Themenwoche „Ein Jahr Ukraine-Krieg“ (6) - aus der Kaserne

Wie der Ukraine-Krieg Soldaten belastet - ein Militärpfarrer berichtet

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Der Ukraine-Krieg hat viele Bereiche des Alltags verändert, auch die Arbeit eines Militärseelsorgers. Pallottiner-Pater Roman Fries war selbst schon in Afghanistan und ist jetzt als Seelsorger in Ahlen und Unna. Im Gespräch mit „Kirche-und-Leben.de“ sagt er, dass auch bei ihm der Krieg alles veränderte.

Herausforderung! Das Wort begleitet den katholischen Militärpfarrer Roman Fries seit Beginn seiner neuen Tätigkeit am 1. Februar 2022 in der Ahlener Westfalenkaserne, zu der auch der Standort der Glückauf-Kaserne in Unna mit zusammen rund 1.700 Soldatinnen und Soldaten gehört. Eine Herausforderung ist die Aufgabe – nicht zuletzt wegen des völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine – auch ein Jahr später noch.

Es ist ein Donnerstagnachmittag, Anfang Februar 2023. In der Thomas-Morus-Kapelle in der Glückauf-Kaserne in Unna haben sich rund 70 Soldatinnen und Soldaten eingefunden, um mit dem Pallottiner-Pater einen Wortgottesdienst zu feiern. Auf dem Altar brennen Kerzen in Blau und Gelb, den Farben der Ukraine. Im Mittelpunkt der Heilige Blasius. „Es gibt Dinge im Leben, an denen wir schwer schlucken müssen“, erinnert Pater Fries an den Bischof, der zum Schutz von Halskrankheiten angerufen wird. „Wir dürfen dann nicht verzweifeln, auch wenn das nicht immer einfach ist und uns vom Heiligen Blasius an die Hand nehmen lassen.“

Bei Berlinern und Kakao ins Gespräch kommen

Gemeinsam beten die Gottesdienst-Teilnehmer für die Soldatinnen und Soldaten in den Auslandseinsätzen, für die Toten und Verletzten im Ukraine-Krieg und die Menschen, die für die Freiheit in ihrem Land kämpfen. Nach dem Blasius-Segen nutzt der Militärpfarrer die Gelegenheit, bei Berlinern und Kakao mit den Soldatinnen und Soldaten ins Gespräch zu kommen. „Vieles ist Beziehungsarbeit, das braucht Zeit“, sagt er.

Ein Jahr sei eine lange Zeit, erinnert Pater Fries daran, dass er quasi bei null angefangen ist. Seine neuen Diensträume in der Ahlener Westfalenkaserne wird er in den kommenden Wochen endlich beziehen. „Bei der Bundeswehr sagt man dazu, ein Leben in der Lage.“ Das war und ist noch mit viel Improvisation verbunden. Aber: „Insgesamt bin ich gut angekommen.“ Dankbar ist der Pallottiner für die gute ökumenische Zusammenarbeit, die vieles einfacher mache.

Wie kann Gott diesen Krieg zulassen?

Der Krieg habe alles verändert. „Manchmal ertappe ich mich dabei, der Selbsttäuschung zu erliegen. Warum sich mit dem Schweren des Kriegs belasten, wenn das Leben doch so schön sein kann.“  Angesichts des großen Leids mit Toten, Verletzten und Geflüchteten infolge der russischen Invasion müsse man einfach helfen. „Wie kann die Katholische Militärseelsorge unterstützen, das ist eine der Fragen, die wir uns nicht zuletzt auch auf den Dienstbesprechungen des Katholischen Militärdekanats Köln stellen“, berichtet der Seelsorger.

