Pfarrei in Cloppenburg organisiert ein besonderes Angebot auch für Menschen mit wenig Geld

Ein warmes Plätzchen und Kaffee ab 30 Cent

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Fast drei Euro kostet ein Kaffee in der City – für manchen zu viel. Aber wo sollen die sich im Winter morgens verabreden oder aufwärmen? In Cloppenburg gibt es dafür in diesem Dezember nicht nur für sie ein warmes Plätzchen mit Kaffee ab 30 Cent. Der Ort dafür ist schon jetzt ein beliebter Treffpunkt.

„Weil ich alt bin und weil es billig ist.“ Franz nickt. Er zählt schon seit Jahren regelmäßig zu den Stammgästen. Der 72-Jährige, der seinen Nachnamen nicht in der Zeitung oder im Internet lesen will, sitzt vor seinem Kaffee und rechnet vor: „Für das, was in der Stadt im Café so ein Becher kostet, könnte ich hier drei trinken. Wo gibt es das sonst?“

Das Geld sitzt knapp bei dem ehemaligen Taxifahrer mit 600 Euro Rente und Grundsicherung. „Aber ich rauche nicht, ich trinke nicht und gehe zur Tafel. So komme ich klar. Und hier bin ich mal unter Leuten.“

Komplett von Ehrenamtlichen betrieben

Das Haus Bethanien war früher eine Eckkneipe. | Foto: Michael Rottmann
Das Haus Bethanien war früher eine Eckkneipe. | Foto: Michael Rottmann

Mal unter Leuten zu sein – darum geht den meisten in der kleinen Gaststube im „Haus Bethanien“ unweit der Cloppenburger St.-Andreas-Kirche. Der Ort versteht sich als Kontaktstelle für Menschen mit seelischen Beeinträchtigungen, aber nicht nur. Als ehrenamtlich betriebener Treffpunkt stand das Café immer schon offen für jeden.

Ein idealer Ort also für das neue Angebot, das die Cloppenburger St.-Andreas-Pfarrei Menschen wie Franz im Dezember machen will: ein warmer Treffpunkt in der kalten Jahreszeit, nicht nur, aber besonders für Menschen mit knappem Budget und wenigen Kontakten.

Vormittags bis Silvester - zunächst

Ab dem ersten Adventssonntag steht der Gastraum einer ehemaligen Eckkneipe wochentags dafür auch vormittags offen. Montags bis freitags von zehn bis zwölf Uhr, zunächst bis Ende des Jahres. Zusätzlich zu den vom ehrenamtlichen Team im Haus Bethanien angebotenen täglichen Nachmittags-Öffnungszeiten. Für alle, die einen Ort zum Ausruhen oder für eine Verabredung mit Freunden oder Bekannten suchen. Wo es die Tasse Kaffee ab 30 Cent und ein Schinkenbrot für einen Euro gibt.

Genau solche Angebote seien derzeit sehr wichtig, sagt Gemeindecaritas-Referentin Simone Elschen und erklärt: „In unserer Sozial- oder Schuldnerberatung haben wir es in letzter Zeit vermehrt mit Menschen zu tun, denen die explodierenden Preise Sorgen machen und die sagen: ,Ins Café? So etwas kann ich gar nicht mehr bezahlen‘.“

Projekt auch gegen Vereinsamung

Christian Lüken ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des Haus Bethanien. | Foto: Michael Rottmann
Christian Lüken ist ehrenamtlicher Geschäftsführer des Haus Bethanien. | Foto: Michael Rottmann

Die Angst vor dem Winter komme hinzu. „Die Angst, dass sie in ihrer kalten Wohnung sitzen und frieren.“ Manche träfen sich wegen Corona mit niemandem mehr und vereinsamten langsam. Denn, so Simone Elschen: „Viele Grüppchen, die sich früher privat verbredeten, haben sich in der Pandemiezeit aufgelöst.“

