Bilanz zum Jahrestag am 14. Juli

Ein Jahr nach der Flutkatastrophe - so steht es um kirchliche Hilfen

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Rund 180 Menschen haben am 14. und 15. Juli 2021 nach Starkregen und Überschwemmungen in Teilen Westdeutschlands ihr Leben verloren. Die Kirchen planen zum Jahrestag der Flutkatastrophe zahlreiche Gedenkgottesdienste. Nach wie vor unterstützen Bistümer, Pfarreien, Seelsorgende und Sozialverbände die Menschen vor Ort. Zugleich sind die Kirchen damit beschäftigt, Schäden an eigenen Gebäuden zu beseitigen.

Wie erinnern die Kirchen an die Flutkatastrophe?

Ein zentraler Open-Air-Gedenkgottesdienst findet am 15. Juli in Ahrbrück mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann und dem evangelischen rheinischen Präses Thorsten Latzel statt. Das ZDF überträgt am 17. Juli live einen Gottesdienst aus der stark beschädigten Kirche St. Laurentius in Ahrweiler. Rund um den Jahrestag soll es in Rheinland-Pfalz im Ahrtal, in der Eifel und in Trier-Ehrang in allen flutbetroffenen Gemeinden einen Gottesdienst geben. Vielerorts stehen katholische und evangelische Seelsorgende für Gespräche bereit. So sind etwa am 14. Juli in vielen Gemeinden entlang der Ahr bis Mitternacht Kirchen und Kapellen geöffnet. Auch in Nordrhein-Westfalen sind Gedenkveranstaltungen und Gottesdienste geplant, etwa in Erftstadt, Schleiden, Kornelimünster und Stolberg. Die Bistümer in NRW rufen ihre Gemeinden auf, am Abend des 14. Juli die Kirchenglocken zu läuten.

Wie viel Geld haben die Kirchen für Flutbetroffene gesammelt?

Allein das deutsche Hilfswerk Caritas international hat 49,9 Millionen Euro Spenden für die Fluthilfe erhalten. 43,3 Millionen Euro meldet die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Nach Soforthilfen und sogenannten Haushaltsbeihilfen für neue Möbel und Elektrogeräte beginnen die kirchlichen Sozialverbände nun, Hilfen für den Aufbau von privatem Wohnraum auszuzahlen. Diese Gelder fließen nachrangig nach Staats- und Versicherungsleistungen. Hinzu kommen Zuwendungen aus verschiedenen Bistümern und Kirchengemeinden, die vielfach eigene Spendenkonten haben. Teils geht es hier um Töpfe in sechsstelliger Höhe. Wegen der dezentralen Struktur ist ein aufsummierter Betrag schwer zu nennen.

Was tun Seelsorgende?

Buchtipp: Pfarrer Jörg Meyrer, Als Seelsorger im Ahrtal, Bonifatius Verlag, 256 Seiten, 20 Euro. Das Buch können Sie direkt bei unserem Partner Dialogversand online bestellen. Telefonische Bestellung: 0251/4839-210.

Vor allem in den ersten Tagen und Wochen nach der Flut versuchten Notfallseelsorgende im Katastrophengebiet, Betroffenen zu helfen und sie zu stabilisieren. Die Bistümer Aachen und Trier nennen mehrere tausend Einsatzstunden. Nach wie vor sind Seelsorgende als Ansprechpartner vor Ort tätig. Im Bistum Trier wurden mehrere Stellen für langfristige Fluthilfe und seelsorgliche Unterstützung geschaffen. Zudem bieten die kirchlichen Wohlfahrtsverbände Sozialberatung und psychologische Unterstützung, aber auch Bauberatung und praktische Hilfen wie Waschsalons an. Neben Hausbesuchen haben sie dazu auch Teams und Fluthilfebüros in den Regionen aufgebaut. Viele Projekte werden noch Monate – und wohl auch Jahre – fortgesetzt. Caritas international rechnet damit, die Fluthilfe bis mindestens 2024 weiterzuführen.

Wie hoch ist der Schaden an Kirchen?

Die Flut hat Kirchen, Friedhöfe, Pfarrheime und kirchliche Einrichtungen wie Kitas in den verschiedenen Regionen unterschiedlich stark getroffen. Das Bistum Trier nennt eine Schadenssumme von 34 Millionen Euro für 59 kirchliche Objekte. Das Geld müsse allein für den Wiederaufbau aufgebracht werden, Folgeschäden seien in die Schätzungen nicht eingerechnet. Das Bistum Aachen beziffert den Schaden mit 9 Millionen Euro und das Erzbistum Paderborn mit 1,72 Millionen Euro. Auch Aachen betont, dass es sich um vorläufige Schätzungen handelt, auch weil die tatsächlichen Kosten für Handwerker und Baustoffe derzeit nicht absehbar seien. Das Erzbistum Köln spricht von einem Schaden im zweistelligen Millionenbereich an seinen Gebäuden; hinzu kämen Gebäude im Besitz der Pfarrgemeinden. In allen angefragten Bistümern laufen die Sanierungsarbeiten zum Teil noch. Im Ahrtal im Bistum Trier stehen viele Entscheidungen zum Umgang mit beschädigten kirchlichen Gebäuden noch aus.

Wie hat die Flut das Gemeindeleben verändert?

Im Ahrtal stehen einige große Kirchen derzeit nicht zur Verfügung, Gottesdienste finden in Kapellen, unter freiem Himmel oder in Ausweichobjekten statt. Entscheidungen zur Zukunft von Kirchen und Pfarrhäusern stehen in den kommenden Monaten an. Im Zuge der Flut fallen gewohnte Formate kirchlichen Lebens und Räume für das Gemeindeleben an einigen Orten weg. Haupt- und Ehrenamtliche suchen neue Wege, beispielsweise einen Seelsorgecontainer in Altenahr auf einem Parkplatz oder den Podcast „Ahr und Ohr“. Zugleich stehen die Seelsorgenden selbst einem Berg an Aufgaben gegenüber und seien „bis an die Belastungsgrenze und darüber hinaus“ eingespannt, wie Pastor Heiko Marquardsen aus Ahrweiler sagt. Der dortige Pfarrer Jörg Meyrer betont: „An allen Ecken und Enden tauchen Herausforderungen auf.“

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