Reaktionen von Woelki, Missbrauchs-Betroffenen, Priestern und Laien in der Erzdiözese

Erzbistum Köln: Papst schickt zwei Bischöfe als Kontrolleure

  • Der Vatikan entsendet zwei Bischöfe als Apostolische Visitatoren ins Erzbistum Köln.
  • Sie sollen unter anderem prüfen, ob Kardinal Rainer Maria Woelki Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch gemacht hat.
  • Woelki begrüßt den Schritt. Auch weitere Priester und Laien im Erzbistum reagieren - ebenso Missbrauchs-Betroffene und der Beauftragte der Bundesregierung.

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Papst Franziskus ordnet eine Apostolische Visitation, also eine offizielle Überprüfung, für das Erzbistum Köln an. Wie die Nuntiatur in Berlin mitteilte, wurden Kardinal Anders Arborelius aus Stockholm (Schweden) und der Bischof von Rotterdam (Niederlande), Johannes van den Hende, zu Visitatoren ernannt.

Sie sollen sich in der ersten Junihälfte "vor Ort ein umfassendes Bild von der komplexen pastoralen Situation im Erzbistum Köln verschaffen". Außerdem sollen sie untersuchen, ob der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und die Kölner Weihbischöfe Dominikus Schwaderlapp und Ansgar Puff Fehler gemacht haben beim Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs.

 

Woelki begrüßt Visitation

 

Woelki begrüßte in einer ersten Reaktion die Visitation. "Bereits im Februar habe ich den Heiligen Vater in Rom umfassend über die Situation in unserem Erzbistum informiert", erklärte er. "Ich begrüße, dass der Papst sich mit der Apostolischen Visitation ein eigenes Bild über die unabhängige Untersuchung und die Konsequenzen daraus verschaffen will."

Er werde die Visitatoren "mit voller Überzeugung in ihrer Arbeit unterstützen. Alles, was der konsequenten Aufarbeitung dient, begrüße ich."

 

Missbrauchs-Betroffene: Gute Entwicklung

 

Positiv kommentierten auch Vertreter von katholischen Laien und Missbrauchsbetroffene die Untersuchung durch den Vatikan. Gespräche müssten dabei auch mit Betroffenen und deren Umfeld geführt werden, forderte der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Nur so könne die Visitation zu einem Schritt zu mehr Transparenz, aber auch zu mehr Befriedung zwischen der Kirche und Betroffenen werden. Mit Blick auf andere Bistümer sprach Rörig von einem möglicherweise wichtigen Impuls.

Der Sprecher der Betroffeneninitiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, sprach von einer "guten Entwicklung". Er ermutigte die Betroffenen, nun ihre Sichtweise vorzubringen, damit der Vatikan ein "vollständigeres Bild" bekomme.

 

Laien im Erzbistum: Auch Rom hat verstanden

 

Auch Vertreter katholischer Laien im Erzbistum Köln loben die angekündigte Untersuchung durch den Vatikan in ihrer Diözese. "Die Anordnung der Visitation unterstreicht, dass auch in Rom verstanden wird, dass im Erzbistum Köln unter der Leitung von Kardinal Woelki der Kontakt zwischen Gemeinden und Bistumsleitung schwer geworden ist", sagte der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken, Tim-O. Kurzbach.

Die Gespräche der beiden Papst-Gesandten sollten auch mit Vertretern von Mitarbeitenden und Laien geführt werden: "Deswegen laden wir schon jetzt die Visitatoren in unsere Vollversammlung am 16. Juni ein."

 

Kreisdechanten: Unbefangener Blick von außen

 

Ebenso begrüßen die 14 führenden Geistlichen im Erzbistum Köln, die sich in einer E-Mail kritisch über die Missbrauchsaufarbeitung geäußert haben, die Visitation. Gemeinsam mit Kardinal Woelki sehen die Stadt- und Kreisdechanten den Schritt als Chance, sagte der Sprecher der Gruppe, der Wuppertaler Stadtdechant Bruno Kurth, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Zwölf der Geistlichen trafen Woelki am Freitagmittag zu einem zweieinhalbstündigen Gespräch. Stadt- und Kreisdechanten sind die obersten katholischen Repräsentanten auf Stadt- und Kreisebene.