Auch Cloppenburgs leitender Pfarrer Bernd Strickmann hört immer mal wieder von finanziellen Sorgen und Einsamkeit, bei Begegnungen in der Stadt zum Beispiel oder bei Hausbesuchen. „In Cloppenburg mit seinen 37.000 Einwohnern lebt ja ein ganz normaler Querschnitt der Bevölkerung“, sagt der Pfarrer, eben auch arme Menschen. Auch wenn das nicht immer auf den ersten Blick sichtbar sei. „Armut ist ja oft versteckt hinter einer noch irgendwie aufrecht erhaltenen Fassade.“

Drei Frauen aus St. Andreas hatten die Idee

Drei Frauen aus St. Andreas – Marietta Preuth, Helga Menke und Luzia Hogeback – hatten schon vor drei Jahren einen Blick für Mitbürger mit solchen Sorgen. Sie brachten damals für sie die Aktion „Kaffee für Zwei“ auf den Weg.

Die Grundidee dabei: Wer in einem Café in der Stadt einen Kaffee bestellt, bezahlt für zwei Tassen - damit ein anderer Gast mit Geldsorgen später kostenlos eine Tasse trinken kann. Die Pfarrei arbeitete bei dieser Aktion 2019 mit einem örtlichen Café zusammen. Wegen des Lockdowns während der Pandemie war das Ganze aber wieder eingeschlafen.

Aktionsbündnis hofft auf rege Nachfrage

Bernd Strickmann ist leitender Pfarrer in St. Andreas Cloppenburg. | Foto: bpv
Bernd Strickmann ist leitender Pfarrer in St. Andreas Cloppenburg. | Foto: bpv

Dieselben drei Frauen hatten jetzt auch die Idee für das Projekt Adventscafé. „Wir haben schon im Sommer darüber nachgedacht, dass Heizen mit der drohenden Gasknappheit wegen des Ukraine-Kriegs für viele Menschen teurer werden könnte“, erklärt Marietta Preuth. So sei der Plan entstanden, bestehende kirchliche Räume, die sowieso geheizt werden, als einen Treffpunkt für sie zu nutzen. Ein Plan, der mit dem Adventscafé jetzt umgesetzt wird.

Die St.-Andreas-Pfarrei hat sich dafür in einem Aktionsbündnis mit der Gemeindecaritas und dem Café im Haus Bethanien zusammengetan. Die drei Projektpartner hoffen durch das um die Vormittags-Öffnungszeit erweiterte Angebot nun auf zahlreiche Nutzer - als Gäste oder Helfer.

Familiäre Atmosphäre im Schankraum

Menschen, die das schätzen, was Barbara Schwarz am Dienstagabend vor dem Start des Adventscafés als Stärke des Treffpunkts beschreibt. Seit 14 Jahren gehört sie zum ehrenamtlichen Team im Haus Bethanien. „Unsere Gäste fühlen sich alle superwohl hier“, sagt die 69-Jährige, nachdem sie gerade noch einem Gast einen Kaffee eingeschenkt hat. Als sie „auch wegen der familiären Atmosphäre“ anfügt, betreten die nächsten Besucher unter fröhlichem Hallo den Schankraum.

Christian Lüken lächelt und nickt. „Für meisten ist das hier ihr Wohnzimmer“, sagt der ehrenamtliche Haus-Bethanien-Geschäftsführer. Eine Erfahrung, die Lüken auch den Gästen des Adventscafés wünscht. Er hofft auf 40 bis 50 täglich.

Keine Konkurrenz für Cafés in der City

Deren Bewirtung am Vormittag sollen Ehrenamtliche der St.-Andreas-Pfarrei übernehmen. Einige haben sich bereits dafür gemeldet, weitere werden für das zunächst bis zum Jahresende befristete Projekt noch gesucht. Ebenfalls wichtig: zusätzliche Spenden aus der Gemeinde. Gefragt sind insbesondere Kaffeepulver, Tee, Gebäck oder Kakao.

Geplant ist das Angebot für die Advents und Weihnachtszeit. Zu Ende sein müsse es aber am 31. Silvester nicht, sagt Marietta Preuth. „Es ist ein kleines und überschaubares Projekt. Aber wenn sich zeigt, dass es gebraucht und angenommen wird, lässt es sich ohne großen Aufwand verlängern.“

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