Andrij Waskowycz zu Gast bei der Deutschen Bischofskonferenz

Ex-Caritas-Chef der Ukraine: Die Hilfe kommt an

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Im Rahmen ihrer Frühjahrsvollversammlung in Vierzehnheiligen sprechen die katholischen Bischöfe Deutschlands auch über den Krieg in der Ukraine. Als Gast nahm an den Gesprächen auch Andrij Waskowycz, Leiter des Büros für die Koordinierung humanitärer Initiativen des Weltkongresses der Ukrainer und von 2001 bis 2021 Präsident der Caritas Ukraine, teil. Im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) äußert er sich zur aktuellen Lage. Und zu der Frage, ob es Aussichten für ein Ende der Kämpfe gibt.

Herr Waskowycz, welche Berichte bekommen sie aus der Ukraine, aus ihrer Heimat?

Wir sind betrübt über das, was wir aus der Ukraine hören. Am heutigen Mittwoch habe ich einen Bericht bekommen aus der Stadt Mariupol. Man spricht von sehr vielen zerstörten Häusern und man spricht auch von Leichen, die auf den Straßen liegen. Es handelt sich um Opfer dieses Krieges. Ähnlich sieht es auch in andere Städten aus. Charkiw ist sehr stark zerstört und auch in Kiew wurden Zivilobjekte und Wohnhäuser beschossen.

Können wir uns hier in Deutschland überhaupt ein realistisches Bild von der aktuellen Lage verschaffen?

Wenn wir im Fernsehen den Krieg in der Ukraine verfolgen, dann sehen wir nur einen Teil der Zerstörungen. Der eigentliche Teil wird gezeigt, wenn man sich in den Sozialen Medien kundig macht und dort die Aufnahmen ansieht, die mit Handys gemacht wurden, von ganzen Wohnblocks, die von Bomben in Schutt und Asche gelegt wurden.

Gibt es verlässliche Zahlen zu den Flüchtlingen?

Wir wissen nicht, wie viele Binnenflüchtlinge es in der Ukraine gibt. Aber Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Man erwartet, dass mehr als 7 Millionen Menschen in Nachbarländer oder in Länder der Europäischen Union fliehen könnten.

Was macht Ihnen Mut?

Das ist die enorme Solidarität des ukrainischen Volkes, sich gegenseitig zu helfen, den Menschen Schutz zu geben, die aus der Ostukraine in die Westukraine fliehen mussten. Man sieht, wie Suppenküchen entstehen, man sieht auch die Arbeit der Caritas in der Ukraine, die ihre ganzen Kapazitäten einsetzt, um den flüchtenden Menschen und den Menschen in den beschossenen Städten zu helfen. Wir haben drei Standorte der Caritas in der Ostukraine, ansonsten sieben Standorte und sieben Lagerhallen in der Westukraine, von denen aus humanitäre Hilfe kommt. Diese Hilfe kommt nicht zuletzt auch durch die langjährige Zusammenarbeit der Caritas Ukraine mit Organisationen im Westen zum Beispiel Caritas International und Renovabis zustande.

Das heißt, die Caritas kann trotz der andauernden Kämpfe weiter Hilfe leisten?

Die Hilfe funktioniert, und zwar auch deshalb, weil man schon im Frühling vergangenen Jahres, bei dem Aufmarsch der russischen Truppen an der ukrainischen Grenze und dann auch verstärkt im Herbst Notfallpläne ausgearbeitet hat, wie man diese Hilfe organisieren kann. Das waren Notfallpläne, die darauf ausgerichtet waren, Lagerhallen einzurichten und notwendiges Inventar zu haben für die Nothilfe. Allerdings ist mit der Wucht des Krieges die ganze Gesellschaft überlastet. Deswegen ist die Hilfe aus dem Ausland extrem wichtig.

Was wird mehr gebraucht: Sach- oder Geldspenden?

Es wird beides gebraucht. Geldspenden sind besonders wichtig, denn das Bankensystem funktioniert noch und die Caritas gibt Menschen Bankkarten aus, damit sie sich selbst kaufen können, was sie brauchen. Das ist eine der effektivsten Formen der humanitären Hilfe, denn das erübrigt die logistischen Probleme, die man mit Sachspenden hat.

Sehen sie eine realistische Möglichkeit für ein baldiges Ende des Krieges?

Es ist sehr schwer, Prognosen zu stellen. Viel hängt ab von der militärischen und politischen Entwicklung und auch davon, ob Russland fähig ist, diesen Krieg fortzuführen und wie stark und wie schnell die Sanktionen eine Wirkung zeigen.

Welche Rolle könnten religiöse Führer in der diplomatischen Rolle spielen?

Ich glaube, der Papst und andere religiöse Führer sollten darauf einwirken, dass dieser Krieg beendet wird, dass die Aggression Russlands ein Ende findet. Sie sollten auch zum Gebet aufrufen für die Ukraine und das tun sie ja auch, denn das Gebet kann die Nähe der Menschen mit der Ukraine manifestieren und hat auch seine eigene Wirkung.

Welche Chance messen sie konkret den Bemühungen des Papstes bei?

Es ist sehr schwierig, solche Chancen einzuschätzen. Es wird vieles abhängen davon, wie die Welt diesem Krieg weiterhin gegenüber steht, wie stark die Ukraine politisch, militärisch und humanitär unterstützt wird.

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