Anzeige
Der Warendorfer Kreisdechant Peter Lenfers schlägt Alarm: Die Kita-Träger seien „finanziell am Ende“. Das gelte nicht nur für seine Region, sondern fürs ganze Land – und sei dem nicht auskömmlichen Finanzierungssystem geschuldet.
Für den Warendorfer Kreisdechanten Peter Lenfers ist das, was Antonius Hamers, Leiter des Katholischen Büros in Düsseldorf, in seinem Kirche+Leben-Gastkommentar zur Kita-Finanzierung schreibt, „handzahm“, es hebe „die derzeitige Brisanz und Dramatik nicht adäquat ins Wort“. Lenfers formuliert es in einem Facebook-Kommentar deutlich zugespitzter: Die Kita-Träger stünden „mit dem Rücken zur Wand“ und seien „finanziell am Ende“.
Lenfers weiß, wovon er redet: Seit 14 Jahren, sagt er, habe er sich mit der chronischen Unterfinanzierung der Kitas zu beschäftigen, ganz gleich, wer gerade in Düsseldorf die Landesregierung stelle. Prognostiziertes Defizit der katholischen Kita-Einrichtungen im Dekanat Warendorf für das Kita-Jahr 2023/24: 2,3 Millionen Euro.
Hamers: Träger bleiben auf Kosten sitzen
Hamers hatte das Finanzierungs-Problem der Kitas so umrissen: Finanziert würden die Kitas neben einem Träger-Eigenanteil (Kirche 10,3 Prozent, andere Träger zahlen weniger) in Nordrhein-Westfalen über Kindpauschalen nach dem Kinderbildungsgesetz (KiBiz), die einmal jährlich angepasst würden. „Angesichts leerer öffentlicher Kassen und stark steigender Kosten bei Energie und Instandhaltung, aber auch durch die erforderliche Ausweitung des Betreuungsangebotes ist das System derzeit nicht auskömmlich finanziert.“
In der Folge blieben die Träger auf Kosten sitzen. Zwar habe das Land ein Hilfspaket von 100 Millionen Euro aufgelegt, doch sei dies für die einzelne Kita „nicht viel mehr als der Tropfen auf dem heißen Stein“, so der Leiter des Katholischen Büros.
Dekanat Warendorf: Defizit liegt bei rund 2,3 Millionen Euro
Für Lenfers ist das noch allzu freundlich formuliert. Am Beispiel des Dekanats Warendorf lässt sich die Dramatik der Situation zeigen. 29 katholische Kitas gibt es dort, und die, so Lenfers, gerieten immer mehr in Schieflage. Laut Hochrechnung werde das Defizit für die Einrichtungen, die insgesamt 2.053 Plätze bereithalten, in den Jahren 2023/24 etwa 2,3 Millionen Euro betragen. Da bleibt nur, was nicht nur Lenfers, sondern auch viele andere Träger-Vertreter und lokale Sozialpolitiker immer nachdrücklicher fordern: eine nachhaltige Reform der Rahmenbedingungen im KiBiz.
Was in Hamers’ Gastkommentar „nicht auskömmlich finanziert“ heißt, liest sich auf Warendorfer Verhältnisse heruntergebrochen so: Die Defizite der 29 Kindertagesstätten in 2023/24 werden in den meisten Fällen alle, falls überhaupt vorhandene, KiBiz-Rücklagen aufzehren und zu hohen ungedeckten Defiziten führen. Das Kita-Jahr 2024/25 wird diese Defizite dann nochmal vergrößern. „Das stellt auch bereits geplante und oft dringend benötigte Investitionen wieder infrage, die wegen Klimaschutz- und pädagogischen Anforderungen weiterhin dringend nötig oder sogar vorgeschrieben sind“, beklagt Lenfers.
Dekanat Warendorf „kann nicht dauerhaft vorfinanzieren“
Die angesprochenen Kindpauschalen werden zwar, wie auch Hamers schreibt, jährlich angepasst (um 3,46 Prozent für 2023/24, zuvor um 1,02 Prozent für 2022/23 und 0,83 Prozent für 2021/22). Doch das erreicht die Träger immer erst zeitversetzt: 90 Prozent der Erhöhung der Kindpauschale sollen die Mehrkosten durch Tarifabschlüsse fürs Kita-Personal abdecken, zehn Prozent die steigenden allgemeinen Verbraucherpreise. Aber: Angesetzt werden die Zahlen des Vorjahrs – inzwischen gab es einen Tarifabschluss von 7,5 Prozent (Inflationsausgleichsprämie und reguläre Tarifsteigerung). „Die Kirchengemeinden können weitere Defizite aber nicht dauerhaft auffangen beziehungsweise vorfinanzieren“, warnt Lenfers.
Auch die Personalplanung hat Tücken und finanzielle Fallstricke: Wegen der Tarifbindung können Verträge nicht kurzfristig geändert werden. Auch ist nicht vorhersehbar, wie viele Kinder mit Integrationsbedarf eine Kita tatsächlich besuchen. Personal dafür muss aber vorgehalten werden, um neuen Kindern mit Integrationsbedarf auch unterjährig durch zusätzliche Betreuungsstunden gerecht zu werden. Außerdem: Wegen der Arbeitsmarktsituation sind laut Lenfers nur wenige Ergänzungskräfte verfügbar. Ausgebildete Fachkräfte erheben jedoch – wenig überraschend – den Anspruch auf eine Fachkraftstelle. Die dann entsprechend zu bezahlen ist.
„Rettungsschirm“ vom Land löst Probleme nicht
Der 100-Millionen-„Rettungsschirm“ löse die grundsätzlichen Probleme nicht, sagt Lenfers. Von dem Geld blieben pro Eichrichtung vielleicht 10.000 bis 12.000 Euro hängen, nötig wären eher 80.000. Was ihn ärgert: Es sei die oft kritisierte Kirche, die ihren Beitrag für das System Kita-Finanzierung leiste – sprich: ihren Träger-Anteil erbringe, der für andere Träger teils auf null reduziert worden sei, und die auch einen Teil des strukturellen, von ihr nicht verschuldeten Defizits bei den Kindpauschalen auffange. „Die Politik lässt uns hier in höchst fraglicher, unverschämter Art und Weise alleine.“ Die Attitüde sei: Die Kirche habe ja Geld, das könne man den Kirchengemeinden und dem Bistum schon aufbürden.
Was heißt all das in letzter Konsequenz? „Die letzte Konsequenz zeichnet sich noch nicht ab und trifft hoffentlich nicht ein. Gleichwohl muss die Frage gestellt werden, wie wir als Dienstleister für die Kommunen mit den Eltern Betreuungsverträge abschließen können, die gegebenenfalls nicht erfüllt werden können, wenn die Ausgaben die Einnahmen übersteigen“, so Lenfers.
Übrigens: Wegen des geltenden Rechtsanspruches auf einen Kita-Platz sind die Kreise und Kommunen in der Pflicht, Plätze vorzuhalten, auch wenn Zusatzplätze oder sogar ganze Trägerschaften aufgegeben werden müssen.