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Eine gewaltfreie Welt ist eine Utopie, zu Zeiten Jesu genauso wie heute. Wer angegriffen wird, darf sich verteidigen, auch mit militärischen Mitteln, kommentiert Pater Daniel Hörnemann OSB zum ersten Jahrestag des Kriegsausbruchs in der Ukraine.
Fall Ukraine: Wenn diese Nation grundlos – aber nicht absichtslos – von einer anderen angegriffen wird, stellt das nicht uns Christen vor die Aussage der Bergpredigt „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt 5,39)? Die Botschaft Jesu fordert auf zu Gewaltlosigkeit; hat aber ein Volk nicht auch das Recht auf Selbstverteidigung und die Solidarität anderer Nationen?
Eine gewaltfreie Welt ist eine Utopie, das war zur Zeit Jesu so und ist bis heute so geblieben. Wie ist dann die Botschaft Jesu zu interpretieren? Ich verstehe sie so: Sie birgt einen Überraschungseffekt, nämlich das Unerwartete zu tun, mit einer paradox-symbolischen Verhaltensweise dem Gegner zu signalisieren, dass man bereit ist, mit ihm in Dialog zu treten.
Verteidigung ist legitim
Jemand, der durch einen buchstäblichen Schlag provoziert wird, soll sich jedenfalls nicht dazu hinreißen lassen, es dem anderen heimzuzahlen und den Kreislauf der Rache in Gang zu setzen. Er soll vielmehr versuchen, zu verhindern, dass die Sache eskaliert und in einem Teufelskreis des Bösen endet.
Für mich sehr realistisch äußert Paulus im Römerbrief (12,18): „Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden!“ Das Ideal ist angesprochen: Friede sei mit allen, aber auch die Realität benannt: Es wird nicht immer und mit allen gehen. Wenn jemand Opfer von Gewalt wird, darf er sich durchaus schützen und andere um Hilfe bei der Verteidigung angehen. Jedes Volk darf sich in Notwehr militärisch verteidigen, wenn alle anderen Mittel versagen, dem Schaden ein Ende zu bereiten.
Zerstörerischer Gewalt Einhalt bieten
Der Autor:
Pater Daniel Hörnemann OSB ist Mönch in der Benediktinerabtei Gerleve und theologischer Berater bei „Kirche+Leben“.
In jedem Menschen steckt das Potenzial, Gewalt auszuüben, zugleich ist jeder von Gewalt bedroht. Auch Christen dürfen auf Kriegs- und Terroraktionen mit militärischen Interventionen antworten, wenn das Recht und der Friede nicht mehr anders zu erhalten oder wiederherzustellen sind. Wir dürfen uns nicht „ausliefern“, wenn andere meinen, ihre Weltmachtansprüche, politischen, weltanschaulichen und ökonomischen Interessen, auch religiöse oder ethnische Ansprüche durchsetzen zu müssen, wenn sie sich unserer Ressourcen bemächtigen wollen.
Zerstörerischer Gewalt Einhalt zu gebieten, Konflikte zu begrenzen, das „Böse“ durch das christlich Gute zu überwinden und so Friedensaufbauarbeit zu leisten, bleibt eine Herausforderung und Gratwanderung für uns.