niemals ersetzen.“ Der Satz einer Pfadfinderin beschreibt das für Weppelmann am besten: „Was mir am meisten fehlt, ist das Lagerfeuer.“ Es ist eine Zeit der Erinnerungen und der Hoffnung, dass das alles bald wieder möglich ist.

 

Harte Arbeit und Papas Hilfe

 

Die Erinnerungen an den Mai 2019 helfen gegen den Lockdown-Blues. Weppelmann muss immer wieder lachen, wenn sie daran denkt. „Die Mädels sind mit Haken und Schaufeln losgezogen und haben stundenlang versucht, die Erde auf den Flächen zu lockern.“ Mit wenig Erfolg. Irgendwann standen sie bei ihrer Gruppenleiterin und meldeten Ernüchterung. „Es war kaum eine Veränderung zu sehen.“

Wie gut, dass es Väter und Onkel gab, die auf ihren Höfen schweres Gerät besaßen. Der Schlepper mit der Kreiselegge rückte an und der trockene, Harte Boden hatte keine Chance mehr. Erst jetzt konnten die Blumensamen gestreut werden, kiloweise von der Kommune gespendet. „Die nächste Herausforderung wartete aber schon“, sagt Weppelmann. „Die Flächen mussten sofort gewässert werden.“

 

Wasser aus Nachbars Garten

 

In Ottmarsbocholt läuft viel über WhatsApp-Gruppen – auch in Zeiten ohne Corona-Virus. Und so war es ein Leichtes, Schläuche und Kupplungen zu bekommen, mit denen aus den benachbarten Gärten Wasser auf die Wiesen gepumpt werden konnte. „Manchmal über hundert Meter weit“, erzählt Weppelmann. „Um dann über 500 Quadratmeter mit Wasser zu versorgen.“ So groß war allein die Wiese, für die sie mit ihren Pfadfinderinnen zuständig war. „Das war richtig viel Arbeit.“

Am Ende wurden noch Insektenhotels gebaut und Schilder bemalt: „Flower Power“ oder „Don´t worry, be happy!“. Denn die Wiesen sollten als die nachhaltigen Projekte erkennbar bleiben, damit sie zur Heimat für Insekten und Kleintiere werden konnten. Oasen für die Natur, die in heutigen Zeiten wichtiger sind denn je.

 

Schützenbrüder halfen mit ihren Füßen

 

Die Begeisterung in Ottmarsbocholt war groß, als das erste Grün Spross. Vorher gab es aber noch einmal leichte Irritation. Denn eine Fläche, die bald bunt erblühen sollte, war eigentlich der Platz, an dem die Schützenbrüder vor dem Schützenfeste antreten wollten. Aber auch das war letztlich kein Problem. „Die Wiesen mussten ohnehin noch einmal verdichtet werden“, erinnert sich Weppelmann. „Das konnten die Schützenbrüder dann mit ihren Füßen erledigen.“ Don´t worry, be happy!

Nachhaltig ist das Projekt geblieben – für die Natur wie für die Teilnehmer. Denn die Gedanken an das Gemeinschaftserlebnis sind wichtig und geben auch im Lockdown neue Impulse. „Wir hatten damals ein großes Banner bemalt und an unserer Kirche aufgehängt“, sagt Weppelmann. Eine Idee, die vor wenigen Wochen noch einmal aufgegriffen wurde. Die Pfadfinderinnen organisierten wieder ein großes Laken, auf dem jeder in Ottmarsbocholt sich mit seinem Handabdruck verewigen durfte. „Gut organisiert, um die Corona-Regeln einzuhalten.“ Die Aktion zog schnell Kreise, natürlich über WhatsApp. Am Ende war kaum mehr Platz für die als Regenbogen angeordneten Abdrücke. Der hängt jetzt am Portal der Kirche, wie das Banner vor einem Jahr.

 

Die Mathematik des Lagerfeuers

 

Vielleicht gibt es in den kommenden Wochen, in denen Gruppenstunden und Ausflüge noch nicht möglich sind, noch ähnliche Aktionen bei den Pfadfinderinnen in Ottmarsbocholt. Von ihren gemeinsamen Sommerferien mussten sie sich aber verabschieden. „Wir wären mit der Kutsche durch Ungarn gereist, hätten in den Pferdewagen geschlafen.“ Ein solches Erlebnis ist sicher nicht zu ersetzen. Aber das Lagerfeuer, das hat Weppelmann noch nicht ganz aufgegeben. Sie ist Mathe-Lehrerin und rechnet derzeit genau, wie die Anordnung der Teilnehmer dann aussehen müssten, damit der Mindestabstand eingehalten würde. „Mit der Zahl Pi, dem Radius und den Umfang des Kreises um den Mittelpunkt, dem Feuer.“

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