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Ralf Becker ist Koordinator der ökumenischen Initiative „Sicherheit neu denken“, die sich zum Ziel gesetzt hat, durch präventive und Konflikt begleitende Maßnahmen, Kriege und Gewalteskalation zu verhindern. Ökologische, wirtschaftliche und kulturelle Gerechtigkeit sind wichtige Aufgaben. Gleichzeitig setzt die Initiative auf Schaffung ziviler Friedensstrukturen. Becker spricht am 4. Mai beim ökumenischen Studientag, „Frieden, Sicherheit, Gerechtigkeit – neu denken“ des katholischen Bildungsforums im Kreisdekanat Warendorf. Zu den Organisatoren gehören auch der Diözesanverband von Pax Christi und die Fachstelle Weltkirche des Bistums Münster.
Herr Becker, wozu braucht es die Initiative „Sicherheit neu denken“?
Weil wir seit langem feststellen, dass die internationale Politik noch immer in einem Dominanz-Denken verhaftet ist. Also: Die Nato und die USA wollen weiterhin militärisch dominieren. Wir aber sind überzeugt, dass wir den weltweiten Herausforderungen auch aus christlicher Motivation nur begegnen können, wenn wir auf Augenhöhe respektvoll miteinander umgehen. Wir müssen da in ein anderes Denken kommen.
Wird das durch die aktuellen Ereignisse in der Ukraine nicht ad absurdum geführt?
Nein, es wird im Gegenteil bestätigt. Wir erleben derzeit, dass dieses alte Denken noch einmal voll zum Tragen kommt. Es ist jetzt unausweichlich, dem gewaltvollen Handeln unmissverständlich mit gewaltfreien Sanktionen zu begegnen. Neben diesem entschlossenen Handeln gegen Putins Aggressionskrieg braucht es aber langfristig eine andere Haltung im Westen, mit der wir auf Russland und auch China zugehen, um aus dieser Gewalteskalation wieder herauszukommen.
Ist das mit Blick auf die aktuelle Propaganda, den Hass und die Brutalität nicht naiv?
Am Mittwoch, 4. Mai, veranstaltet das Katholische Bildungsforum im Kreisdekanat Warendorf, ab 9.30 Uhr einen Studientag zum Thema „Frieden, Sicherheit, Gerechtigkeit – neu denken“. Weitere Informationen: www.hdf-waf.de
Nein! Es gibt inzwischen weltweite wissenschaftliche Forschung, die sich über mehr als ein Jahrhundert über 600 Konflikte angeschaut haben. Dort wird deutlich, dass ein entschlossener gewaltfreier Widerstand in der Regel doppelt so wirksam ist, um politische Ziele zu erreichen. Überall dort, wo wir versuchen, Gewalt mit Gewalt zu begegnen, gelingt es sehr viel seltener, diese Ziele zu erreichen. Wir brauchen also eine Haltung, dass wir nur in gewaltfreier Bewältigung solcher heißen Konflikte etwas erreichen können. Dafür sind Zeichen der Wertschätzung und des gegenseitigen Verständnisses notwendig – sie helfen, eine Eskalation zu vermeiden.
Wie genau sollen die Akteure zu dieser Haltung kommen?
Es geht darum, neben dem entschlossenen Stopp zur Gewalt den Konfliktpartnern Signale zu ermöglichen, mit denen sie Verbindung und Empathie für den anderen zeigen können. Dazu braucht es Fachkräfte, die den Beteiligten diese Haltung näher bringen. Das geht präventiv, aber auch in der Eskalation. In dem ökumenischen Projekt „gewaltfreihandeln.org“ bilden wir bereits seit über 20 Jahren zivile Friedensfachkräfte aus, die in unterschiedlichen Bereichen der internationalen Friedensarbeit aktiv sind. Dabei geht es zum Beispiel um gewaltfreie Kommunikation oder auch um die Überwindung alter Traumata, um neue zu vermeiden.
Welche Rolle können die Kirchen dabei spielen?
Weitere Informationen: www.sicherheitneudenken.de
In der christlichen Friedens-Ethik sagen wir ganz deutlich, dass wir eine Gewaltfreiheit brauchen. Trotzdem halten wir fest an der Ultima Ratio: In bestimmten Situationen muss Gewalt erlaubt sein. Um diese zu vermeiden, sollten die Kirchen noch mehr in die präventive Friedensarbeit investieren. Es wäre wünschenswert, wenn sie mehr Mittel in die Ausbildung von Friedensfachkräften stecken würden als in die Militärseelsorge.