Pater Gregor M. Pahl aus Cappenberg über Spiritualität und Alltag seines Ordens

Die Prämonstratenser werden 900 Jahre alt – Einblick in einen Orden

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1120 begann der Wanderprediger und spätere Heilige Norbert von Xanten in Frankreich im unwegsamen Tal von Prémontré mit der Errichtung eines ersten Klosters für die neue Gemeinschaft, die später von diesem Ort her den Namen Prämonstratenser-Orden, abgekürzt OPraem, erhielt. Das erste Kloster auf deutschem Boden entstand 1122 im westfälischen Cappenberg, wo bis heute Prämonstratenser die Pfarrseelsorge übernehmen. Im Gespräch erklärt der heute in Cappenberg wirkende Pater Gregor M. Pahl die Bedeutung des Jubiläums und die Spiritualität seines Ordens.

Vor 900 Jahren gründete Norbert von Xanten mit 13 Gefährten in Prémontré den Orden der Prämonstratenser. Wie werden Sie das Jubiläum feiern?

Das 900-Jahr-Jubiläum des Regulierten Kanoniker-Ordens von Prémontré, so sein offizieller Name, beginnt am ersten Adventssonntag und steht damit natürlich einstweilen im Schatten der Corona-Pandemie. Die zahlreichen geplanten Veranstaltungen in den Prämonstratenser-Klöstern weltweit kann man auf der Homepage www.900premontre.org einsehen. Auf Cappenberg, wo im Jahr 1122 das erste Kloster des Ordens auf deutschem Boden gegründet wurde, ist am Donnerstag, 17. Dezember, um 19 Uhr im Schlosstheater ein Vortrag von Abt Albert Dölken aus der Abtei in Duisburg-Hamborn geplant. Er wird Geschichte und Spiritualität der Prämonstratenser vorstellen und so hoffentlich einen guten Einstieg ins Jubiläumsjahr darstellen.

Gegründet wurde die Gemeinschaft, um sich am Ideal gemeinsamen Lebens im Stil der Urkirche zu orientieren. Warum braucht die Kirche immer wieder Ordens-Ideale und das Zeugnis von Ordensleuten?

In Ihrer Frage schwingt in gewisser Weise schon eine mögliche Antwort mit: Weil es zu allen Zeiten wichtig ist, dass die biblische Botschaft konkret vorgelebt und weitergegeben wird. Ordensleute generell versuchen das durch ihre Selbstverpflichtung zu Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam, Regular-Kanoniker speziell auch durch die erwähnte Orientierung am „Leben nach Art und Weise der Apostel“, wie es das Neue Testament bezeugt.

Die Prämonstratenser tragen ein weißes Ordensgewand. Was bedeutet diese Symbolik?

Wie bei den meisten sehr alten Gebräuchen gibt es mehrere Deutungen. Verbreitet und in vielen Kunstwerken bezeugt ist der Bezug des weißen Ordensgewands auf die Unbefleckte Empfängnis der Gottesmutter Maria. Unserem Ordensgründer, dem heiligen Norbert, werden auch liturgische Texte zur Ehre der Unbefleckt Empfangenen zugeschrieben. Eine neuere, aber nicht weniger schöne Deutung bezieht das weiße Ordenskleid auf den Engel beziehungsweise „jungen Mann“, der am Ostermorgen am leeren Grab die Auferstehung verkündet.

Ihre Gemeinschaft folgt der Augustiner-Regel. Was verbirgt sich hinter dieser Ordensregel?

Das ist für mich, der ich mich regelmäßig mit diesem Text befasse, nur sehr schwer in wenige Sätze zu fassen, obwohl die Regel des heiligen Augustinus die vermutlich kürzeste der bekannten Ordensregeln ist. Ich bringe mal die Deutung, die mir persönlich am meisten sagt: Die komprimierte Fassung, das so genannte „Praeceptum“, hält in sieben kurzen Kapiteln an jedem einzelnen Tag der Woche dem Kanoniker - also dem Ordensmann, der dem „Kanon“, das heißt der Regel, folgt - eine Gewissenserforschung vor Augen.

Was bedeutet diese Gewissenserforschung?

Das Kernstück der Ordensregel soll dem Ordensmann ermöglichen, ein christliches Leben in Gemeinschaft zu führen, indem die Regel jeweils eine Weisung - das bedeutet „Praeceptum“ - erteilt und damit gleichzeitig einen kleinen „Aktionsplan“ gegen jede einzelne Hauptsünde aufstellt. Zu den Hauptsünden zählen Stolz, Habsucht, Trägheit, Unmäßigkeit, Unkeuschheit, Zorn und Neid.

Wie kann man sich den Tagesablauf eines Prämonstratensers vorstellen?

Der Tag ist wie in jedem Kloster mit Gemeinschaftsleben geprägt vom Gebet der Tagzeiten, das bei den Prämonstratensern in der Regel feierlich gesungen wird. Der Arbeitseinsatz eines Prämonstratenser-Chorherren vollzieht sich dagegen im Unterschied zu einem Mönch meist nicht im Kloster, sondern in einem Apostolat außerhalb - bei den meisten Mitbrüdern in der Pfarr- und Kategorialseelsorge oder in der theologischen Forschung.

Wie würden Sie die Spiritualität des Ordens beschreiben?

Auch das ist gar nicht so leicht zusammenzufassen. Der Motto-Spruch des Ordens lautet „Ad omne opus bonum parati“ und übersetzt „Zu jedem guten Werk bereit“. Das lässt natürlich einen sehr weiten Auslegungsspielraum zu, den es in der langen Geschichte unseres Ordens auch gegeben hat.

Welche Ziele verfolgt der Orden?

Seit der Barockzeit werden als fünf Ordensziele angegeben: Erstens das gemeinsame Chorgebet, zweitens der „Eifer für die Seelen“, also pastorales Wirken und Beten, drittens der „Geist immerwährender Buße“, also die Bereitschaft zu persönlicher, aber auch gemeinschaftlicher Umkehr auf Gott hin, viertens der eucharistische Kult und fünftens die marianische Devotion oder Frömmigkeit. Mich persönlich zum Ordenseintritt bewogen hat unter anderem die Verbindung von gemeinschaftlichem Leben und Gebet aus jahrhundertelanger Tradition mit dem aktiven Einsatz in der Pfarrseelsorge.

Pater Gregor M. Pahl ist seit 2017 Seelsorger und Pfarrverwalter in der 1.200 Mitglieder zählenden Gemeinde St. Johannes Evangelist in Selm-Cappenberg. Der 39-Jährige stammt aus Oberhausen und gehört dem Konvent der Abtei Hamborn in Duisburg an. 21 Patres leben derzeit in der Abtei, die traditionell und nach Vereinbarung mit dem Bistum Münster die Seelsorge an der 900 Jahre alten Cappenberger Stiftskirche übernimmt. Bis zur Aufhebung 1803 war das im Kreis Unna liegende Schloss Cappenberg ein bedeutsames Prämonstratenser-Kloster.

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