Vollversammlung der Bischofskonferenz beginnt den Dienstag mit der Eucharistiefeier

"Es ist höchste Zeit!" Bischof Bätzings Botschaft in der Fuldaer Frühmesse

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Am frühen Dienstagmorgen hat die Deutsche Bischofskonferenz ihre Vollversammlung mit einer gemeinsamen Eucharistiefeier im Dom zu Fulda begonnen. In seiner Predigt ermutigte Bischof Georg Bätzing dringend zu Veränderungen angesichts zahlreicher Krisen - wohl nicht nur in der Gesellschaft. Beobachtungen von Chefredakteur Markus Nolte.

"Mir sind allzu sicher behauptete Kontinuen, also lückenlose Zusammenhänge nach dem Motto: das ist immer so gewesen; das wurde immer so geglaubt; was gestern falsch war, kann doch heute nicht richtig sein ... ehrlich gesagt suspekt." Bischof Georg Bätzing war ausgerechnet Ijob mit all seinen Katastrophen und Krisen in die Leseordnung geschrieben, als er am frühen Dienstagmorgen als Vorsitzender mit der Deutschen Bischofskonferenz Eucharistie im Fuldaer Dom feiert.

Ijob, der alttestamentliche Leidensmann, dem das Leben so hart mitspielt, aber der ergründen will, warum ihm alles genommen wurde - Hab und Gut, Frau und Kinder, Gesundheit und Lebenssinn. Aber, sagt Bätzing, Ijob beugt sich nicht "den allzu einfachen religiösen Mustern, die alles erklären wollen". Manchmal, sagt der Bischof, "manchmal sind Klage, Aufstand und Widerstreben Tatsächlichkeit der Heiligkeit des Lebens und der Unbegreiflichkeit Gottes angemessener als demütige Ergebung".

Düstere Klangwalzen in der Kathedrale

Es ist ein schwerer, dunkler Morgen, an dem die rund 60 Diözesan- und Weihbischöfe in die barocke Kathedrale von Fulda einziehen. Draußen dauerregnet es aus grauem Himmel, drinnen drückt Domorganist Hans-Jürgen Kaiser dumpfe, düstere, dramatische Klangwalzen über die Gemeinde. Viele sind es nicht, die sich hinter den Bischöfen zu dieser Frühmesse versammeln. Aber die Liturgie wird auch im Internet übertragen, und so kann Bätzing doch von einer "großen Gemeinde" sprechen, die da zusammengekommen sei.

Die ersten zehn, zwölf Bänke ganz vorn, links und rechts, sind für die Bischöfe reserviert, die einfach so mitfeiern, in violettem Talar mit Rochette und Mozzetta. Wer konzelebriert, vorn am Altar mit Georg Bätzing, ist genau geplant: die einzigen beiden Kardinäle der Konferenz, Reinhard Marx aus München und Rainer Maria Woelki aus Köln. Dazu die Erzbischöfe: Stefan Burger aus Freiburg, Stefan Heße aus Hamburg, Heiner Koch aus Berlin und Ludwig Schick aus Bamberg. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker fehlt krankheitsbedingt. Und der Apostolische Nuntius steht auch mit am Altar, Erzbischof Nikola Eterovic.

Die einzige Frau - am Rand

Beate Gilles und Bischöfe Vieldiskutiertes Bild: Beate Gilles, Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, mit den Bischöfen im Fuldaer Dom | Foto: DBK

In einer der Bänke rechts neben den Bischöfen feiert Beate Gilles mit. Die Generalsekretärin hat offenbar hier ihren Platz. Bei einer Andacht gestern Nachmittag saß sie auch dort - allein in ihrer Bank, und neben ihr der ganz in Schwarz gekleidete, große Männer-Block der Bischöfe. Als vieldeutiges Bild machte es noch am Abend die Runde in den Sozialen Netzwerken, sorgte für Empörung und Spott: Da könne man mal sehen, wie es um die Position der Frau in der Kirche bestellt ist. Kurz darauf löschte die Bischofskonferenz das Foto auf ihren Seiten der Sozialen Netzwerke.

Heute Morgen, wie gesagt, sitzt Beate Gilles an derselben Stelle. Diesmal mit weiteren Gläubigen um sie herum.

Reformer beten neben Konservativen

Da sind sie alle zusammen, die Diözesanbischöfe und die Weihbischöfe, die Reformer und die Konservativen, die Ängstlichen und die Forschen, die Unentschlossenen und die Ungeduldigen. Auch jene, die beim Synodalen Weg für deutliche Veränderungen auch der Lehre in Sachen Sexualmoral, Frauenrolle, Ämterverständnis, Macht gestimmt haben - und jene, die das ablehnten, einmal mit Erfolg.