In Standort-Gottesdiensten und Gesprächen zwischen Tür und Angel thematisiere er die Herausforderungen des Ukraine-Krieges. „Ein sehr wichtiger Baustein ist der Lebenskundliche Unterricht, den ich den Soldatinnen und Soldaten erteile“, sagt Pater Fries. Hier ginge es darum, unter Mithilfe des ZEBIS „Zentrum für ethische Bildung in den Streitkräften“ einen Raum zu schaffen, in dem die Soldaten frei und offen über ihre Gefühle und ihre Gedanken im Hinblick auf ihren Soldatenberuf sprechen können. „In sogenannten Soldaten-Werkwochen, die vor allem der Erholung dienen, können Soldaten mit Familie den nötigen Abstand gewinnen vom Dienstalltag“, so Pater Fries. „So mancher stelle hier auch die Frage, wie Gott diesen Krieg zulassen könne.“

Soldaten zur Nato-Außengrenze verlegt

Pater Roman Fries zündet Kerzen an
Pallottiner-Pater Roman Fries ist seit einem Jahr als Militärpfarrer für die Kaserne in Ahlen und Unna zuständig. Der Ukraine-Krieg hat auch seine Arbeit verändert.| Foto: Maria Kessing

Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr seien bereits in die Slowakei und nach Litauen verlegt worden, um dort gemeinsam mit anderen Bündnispartnern die Nato-Außengrenze zu sichern. Jeder Einsatz sei für Familien, die zurückbleiben, eine enorme Belastung. Durch die Familienbetreuungszentren der Bundeswehr werden sie professionell begleitet. „Auf Wunsch der Angehörigen kann auch der Kontakt mit der Militärseelsorge hergestellt werden“, so Pater Fries. Verständnis äußert er für diejenigen Soldatinnen und Soldaten, die in den vergangenen Jahren den Dienst an der Waffe verweigert und die Bundeswehr aus Gewissensgründen wieder verlassen haben. „Das ist ihr gutes Recht und ihre Pflicht, dieses rechtzeitig in die Wege zu leiten.“ 

In die politischen Tages-Debatten will sich der Pfarrer nicht einmischen. „Ich bin kein Fachmann für Rüstungsaufgaben.“ Nur so viel: „Es gibt Stimmen, die sind der Auffassung, dass das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr nicht ausreichen wird, um das Kaputt-Sparen der Vergangenheit umzukehren.“ Wenn die deutschen Streitkräfte dauerhaft in der Nato, Verantwortung übernehmen wollten, müssten sie bestmöglich ausgestattet werden, betont der Priester. „Und das kostet Geld.“

Waffengewalt alternativlos

Frieden schaffen mit Waffen? Welche Alternative hätte es denn gegeben, fragt Pater Fries zurück. „Frieden schaffen ohne Waffen, dafür kann man ich Friedenszeiten gut eintreten. Die Realität ist aber oft anders. Russland hat am 24. Februar 2022 die Ukraine überfallen, mit dem Ziel das demokratische, souveräne Nachbarland zu unterwerfen“, ergänzt der Pallottiner-Pater. Alle diplomatischen Bemühungen wie das Minsker Abkommen, den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine beizulegen, seien leider gescheitert. Es sei richtig, dass die Nato-Staaten die Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Russland unterstützten.

Aber ohne Hoffnung leben? Das geht nicht. Erst recht nicht für Christenmenschen. „Nach einem Jahr Krieg mit vielen Toten müsste jetzt jemand im sprichwörtlichen Sinn kommen, um die Stecker auf beiden Seiten zu ziehen, um an den Verhandlungstisch zurückzukehren“, äußert Pater Fries, eine Hoffnung, die er mit vielen teilt. Nicht jedoch mit der Orthodoxen Kirche in Russland. „Es ist beschämend, dass Patriarch Kyrill I. als Oberhaupt der Orthodoxen Kirche Russlands fest an der Seite Putins steht und sich für diesen Angriffskrieg instrumentalisieren lässt.“

Tag für Tag eine neue Herausforderung

Für einen Militärseelsorger ist die Wahrscheinlichkeit einer Einsatzbegleitung von deutschen Truppen an der Ostflanke der Nato nicht ausgeschlossen. Auslands-Erfahrungen hat Pater Fries im Jahr 2019 bei einem viermonatigen Aufenthalt in Afghanistan im gesammelt, wo er Gottesdienste, Bibel-Frühstücke und Gespräche angeboten hat.

Insofern ist und bleibt die Militärseelsorge Tag für Tag eine neue Herausforderung – ob nun beim Feldgottesdienst in Ahlen und Unna oder auch im Ausland, der sich Pater Roman Fries stellt. Im Sinne von Thomas Morus: „Tradition ist nicht das Halten der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.“

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