Priester aus Geldern erzählt in seinem Buch sehr persönlich von sich, Gott und der Kirche

„Pop-Kaplan“ Christian Olding plaudert Klartext

Seine modernen Gottesdienste haben Christian Olding, Kaplan in Geldern und zuvor in Emmerich, bekannt gemacht. Jetzt gibt es seine Ideen auch als Buch. Randvoll mit sehr persönlichen Erfahrungen aus seinem Leben, mit der Kirche und mit Gott.

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Der Mann ist ein Typ, der Mann hat was zu sagen – und er weiß, wie man das so anstellt, dass es bei den Leuten ankommt: Christian Olding, Anfang 30, Priester in Geldern am Niederrhein. Manche nennen ihn „Pop-Kaplan“, weil er schon in Emmerich, seiner ersten Stelle, Gottesdienste der etwas anderen Art gefeiert hat: mit bunten Scheinwerfern statt Neonröhren und Nebelmaschinen statt Weihrauch, mit hochprofessionell geschnittenen Youtube-Videos – und in vollbesetzten Kirchen.


Kaplan Christian Olding auf dem Youtube-Kanal von „Kirche-und-Leben.de“: Trailer zur sechsteiligen Fastenserie „Zeit und Raum“.

Vor zwei Jahren hat er im Netz-Auftritt von „Kirche+Leben“ für eine sechsteilige Video-Serie zur Fastenzeit vor der Kamera gestanden, im Internet-Portal „katholisch.de“ meldet er sich regelmäßig mit Video-Kommentaren. Olding ist Online-Profi.

 

„Es geht um mich. Aber irgendwie auch nicht“

 

Und jetzt: ein Buch. So richtig gedruckt und gebunden, mit Hardcover, Schutzumschlag und Werbekampagne vom renommierten Herder-Verlag. „Klartext, bitte“, heißt es. „In diesem Buch geht es um mich.“ So lautet der erste, reichlich selbstbewusste Satz. Der nächste: „Aber irgendwie auch nicht. Na ja, es geht schon um mich, aber mehr als Angebot.“ Das klingt exakt nach dem Geschwätz, den der Untertitel sich verbittet – doch Olding beweist in seinem Buch eindrucksvoll, dass die verschwurbelt-mysteriöse Einleitung seine Methode offenbart.

Denn er erzählt in der Tat viel von sich, sehr Persönliches – so viel, dass es mitunter weh tut. Wenn er sich etwa an die Selbsttötung seines Vaters erinnert, als Christian Olding 13 Jahre alt war. Wie ihn das, so recht weiß er nicht wie, immer wieder in die Kirche vors Kreuz trieb: „Diese halbnackte Leiche am Kreuz sah so elendig aus, wie ich mich fühlte. Ihm ging es dreckig und mir ebenso.“

 

Im Priesterseminar und beim Psychotherapeuten

 

Oder wie Olding versuchte, mit schulischen Hochleistungen den Verlust des Vaters abzuarbeiten. Sein Leistungsdruck – ein großes Thema, offenbar bis heute. Er erzählt von seinem Weg ins Priesterseminar und ziemlich schonungslos davon, wie er sich dort fühlte und was er von seinen Mitstreitern dort dachte.

Er spricht von schwerer Krankheit und Besuchen beim Psychotherapeuten, aber auch von ersten Erfahrungen als Priester. Wie er beispielsweise nach einem tragischen Unglück von der trauernden Familie in seine Wohnung zurückkehrt: „Nach einem solchen Besuch werfe ich Gott nur noch die Brocken hin und bete: Sieh mal zu, dass du aus dieser Scheiße was Gescheites machst.“

 

Schmerzlicher Abschied von Emmerich

 

Er lässt auch den schmerzlichen Abschied von Emmerich nicht aus, wo seine Gottesdienste manche derart störten, dass sie vor Mobbing, nächtlichen Anrufen und Denunziation nicht zurückschreckten.

Christian Olding: „Klartext, bitte - Glauben ohne Geschwätz“. 192 Seiten, 20 Euro, Verlag Herder 2017, ISBN 978-3-451-37845-4 (auch als E-Book erhältlich).

Aber auch dies: Olding lässt seine Leser von seiner Ordnungssucht wissen, von seinem Faible für TV-Serien wie „Monk“ oder „The Big Bang Theory“, von seiner Vorliebe für ästhetischen Nippes: „Die Krönung meiner bisherigen Deko bildet ein Hirsch, der acht verschiedene Blinkmodi im Angebot hat.“ Wissen wir das auch.

Kurzum: Der Pop-Kaplan plaudert Klartext. Mitunter weiß man nicht, wohin er damit will – in den meisten Fällen aber will er aufs Ganze. Immer wieder greift er zur Bibel, fast immer ohne dass es in der „Jesus-Kurve“ zu sehr quietscht.

 

Deftige Sprache, unbändiges Vertrauen

 

Olding erzählt von seinem Leben – und damit in erfrischender Selbstverständlichkeit und ab und an recht deftiger Sprache von seinem unbändigen Vertrauen in einen Gott, der gewöhnungsbedürftig unbändig liebt. Davon ist Olding randvoll. So voll, dass er brennt, Gott so zu vermitteln, dass Menschen überhaupt eine reelle Chance bekommen, ihn bei sich ankommen zu lassen.

Das will Konsequenzen – für die Kirche, für die Liturgie und ihre Sprache, für Diskussionen um Strukturen und Moral zwischen den „Extremvarianten der pastoralen Prostitution und dem fundamentalen Hardlinertum“. Die Lösung hat auch Olding nicht. Was er fordert ist, was er anbietet: Professionalität, Mut, Wachheit, Glauben, Wissen – und sich. Beeindruckend.

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