Stefan Jürgens zu Macht in der Kirche

Das Ende der Monarchie - so muss sich die katholische Kirche verändern

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Auch heute noch ist die katholische Kirche eine absolutistische Monarchie, allerdings ist die moralische Autorität dahin. Macht muss kontrollierbar werden, fordert Pfarrer Stefan Jürgens in seinem Gast-Kommentar.

Monarchien funktionieren so lange, bis man hinter ihre Kulissen schauen kann. Nur bis zu diesem Punkt wird es den Untertanen möglich sein, zu ihren Machthabern aufzuschauen. Ist die Kulisse einmal weg, wird die Revolution nicht lange auf sich warten lassen. Bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Europa regierende Monarchien, seitdem gibt es nur noch repräsentative. Die Herrschenden hatten sich als unfähig erwiesen und sich geradezu lächerlich gemacht. Sie wurden durch Demokratien abgelöst und verschwanden schnell in der Mottenkiste der Geschichte.

Weltliche und kirchliche Monarchen waren einmal durch göttliche Autorität legitimiert. Adelige fühlten sich bevorzugt, Kleriker erwählt. Dadurch standen sie über dem Gesetz und waren über jeden Zweifel erhaben. Sie konnten so viel Unsinn verbreiten, wie sie wollten: Gottesgnadentum oder Weihe verliehen eine unumstößliche Macht.

Moralische Autorität der Kirche ist dahin

Der Autor
Stefan Jürgens ist Leitender Pfarrer in Ahaus.

Die katholische Kirche ist eine absolutistische Monarchie. Sie wird regiert von Papst und Bischöfen, deren Autorität aufgrund der Weihe als unumstößlich gilt. Dadurch können sie so viel Schaden anrichten, wie sie wollen: Sie bleiben im Amt. Der Glaubenssinn des Gottesvolkes und der Synodale Weg sind ohne das Votum der Kirchenmonarchen keinen Pfifferling wert. Nichtgeweihte Katholiken bleiben abhängige Untertanen.

Durch die Gutachten zur sexuellen Gewalt kann die Weltöffentlichkeit mittlerweile hinter die klerikale Kulisse schauen. Die moralische Autorität ist dahin, die Glaubwürdigkeit der Hierarchie ruiniert, die fromm getarnte Inkompetenz einiger Mitraträger entlarvt. Sie beschädigen das Ansehen der Botschaft, die sie verkünden, und der Institution, für die sie stehen. Ein Schicksal wie dasjenige der letzten weltlichen Monarchen am Vorabend der Revolutionen. Die historische Parallele ist erschütternd.

Jürgens: Begrenzte Macht wird kontrollierbar

Christen sollen die Zeichen der Zeit sehen und darin das Wirken des Heiligen Geistes. Ob es höchste Zeit ist für wirkliche Demokratie in der Kirche, für zeitlich begrenzte Ämter, selbstverständlich auch für Frauen? Für ein Amt, das weniger ontologisch „von oben“ und mehr funktional „von unten“ begründet wird? Das als ganz normaler Beruf gilt, mit Berufung, aber ohne magische Überhöhung?

Erst wenn Macht begrenzt ist, wird sie kontrollierbar. Die Kathedra wird moralisch weniger wackeln, wenn diejenige Person, die darauf sitzt, nach jeweils zehn Jahren zurücktreten muss. Der frische Wind, der dadurch entsteht, wird viele aufatmen lassen.

In unseren Gastkommentaren schildern die Autor:innen ihre persönliche Meinung zu einem selbst gewählten Thema. Sie sind Teil der Kultur von Meinungsvielfalt in unserem Medium und ein Beitrag zu einer Kirche, deren Anliegen es ist, die Zeichen der Zeit zu erkennen.

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