Es ist die erste Vollversammlung nach der Synodalversammlung in Frankfurt, bei der das Verhalten von mehr als einem Drittel der Bischöfe für reichlich Ärger und Enttäuschung gesorgt hat. Wohin also soll die Reise gehen? Tragen alle Bischöfe den Synodalen Weg weiter mit? Sind sie auch bereit, sich selber, manche tradierte Lehre und die Ausgestaltung ihrer Autorität zu ändern? Auch das soll Thema dieser Vollversammlung sein - neben einer Bilanz der Fluthilfe im Ahrtal, neben der neuen Organisierung der Stelle des Missbrauchsbeauftragten, neben der Vorbereitung des Ad-Limina-Besuchs der Bischöfe beim Papst im November.

"Unser Wissen ist umhüllet"

Je mehr die Prozession der Bischöfe an diesem Morgen die Bänke und den Altarraum füllen, desto mehr klart die Orgelimprovisation auf und gibt zu erkennen, auf welches schlicht-ehrfürchtige Lied sie aus ist: "Liebster Jesu, wir sind hier." Und dann singen sie. Auch dies: "Unser Wissen und Verstand / ist mit Finsternis umhüllet, / wo nicht Deines Geistes Hand / uns mit hellem Licht erfüllet. / Gutes denken, tun und dichten / musst Du selbst in uns verrichten." Das klingt nach einem guten Auftakt in diesen Arbeitstag der Vollversammlung.

Doch Georg Bätzing macht es weder sich noch seinen bischöflichen Mitbrüdern leicht. Er will den Glauben, die Lehre, die Kirche nicht so selbstverständlich und rund und fertig verstanden wissen, so sehr es angesichts der Krisen manche gern hätten. Der Bischof spricht in seiner Predigt von Heimatlosigkeit, von Ungastlichkeit und von der Hoffnung auch der Jünger, dass es nach dem Tod von Jesus direkt weitergeht mit dem Reich Gottes.

Kontinuität, Brücken, Unterbrechung

Bätzing erzählt von der Mühsal eines "gemeinsamen Lernwegs", der unumgänglich gewesen sei. Und von all den großen Erzählungen der Bibel, die stets von Ende und Neuanfang gesprochen haben: "der Exodus als Weg in die Freiheit, das babylonische Exil als Zeit der Umkehr und Erneuerung, Gericht am Ende der Geschichte und die neue Schöpfung".

Und dann sagt Bätzing den Satz mit den "behaupteten Kontinuen" und ergänzt: "Es liegt gewiss in unserer menschlichen Natur, Brücken zu suchen zwischen dem Gestern und dem Morgen, zeitliche Linien zu ziehen und sinnvolle Zusammenhänge zu entdecken - was oft erst im Nachhinein möglich ist." So verlockend und verständlich die Sehnsucht nach Kontinuität sei, Bätzing zitiert ein bekanntes Wort des Münsteraner Theologen Johann Baptist Metz: "Die kürzeste Definition von Religion ist und bleibt 'Unterbrechung'".

Botschaft zwischen den Zeilen

Vor dem Hintergrund der Diskussion beim Synodalen Weg darüber, welche Bedeutung die Tradition der Kirche hat, wie fix oder wie veränderbar ihre Lehre ist, ob die "Zeichen der Zeit" als Fingerzeige Gottes gewertschätzt oder als Versuchungen des Zeitgeistes abgelehnt werden müssen, klingt Bätzings Predigt an vielen Stellen wie eine Botschaft zwischen den Zeilen. "In vieler Hinsicht halte ich ein einfaches 'Weiter so' für höchst gefährlich", sagt er zum Beispiel. Oder: "Wenn wir nicht lernen aufzuhören, dann werden uns die Katastrophen überrollen, die wir selbst verursacht haben."

Und dann sagt Bätzing doch, dass er von der "krisenhaften Wirklichkeit" unserer Zeit spricht, vor allem im Bereich der Schöpfungsverantwortung, die dringend "Innovation durch Einhalt und Umkehr" brauche. "Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir keine Zukunft haben", mahnt er mit Blick auch auf die Energiekrise und den kommenden Winter. "Werden wir es durch Konsumverzicht und gelebte soziale Verantwortung schaffen, als Gesellschaft zusammenzuhalten, füreinander zu sorgen und nicht denen das Feld zu überlassen, die mutwillig Spaltungen provozieren und es darauf anlegen, unsere Demokratie zu destabilisieren?"

Schließlich beendet er seine Predigt mit einem weiteren dieser Sätze, die an diesem dunklen Morgen im Fuldaer Dom wie eine Ansage keineswegs nur an die Zivilgesellschaft klingen: "Es ist höchste Zeit. Amen."

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