Kommentar von Chefredakteur Markus Nolte zum Christ:innentreffen in Stuttgart

Katholikentag in the bubble: Alles muss sich ändern, nur wir nicht?

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Welche Zukunft haben Katholikentage? Können sie noch beanspruchen, den Laienkatholizismus in Deutschland zu vertreten? Müssen sie das überhaupt? Kommentar von unserem Chefredakteur Markus Nolte.

Na klar war es schön in Stuttgart, so schön vertraut und bunt, die Papphocker waren da und die bunten Halstücher, die pastell­orange mit ukrainischem Blaugelb verbandelt den 102. Katholikentag prägten. Die großen Gottesdienste zu Beginn und am Ende waren da, der Bundespräsident und der Kanzler, fast alle Diözesan- und zahlreiche Weihbischöfe. Es wurde diskutiert und gefeiert, gebetet und gesungen, geschwiegen und gelacht, auf dem Rasen gelegen und Wiedersehen mit Freunden gefeiert, die man lange nicht gesehen hat und eigentlich immer beim Katholikentag trifft.

Na klar war es schön in Stuttgart!

Wegbleiben aus Frust und Kapitulation?

Aber es fehlte doch auch ganz schön viel. Allem voran Katholikentagsbesucher. Von 27.000 war die Rede, davon allein 7.000 Mitarbeitende bei den Podien und an den vielen Ständen. Eine respektable Restangst nicht zuletzt des älteren Publikums vor Corona mag eine willkommene Begründung sein.

Für alle anderen, die nicht da waren, dürften schlichtweg Frust, Unlust, schiere Verzweiflung und Kapitulation der Grund fürs Wegbleiben gewesen sein. Für manche auch, dass nicht mal mehr der Protest gegen dieses vermeintlich „linksgrün-spalterische Spektakel“ noch lohnt.

Überkommenes Modell

Sogar die vertrauten Spaßverderber sind zuhause geblieben: Die großen Kritiker wie Regensburgs Bischof Voderholzer und Kardinal Woelki waren - womöglich genüsslich - erst gar nicht angereist, Köln hatte nicht einmal einen eigenen Stand als Erzbistum.

Die Luft ist raus aus diesem überkommenen Modell von Katholikentagen, und natürlich hat auch das mit den massiven Umbruchzeiten zu tun. Vorbei die Zeit, als das Treffen Kraftwerk und Trauminsel für Kirchenreformen war. Wo sich engagierte Katholikinnen und Katholiken sonst mit großem missionarischen Eifer für Reformen eingesetzt hatten und dazu Motivation und Vibrations, Argumente und Verbündete gefunden haben.

Die Kirche im Umbruch - die Katholikentage nicht?

Der Grund ist hausgemacht: Die Verantwortlichen sowohl beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken wie bei der Deutschen Bischofskonferenz können mit Fug und Recht sagen: Frauenrechte, Zölibat, Homosexualität, Missbrauch – wird doch jetzt alles bearbeitet: beim Synodalen Weg!

Und jetzt? Offenbar meint ausgerechnet der Reformtreiber ZdK, bei seinem Katholikentag könne alles bleiben wie immer, während rundum alles im Ab- und Umbruch taumelt. Dabei ist klar: In dieser Form kann das Treffen nicht mehr beanspruchen, den Laienkatholizismus in Deutschland zu repräsentieren.

Es braucht neue Formate - und mehr Ökumene!

Muss es hier womöglich auch gar nicht! Es ist ein Angebot im Wettbewerb neben anderen, um den Glauben öffentlich zu feiern, die großen Themen der Zeit, der Kirche, der Politik, der Gesellschaft zu diskutieren und womöglich Trauminsel und Kraftort für visionäre Entwicklungen in diesen Bereichen zu sein. Aber dafür bräuchte es endlich auch neue Formate der inhaltlichen Arbeit, mehr mutige Laboratorien als die ständige Selbstbebauchpinselung mit den immerselben Positionen, auch weniger betuliche Alles-wie-immer-Großgottesdienste, natürlich und ganz zweifellos grundsätzlich ökumenisch.

Wer weiter auf konfessionell-getrennte Kirchentage nach Modell 08/15 besteht, verspielt die letzte Chance des Christentums, noch sinnvolle Impulse in diese Gesellschaft zu senden. Und damit sowohl die Relevanz der Kirchentage für die hohe Politik als auch die Akzeptanz derer, die solche Treffen als (Kirchen-)Steuerzahler ermöglichen.

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