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Erneut werden massive Vertuschungs-Vorwürfe gegen die Kirche im Umgang mit Missbrauch durch Geistliche laut. Diesmal trifft es besonders das Bistum Trier, dessen Bischof Stephan Ackermann zugleich Missbrauchs-Beauftragter der Bischofskonferenz ist. Großzügig zeigt sich die Kirche nicht gegenüber Betroffenen, sondern bei ihrem Umgang mit der Zeit, beklagt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller in seinem Gast-Kommentar.
Trier-Augsburg: Woche für Woche tauchen neue Fälle von sexuellem Missbrauch in den deutschen Bistümern auf. Ja: viele werden jetzt nicht weiterlesen und denken: es reicht, die Kirche hat doch schon so viel getan. Nein: hat sie nicht. Dieses Thema wird sie noch lange einholen und weiter ihre Glaubwürdigkeit erschüttern.
Die aktuellen Ereignisse im Bistum Trier zeigen, dass diese Diözese wie viele Orden und andere Bistümer weltweit auf Zeit spielt und auf den Tod der beschuldigten Kleriker, die Täter oder bischöfliche Vertuscher sind, setzt. Zeit, die die Betroffenen sexualisierter Gewalt nicht mehr haben. Zeit aber, die in Trier auch der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung der Fälle von sexuellem Missbrauch gegeben wird: sechs Jahre. Großzügig bemessen und eindeutig taktisch bedingt, denn bis dahin sind in anderen Bistümern amtierende ehemalige Trierer Bischöfe und Leitungsverantwortliche entweder im Ruhestand oder man hofft, dass Gras über die Sache gewachsen ist.
Ackermann und die Aufarbeitung
Der Autor
Thomas Schüller, geboren 1961 in Köln, ist Direktor des Instituts für Kanonisches Recht an der Westfälischen Wilhelms-Universität, vorher bis 2009 lange Jahre im Dienst des Bistums Limburg, unter anderem als Persönlicher Referent von Bischof Franz Kamphaus.
Und dies im Bistum von Bischof Ackermann, der weiterhin der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz ist und bei diesem Thema in jüngerer Vergangenheit unmissverständlich zum Ausdruck bringt, wie ihn das Thema nervt und für wie überzogen er die andauernde Kritik an der Aufarbeitungsarbeit der Deutschen Bischöfe hält.
Statt vorbildhaft als Missbrauchsbeauftragter voranzugehen in einem Bistum mit leider vielen Fällen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen, zudem mit Diözesanbischöfen und ihren Generalvikaren, die bis in die jüngere Zeit vertuscht haben, spielt Ackermann auf Zeit.
Friedhofsruhe statt Gerechtigkeit
Die Rufe nach unabhängiger Aufklärung werden von daher nachvollziehbar lauter. Die Kirche hat ihre Chancen weithin verspielt, selbst reinen Tisch zu machen. In Frankreich wie in Irland und auch Australien zeigt sich, dass diese unabhängigen Kommissionen ganz andere Zahlen ermitteln und unverstellt die systemischen Ursachen der Gewalt an Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen, vor allem Frauen, benennen.
Noch fehlt in Deutschland der politische Wille, dieses Thema anzupacken, das heißt dafür die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Warum? Mit diesem Thema gewinnt man keine Wahlen. Darüber hinaus sind beide Kirchen und der Staat im Bildungs- und Gesundheitswesen zu sehr aufeinander angewiesen. Da scheint Friedhofsruhe besser zu sein als Gerechtigkeit für die Opfer.
Die Positionen der Gast-Kommentare spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Redaktion von "Kirche-und-Leben.de" wider.