KLJB-Bundesvorsitzende Sarah Schulte-Döinghaus über Dorfleben und Landwirtschaft

Landjugend-Vorsitzende: Kirchliche Traditionen wichtig für Dörfer

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Das Landleben wandelt sich, die Landwirtschaft ebenso - kaum ein Jahr ohne Rufe nach Reformen. Wie bewerten katholische Landjugendliche die Lage? Fragen an die Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung (KLJB), Sarah Schulte-Döinghaus.

Frau Schulte-Döinghaus, das von den Grünen geführte Bundeslandwirtschaftsministerium hat eine Agrarwende angekündigt und begonnen, Gesetze und Verordnungen dazu auszuarbeiten. Wie sehen Sie die Lage?

Es tut sich ein bisschen was. Als es 2019 mit den Demos "Wir haben es satt" und "Wir machen euch satt" von Umwelt- und Landwirtschaftsverbänden auf den Straßen laut wurde, hat es auch die damalige Bundesregierung verstanden und die Beteiligten an einen Tisch geholt. So entstand die Zukunftskommission Landwirtschaft, mit Vertreterinnen und Vertretern aus verschiedenen Bereichen. Die hat einen sehr guten und umfangreichen Vorschlag gemacht, auch was die Tierhaltung angeht. Der blieb aber bislang leider liegen.

Auf Tierhaltung liegt ein besonderer Fokus, Stichwort Tierwohl und Klimaverträglichkeit. Da werden große Veränderungen gefordert - können die Landwirte dem nachkommen?

Ich komme selbst aus einer Familie, die Tierhaltung betreibt. Inzwischen führt mein Bruder den Hof in Ortsrandlage. Aktuell hätte er aber gar nicht die Möglichkeit, etwa einen Stall mit Außenzugang zu bauen. Das geht schon aus gesetzlichen Vorgaben wie Immissionsschutz nicht, etwa durch Regeln zur Geruchsbelästigung. Diese Herausforderung stellt sich gerade für viele Betriebe, die sehen: Wir müssen etwas verändern, weil wir sonst bald nicht mehr wirtschaftlich sind, wir können aber nicht, weil die Gesetze noch nicht so weit sind. Bis das umgesetzt ist, wird es noch dauern. Die Branche braucht aber Planungssicherheit, denn es geht auch um immense Investitionen für die Umbauten.

Die Landwirtschaft bringt oft den Kostenfaktor vor, warum es sich hinzieht. Umweltverbände werfen den Betrieben aber vor, von sich aus gar keinen Willen zu weniger Tierleid aufzubringen.

Natürlich ist das ein Problem. Ich wehre mich aber dagegen, wenn gesagt wird, es gebe in allen Betrieben zu viel Tierwohlverletzung. Sicher gibt es "schwarze Schafe", die sich nicht an die Regeln halten. Aber dafür darf nicht die ganze Branche in eine Ecke gestellt werden. Die Tierhaltung ist gesetzlich geregelt und die Landwirtinnen und Landwirte bewegen sich aktuell in dieser Norm. Das heißt nicht, dass die Standards nicht insgesamt erhöht werden müssten. Das ist auch ganz klar unsere Forderung als KLJB.

Unter anderem dafür soll nun das verpflichtende Haltungslabel für Fleisch im Handel kommen, damit Verbraucher sich bewusst für die besseren Produkte entscheiden und diese ausgebaut werden können. Wie bewerten Sie das?

Es ist ein erster, kleiner Schritt. Jetzt müssten natürlich noch weitere Fleischsorten - bisher betrifft es ja nur Schweine - sowie verarbeitete Produkte hinzukommen, damit das Label wirksam wird. Allgemein wäre vor allem wieder mehr Wertschätzung für unsere Lebensmittel wichtig, die ist in großen Teilen der Gesellschaft verschwunden. Es wird längst nicht mehr überall selbst gekocht, sondern auf Fertigprodukte zurückgegriffen. Ich möchte das nicht verurteilen, es gibt dafür natürlich Gründe. Aber dadurch wissen eben auch viel weniger Kinder und Jugendliche, was sie mit Gemüse alles anfangen können, wie sie es zubereiten können. Es braucht mehr Bildung in den Themen, am besten schon in Kindergarten oder Grundschule, spätestens aber in den weiterführenden Schulen.

Für diese Art der Jugendbildung steht auch die KLJB. Wie gehen Sie im Verband mit landwirtschaftlichen Themen um?

Auch bei uns hat sich seit der Gründung 1947 natürlich viel gewandelt. Im "Sämann" zum Beispiel, unserem ersten bundesweiten Magazin in den 1950er Jahren, ging es noch fast ausschließlich um landwirtschaftliche Themen. Etwa, wann ich was anbauen kann oder tatsächlich auch, wie hoch die Aussteuer für eine Braut sein sollte. Damals kamen aber auch noch fast alle Mitglieder aus der "Bauernjugend". Heute haben nur noch wenige einen landwirtschaftlichen Hintergrund, wie auch die Zahl der Höfe seitdem massiv zurückgegangen ist. Dennoch waren unsere Mitgliederzahlen zuletzt stabil, mit leichtem Trend nach oben.

Sie tragen das Adjektiv katholisch im Verbandsnamen. Welche Rolle spielt die Kirche noch für Bäuerinnen und Bauern?

Die jüngsten Austrittszahlen zeigen ja deutlich, dass Kirche immer weniger in der Lebensrealität vorhanden ist. Das ist aber auch wenig verwunderlich, wenn wir beim Reformprozess Synodaler Weg hinter Beschlüsse zurückfallen, die schon bei der Würzburger Synode vor 50 Jahren gefasst wurden, was zum Beispiel die Rolle von Frauen in der Kirche angeht. Wenn ich das jetzt zusammennehme mit dem angesprochenen Rückgang in der Landwirtschaft, dann kann diese Blase einfach nicht mehr so existieren, wie es mal war.

Hat das Sprichwort mit der Kirche im Dorf ausgedient?

Ich glaube schon, dass Kirche Glaubensort sein kann, der für die Dorfgemeinschaft wichtig ist. Bei uns als kirchlichem Jugendverband bleibt zum Beispiel das Gemeinschafterleben, für seinen Ort aktiv sein, nach wie vor wichtig. Und es werden Traditionen wie Osterfeuer oder das Klappern zu Fronleichnam aufrechterhalten. Das verbindet uns auch weiterhin mit Kirche - und kann gerade im Dorf auch wichtig für die Gemeinschaft sein. Das habe ich nun als Mitglied der Jury von "Unser Dorf hat Zukunft" wieder festgestellt.

Das ist der bundesweite Wettbewerb für Entwicklung in ländlichen Regionen. Wie hat das Dorf denn Zukunft?

Es zeigt sich, dass Dörfer nur dann richtig funktionieren können, wenn sie nicht als reine Schlafstätten genutzt werden. Wenn ich aufs Dorf ziehe, dann muss ich mich auch in die Gemeinschaft einbringen, um es lebenswert zu gestalten. Im Gegenzug muss natürlich auch die Gemeinschaft die Menschen annehmen. Ein aktives Dorfleben, auch durch Vereine und lebendige Traditionen, ist da hilfreich. Insofern gibt es da einen Bedarf an Kirche - wenn schon nicht als Institution, dann doch an ihren Traditionen.

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