Veröffentlichung des Gutachtens am 18. März bestätigt

Kölner Missbrauchs-Gutachten: Vier aktuelle Bischöfe auf dem Prüfstand

  • Am 18. März wird das - zweite - Missbrauchs-Gutachten für das Erzbistum Köln öffentlich, bestätigt die Erzdiözese.
  • Es geht um die Rollen von allein vier aktiven Bischöfen: Rainer Maria Woelki, Stefan Heße, Ansgar Puff und Dominikus Schwaderlapp.
  • Auch andere Amtsträger geraten in den Blick, etwa der seit 1995 amtierende Leiter des Kölner Kirchengerichts.

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Für Kardinal Rainer Maria Woelki (64) könnte es ein Befreiungsschlag werden - aber auch ein Desaster. Am 18. März legt der Strafrechtler Björn Gercke ein Gutachten über Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln seit 1975 vorlegen, das auch Vertuscher unter Bistumsverantwortlichen beim Namen nennt. Den Termin bestätigt das Erzbistum. Für Woelkis Zukunft hängt viel davon ab, wie plausibel die Ergebnisse dieser - zweiten - Studie sind und ob ihm selbst Fehler im Umgang mit Tätern und Opfern nachgewiesen werden.

Eigentlich sollte die Münchner Kanzlei Westpfahl-Spilker-Wastl (WSW) schon im März 2020 über ihre eineinhalbjährigen Recherchen in Personal- und anderen Akten berichten. Doch erst verschob das Erzbistum kurzfristig den anberaumten Pressetermin und gab dann im Herbst die Veröffentlichung ganz auf - wegen „methodischer Mängel“. Befürchtet wurde zudem, dass Persönlichkeitsrechte der Genannten verletzt werden könnten.

 

Rücktritte nicht ausgeschlossen

 

Daraufhin schwoll die Kritik an, Woelki wolle Erkenntnisse zurückhalten und Führungskräfte schützen. „Ich erwarte keine Schonung - im Gegenteil“, versicherte der Kardinal nach dem Gutachter-Wechsel. Er drang damit ebenso wenig durch wie Gercke mit der Beteuerung: „Das Gutachten wird für das Erzbistum ungemütlich.

Es geht um viel, Rücktritte nicht ausgeschlossen. Anders als das WSW-Gutachten für das Bistum Aachen kommen nicht nur verstorbene oder im Ruhestand lebende Bischöfe und Generalvikare in den Fokus. Diesmal stehen aktuelle Amtsträger im Mittelpunkt, darunter vier amtierende Bischöfe.

 

Wie handelte Woelki als Erz- und Weihbischof?

 

An erster Stelle Woelki selbst. Wie hat er als Erzbischof bei Fällen sexualisierter Gewalt gehandelt? Welche Rolle spielte er als Kölner Weihbischof? In dieser Funktion erfuhr er 2011 von Missbrauchsvorwürfen gegen einen befreundeten Pfarrer, der ihn dennoch 2012 zu seiner Kardinalserhebung in Rom begleiten durfte.

Wenige Monate nach seinem Amtsantritt als Kölner Erzbischof sichtete Woelki 2015 die Akten von auffällig gewordenen Geistlichen, darunter die des beschuldigten Pfarrers. Kritiker werfen dem Kardinal vor, eine kirchenrechtliche Voruntersuchung und eine Meldung nach Rom unterlassen zu haben. Woelki verteidigt sein Vorgehen mit der fortgeschrittenen Demenz des inzwischen verstorbenen Pfarrers, der Fragen zu den Vorfällen gar nicht mehr hätte beantworten können.

 

Die Kölner Vergangenheit des Hamburgers Heße

 

Überprüft wird auch das Handeln des jetzigen Hamburger Erzbischofs Stefan Heße (54), der seit 2006 Personalchef und von 2012 bis 2015 Generalvikar in Köln war. In öffentlich gewordenen Teilen des WSW-Gutachtens ist zu lesen, er habe eine „indifferente“ und „von fehlendem Problembewusstsein“ geprägte Haltung gegenüber Missbrauchsopfern an den Tag gelegt.

Heße wies die Anschuldigungen zurück und hält den Verfassern vor, sie „hätten gründlicher arbeiten können“. Wie genau die Münchner Kanzlei gearbeitet hat, sollen Journalisten, Betroffene und andere Interessierte erfahren können, aber erst nach Vorstellung der Gercke-Expertise.

 

Was wusste Schwaderlapp als Meisners Generalvikar?

 

Mit Spannung erwartet werden auch Aussagen zu den Kölner Weihbischöfen Ansgar Puff (65) und Dominikus Schwaderlapp (53). Puff hatte von Mai 2012 bis August 2013 kurze Zeit die Personalabteilung geleitet. Schwaderlapp war acht Jahre lang - von 2004 bis 2012 - Generalvikar von Woelkis Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner.

In einigen bekannt gewordenen Fällen deutet viel darauf hin, dass Meisner schuldig gewordene Kleriker wieder in der Seelsorge einsetzte und kirchenrechtlich vorgeschriebene Verfahren pflichtwidrig unterließ. Zudem habe er immer wieder öffentlich betont, er habe „nichts gewusst“ von den Missbrauchsfällen, obwohl die Akten belegten, dass er informiert war. Bei all dem stellt sich die Frage, inwieweit Schwaderlapp involviert war.

 

Generalvikar Feldhoff und Kirchenrichter Assenmacher

 

Daneben dürften Gercke und sein Team auch den langjährigen Generalvikar Norbert Feldhoff (81) und den seit 1995 amtierenden Leiter des Kölner Kirchengerichts, Günter Assenmacher (69), in den Blick nehmen. Beide haben - genau wie Schwaderlapp - zu ihrer möglichen Rolle bislang eisern geschwiegen.

Grundsätzlich gilt es aus Sicht vieler Fachleute, die historische Perspektive zu beachten, da sich die Erkenntnisse zum Thema Missbrauch über die Jahrzehnte wandelten. Einig sind die Experten aber darin, dass es spätestens mit den 2002 erlassenen Leitlinien der Bischofskonferenz nicht mehr zu entschuldigen war, wenn leitende Geistliche Missbrauchstäter an einen neuen Ort versetzten und es dort zu neuen Übergriffen kam.

 

Woelki: Ich kenne Inhalte vorher nicht

 

Woelki versichert immer wieder, er kenne die Ergebnisse des neuen Gutachtens wie die des alten nicht und werde sie nicht vor der Präsentation zu sehen bekommen. Um persönliche Konsequenzen geht es daher erst wenige Tage nach der Präsentation, wenn der Kardinal selbst vor die Presse tritt.

Update 13.30 Uhr: Termin 18. März vom Erzbistum bestätigt.

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