Kurth nannte es eine Chance, dass mit einem unbefangenen Blick von außen auf die Situation des Erzbistums geschaut werde. Er kündigte an, die Dechanten würden Woelki wie bislang beratend zur Seite stehen: "Aber zur Seite stehen bedeutet ja Loyalität und auch Kritik und das offene, ehrliche Wort."

 

Maria 2.0: Schritt war in zugespitzter Lage alternativlos

 

Auch die Reforminitiative Maria 2.0 im Rheinland, die bereits im Januar eine Visitation angeregt hatte, äußerte sich positiv. "Die Situation hat sich derart zugespitzt, dass es innerhalb dieses Systems alternativlos ist", sagte Sprecherin Maria Mesrian der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Es bleibt zu hoffen, dass die Visitatoren einen offenen Blick haben und alle Stimmen in diesem Bistum hören."

Die Erzdiözese ringt seit Jahren um die Aufarbeitung früherer Fälle sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. Dabei geht es auch darum, Verantwortliche zu benennen, die Täter geschützt und Verbrechen vertuscht haben. Ein erstes Aufarbeitungs-Gutachten hatte Woelki nicht veröffentlichen lassen, weil er es für fehlerhaft und nicht rechtssicher hält.

 

Mindestens zwei Anzeigen gegen Woelki

 

In einem zweiten Gutachten, das im März veröffentlicht wurde, weisen Juristen um den Strafrechtler Björn Gercke hohen Amtsträgern im Erzbistum Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchsfällen nach. Woelki selbst wird durch den Gercke-Report entlastet. Dagegen gibt es Vorwürfe unter anderem gegen den heutigen Hamburger Erzbischof Heße, der zuvor lange Jahre im Erzbistum Köln Personalverantwortung trug. Ihm hatte Papst Franziskus vor dem Hintergrund der Vorwürfe eine Auszeit gewährt.

Gegen Woelki wiederum gibt es mindestens zwei Anzeigen, er habe im Umgang mit konkreten Missbrauchsfällen gegen das Kirchenrecht verstoßen und unter anderem Meldungen nach Rom unterlassen. Diese Anzeigen liegen Bischof Felix Genn in Münster vor, der als dienstältester Bischof der Kirchenprovinz Köln in solchen Fällen zuständig ist. Nach Angaben von Genns Pressestelle sind die Anzeigen nach Rom weitergeleitet worden.

 

Vatikan sieht offenbar Handlungsbedarf

 

Noch Anfang Februar hatte es aus dem Umfeld des Vatikans geheißen, man sehe keine Pflichtverletzung des Kölner Kardinals. Die Entscheidung einer Visitation muss dem nicht widersprechen. Offenbar sieht der Vatikan allerdings Handlungsbedarf mit Blick auf das gesamte Erzbistum.

Auch der Druck auf Woelki in seiner Diözese war stetig gewachsen. Zuletzt meldeten sich mit den Kreis- und Stadtdechanten regional hochrangige Geistliche zu Wort. Und in einer Düsseldorfer Pfarrei verfasste eine Gruppe einen Offenen Brief, wonach Woelki in der Gemeinde nicht das Sakrament der Firmung spenden solle. Für solche geistlichen Handlungen sei er derzeit nicht glaubwürdig.

Updates mit Reaktionen: 12.50 Uhr Woelki, 14.40 Uhr Diözesanrat und Maria 2.0, 16.45 Uhr Missbrauchs-Betroffene und Bundesbeauftragter Rörig, 17.20 Uhr Kreisdechanten.

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