„Friede sei mit euch“ – Themenwoche zu Ostern, Teil 1

Warum Militärseelsorge trotz des Friedenswunschs, Bischof Overbeck?

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Das Christentum begreift sich als Friedensreligion – warum gibt es dann eine Militärseelsorge? Das begründet der katholische deutsche Militärbischof Franz-Josef Overbeck im Interview. Der Geistliche aus Marl im Bistum Münster ist zudem Bischof von Essen.

Herr Bischof, als Jesus am Ostertag in die Mitte der Jünger tritt, spricht er nicht von Auferstehung und ewigem Leben, sondern sagt als erstes: „Friede sei mit euch“ (Joh 20,19). Was bedeutet dieser Satz für das Christentum und die Glaubenden insgesamt?

Frieden bildet die Grundlage für ein gutes und gelingendes Leben. Die erschütternden Bilder und Berichte aus der Ukraine verdeutlichen uns, dass wir Frieden nicht einfach tatenlos voraussetzen können, sondern stets für ihn eintreten müssen. Unsere europäische Friedensordnung, die jetzt auf so schreckliche Weise verletzt wird, ist ein sehr großes Geschenk, das es auch durch unser individuelles Handeln zu bewahren gilt. Das kann zeichenhaft gelingen, wenn wir uns all denen zuwenden, die unsere Hilfe benötigen – durch praktisches Wirken und im Gebet. Die Menschen in der Ukraine wollten und wollen keinen Krieg, sondern sehnen sich nach dem Frieden, der ihnen genommen worden ist. Beten ist immer auch ein Zeichen von Hoffnung, die uns die Kraft gibt, immer wieder entschieden für das Gute einzutreten, für Frieden und Versöhnung. Dafür steht Christus selbst – er verheißt uns Frieden, den wir in ihm finden können.

Wie begründen Sie angesichts des Friedenswunschs Jesu eine katholische Militärseelsorge?

Frieden ist ein Werk der Gerechtigkeit, so können wir in der Bibel beim Propheten Jesaja lesen. Von daher kann es durchaus Auseinandersetzungen, auch mit Gewalt, geben, die der Wiederherstellung von gerechten Zuständen dienen. Aber nur, um allein dieses Ziel zu erreichen – und nicht, um andere Länder zu erobern, Menschen zu ermorden, Recht zu brechen, die Würde der Menschen mit Füßen zu treten. Ein solcher Krieg kann niemals gerecht sein. Die christliche Friedensethik kennt das Recht auf Selbstverteidigung, aber die Anwendung militärischer Gewalt muss dabei in dieser rechten Absicht geschehen. Auftrag der Bundeswehr ist es, Friedensdienst zu leisten und Wege zur Versöhnung zu ermöglichen. Die Militärseelsorge will sehr klare, durch den Glauben bestimmte und durch das Evangelium geformte wertbestimmte Ziele verkündigen und macht Soldatinnen und Soldaten das Angebot, sie auf dem Weg der persönlichen Lebens- und Glaubensgeschichte zu begleiten. Unsere Aufgabe besteht auch darin, Perspektiven für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit aufzuzeigen. Das geschieht – oft in ökumenischer und jüdisch-christlicher Verbundenheit – zum Beispiel im Lebenskundlichen Unterricht, in dem es nicht um Katechese oder Religionsunterricht, sondern um Fragen ethisch fundierter und reflektierter Wege der Entscheidungsfindung geht, die Gewissensfreiheit und Gewissenskompetenz berücksichtigen. Im Vordergrund steht dabei der grundlegende soldatische Auftrag, dem Frieden zu dienen. Die Katholische Militärseelsorge ist Kirche für, mit und bei den Soldatinnen und Soldaten.

Im Militär gelten Befehl und Gehorsam; Soldatinnen und Soldaten werden in Einsätze – zum Beispiel derzeit an der Ostgrenze des Nato-Gebiets – geschickt, müssen dort nötigenfalls zur Waffe greifen, im Extremfall Menschen töten. Welchen Spielraum hat Seelsorge unter diesen Bedingungen, was kann sie für die Menschen erreichen – vor einem Einsatz, währenddessen und danach?

Gemeinsam mit den Bündnispartnern der Nato, vor allem in Osteuropa, ist die Sicherung von Frieden und Freiheit nichts Abstraktes, sondern eine Herausforderung, die für unsere Lebensweise elementar bedeutsam ist. Die Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr sind sich dessen bewusst. Viele von ihnen treibt die seelisch belastende Frage um, welche Szenarien drohen, sollte der Krieg in der Ukraine noch weiter eskalieren und in Folge eines Angriffs auf ein Nato-Mitglied der Bündnisfall ausgerufen werden. Als katholischer Militärbischof für die Bundeswehr sichere ich allen Soldatinnen und Soldaten zu: Die Militärseelsorge steht stets an Ihrer Seite! Die Seelsorgerinnen und Seelsorger bieten an den Standorten im In- und Ausland immer eine Möglichkeit zum Gespräch, in dem ausschließlich die Sorgen und Nöte der Person zählen, vertraulich und unabhängig von Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung. Wo Soldatinnen und Soldaten im Einsatz sind, da sind wir!

Generalinspekteur betont Bedeutung der Religionsausübung
Generalinspekteur Eberhard Zorn betont die Bedeutung der Religionsausübung in der Bundeswehr. „Unsere Soldatinnen und Soldaten haben einen Anspruch auf Seelsorge und ungestörte Religionsausübung“, so Zorn in seinem Tagesbefehl am Gründonnerstag. Darin verwies er auch auf das jüdische Pessachfest und den laufenden muslimischen Fastenmonat Ramadan.

Militärseelsorge gehöre seit den Anfängen der Bundeswehr als „wichtiger und nicht wegzudenkender Beitrag für die Betreuung und Fürsorge“ zum Alltag, schrieb Zorn. In seiner täglichen Mitteilung an alle Militärangehörigen bat er die Vorgesetzten, „weiterhin auf die Belange der Angehörigen aller Glaubensrichtungen einzugehen, soweit dienstliche Erfordernisse nicht entgegenstehen“.

Katholische und evangelische Seelsorgende kümmern sich um die Menschen in der Bundeswehr, seit 2021 gibt es auch einen Militärbundesrabbiner. Eine muslimische Militärseelsorge gibt es bisher noch nicht. | epd

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