Einschätzungen von Militärbischof Overbeck, von „Pax Christi“ und Hilfswerken

Ukraine: Kirche unterstützt Selbstverteidigung – Skepsis bei Aufrüstung

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Wie sehen die katholische Kirche und ihre Friedensethik den russischen Krieg gegen die Ukraine? Ist Gewalt als Selbstverteidigung gerechtfertigt? Und wie bewerten kirchliche Stimmen die geplante deutsche Aufrüstung?

Der deutsche katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck hat das Recht der Ukraine auf Selbstverteidigung betont. Das Gebot „Du sollst nicht töten“ gelte für alle; wer sich daran nicht halte, müsse davon abgehalten werden, weiter zu töten, sagte der Essener Bischof der „Bild-Zeitung“.

Es gebe „ein Verteidigungsrecht für jeden Menschen“. Gleichwohl sei auch Deutschland in der Pflicht, im Hintergrund alles zu tun, um zu deeskalieren.

Der „Rheinischen Post“ sagte der Militärbischof, die „neue Realität“ bedeute, „mit der Wirklichkeit eines Krieges nicht nur zu rechnen, sondern auch damit umgehen zu müssen“. Zugleich betonte Overbeck. „Andere Länder zu erobern, Menschen zu ermorden, Recht zu brechen, die Würde der Menschen mit Füßen zu treten – ein solcher Krieg kann niemals gerecht sein.“

„Recht auf Selbstverteidigung“

Auch der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, Vorsitzender der katholischen Friedensbewegung „Pax Christi“ in Deutschland, erklärte, Menschen dürften „befähigt werden, sich selbst zu verteidigen“. Das dürfe auch ein Bischof und Friedenethiker sagen, so Kohlgraf im Deutschlandfunk.

Der Bischof lobte den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er spreche „sehr eindeutig über die Folgen des Krieges“ und mache deutlich, dass nicht nur die Ukrainer, sondern auch die russischen Soldaten Opfer seien.

Skepsis bei Bundeswehr-Investitionen

Derweil steht der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Friedrich Kramer, steigenden Militärausgaben skeptisch gegenüber. „Ich glaube, dass die reine Logik der militärischen Stärke Deutschland nicht sicherer macht“, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Der katholische Theologe Andreas Lob-Hüdepohl zweifelt ebenso, ob mehr Geld die deutsche Verteidigungsbereitschaft erhöhe. Während der russische Rüstungsetat 62 Milliarden Dollar betrage, investiere Deutschland bereits 52 Milliarden Dollar: „Da wüsste ich jetzt nicht, dass es am Geld mangelt“, sagte das Mitglied des Deutschen Ethikrats. Es gehe um andere Probleme wie die Effizienz der eingesetzten Mittel.

Militärausgaben und Entwicklungspolitik

Der evangelische Bischof Kramer regte an, wenn Deutschland zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) in die Armee stecke, solle die Hälfte davon für Gerechtigkeit, etwa für Entwicklungsprojekte, ausgeben werden: „Das hilft auf andere Weise dem Frieden.“

Hilfswerke mahnen in gleicher Weise, neue Investitionen ins Militär dürften nicht zu Lasten der Entwicklungspolitik gehen. Die Verpflichtung Deutschlands, mindestens 0,7 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit aufzuwenden, dürfe nicht aufgegeben werden, sagte Misereor-Geschäftsführer Pirmin Spiegel der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

„Vorrang für zivile Entwicklung“

„Pax Christi“ bewertete die geplanten Milliarden-Ausgaben für die Bundeswehr als Schritt in die falsche Richtung. Die Generalsekretärin von „Pax Christi“ Deutschland, Christine Hoffmann, forderte „Vorrang für zivile Entwicklung“. Es brauche faire Weltwirtschaftsstrukturen und die Globalisierung von sozialer, kultureller und medizinischer Infrastruktur.

Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks „Brot für die Welt“, Dagmar Pruin, forderte einen höheren Entwicklungsetat. Angesichts der „Folgewirkungen, die der Krieg in der Ukraine auslöst“, und angesichts der Klimakrise werde das bestehende Volumen nicht reichen.

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