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Der Vatikan plant im Fall des verstorbenen Priesters O. offenbar keine kirchenrechtlichen Schritte gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Das erfuhr die Katholische Nachrichten-Agentur aus dem Umfeld der Kurie. Kirchenrechtler zeigen sich irritiert und sprechen von Willkür.
Der Vatikan plant im Fall des verstorbenen Priesters O. offenbar keine kirchenrechtlichen Schritte gegen den Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Nach Ansicht der zuständigen Kurienbehörde musste Woelki den Verdacht des Missbrauchsfalls 2015 nach damals geltendem Recht nicht zwingend nach Rom melden. Eine entsprechende Einschätzung der Glaubenskongregation ging vergangene Woche an die Bischofskongregation, die um eine Beurteilung gebeten hatte. Das erfuhr die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) aus dem Umfeld der Kurie.
Woelki wird zur Last gelegt, er habe den Fall des Priesters O. 2015 nach seinem Amtsantritt in Köln zwar zur Kenntnis genommen, aber eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom unterlassen. Der Kardinal begründete das Vorgehen mit der damals schon weit fortgeschrittenen Demenz des ehemaligen Pfarrers. Die strenge Meldepflicht, die seit 2020 vorgeschrieben ist, habe damals noch nicht gegolten, heißt es dazu aus Rom. Ob es „klug war“, den Fall nicht zu melden, sei „allerdings eine andere Frage“.
Zeitpunkte der offiziellen Bekanntgabe unklar
Nach wachsender öffentlicher Kritik hatte Woelki Mitte Dezember den Vatikan um Prüfung gebeten. Da ihm selbst kein Missbrauch vorgeworfen wird, sondern falscher Umgang mit einem Verdachtsfall, ist die Bischofskongregation zuständig. Wann sie ihre Entscheidung mitteilt und ob es darin nur um den Fall von 2015 geht oder um mehr, ist offen. Möglich, dass der Vatikan das für Mitte März angekündigte Kölner Missbrauchs-Gutachten abwartet.
Ob die Kongregation die Beteiligten in Deutschland über einen Zwischenstand informiert hat, ist nicht bekannt. Eine laut Kirchenrecht und Geschäftsordnung der Kurie vorgesehene 30-Tage-Frist, innerhalb derer Kurienbehörden die beteiligte andere Seite darüber informieren soll, ist inzwischen verstrichen. Auf mehrfache Anfrage von „Kirche-und-Leben.de“ hatte die Papst-Botschaft in Berlin den Vorgang nicht kommentiert. Auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) teilte das Bistum Münster am Montag mit, Felix Genn als zuständiger dienstältester Bischof der Kölner Kirchenprovinz habe bisher keine Antwort auf sein Schreiben vom 11. Dezember erhalten.
Kirchenrechtler Schüller kritisiert „Willkürjustiz“
Der Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Universität Münster kritisierte den Vatikan. „Die Glaubenskongregation ignoriert auf groteske Weise die im Jahr 2010 von Papst Benedikt XVI. festgelegten Rechtsnormen zum Umgang mit sexuellem Missbrauch“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Um Woelki zu retten, wird der frühere Papst geopfert, seine Gesetzgebung ad absurdum geführt. Das ist Willkürjustiz.“
Die Organisation „Wir sind Kirche“ zeigte sich verwundert: „Warum hält sich der Vatikan nicht an römische Rechtsnormen?“ Möglicherweise habe Rom sehr lange nach einem Weg gesucht, Woelki zu schonen, weil ihn konservative Kräfte dort „als unverzichtbaren Bremser“ in der Reformdebatte Synodaler Weg unbedingt halten wollten. Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ forderte in der „Rheinischen Post“, dass „die genaue Begründung des Vatikan möglichst umgehend veröffentlicht wird, um die Verwirrung nicht noch auszuweiten“.
Experten: Eigentlich hätte Woelki melden müssen
Auch andere Kirchenrechtler hatten schon vor der mutmaßlichen römischen Entscheidung erklärt, dass Woelki den Fall eigentlich hätte nach Rom melden müssen. Selbst ohne kirchenrechtliche Voruntersuchung in einem Bistum müsse es eine Information an Rom geben, sagte etwa Professor Klaus Lüdicke aus Münster der KNA. Das Kirchenrecht verlange „nicht den Bericht über die Voruntersuchung, sondern über die Kunde von der Straftat“.
In den römischen Bestimmungen von 2010 heißt es: „Wann immer der Ordinarius oder Hierarch eine mindestens wahrscheinliche Nachricht über eine schwerwiegendere Straftat erhält, muss er nach Durchführung einer Voruntersuchung die Kongregation für die Glaubenslehre darüber informieren.“ Ob gemäß dieser Normen 2015 eine Meldung nach Rom selbst dann zwingend erforderlich war, wenn eine Voruntersuchung nicht mehr möglich war, scheint unter Kirchenjuristen strittig.
Update 19.30 Uhr: Reaktionen Schüller, „Wir sind Kirche“, Lüdicke sowie Hintergründe